# taz.de -- Freiwillige Helfer auf dem Kirchentag: Hand gegen Koje | |
> Der harte Kern der Kirchentagshelfer sind die sogenannten „Hakas“. Die | |
> PfadfinderInnen nehmen sich für das religöse Großevent extra Urlaub. | |
Bild: Pfadfinder und Müllexperten: Bente (l.) und „Robbe“ | |
HAMBURG taz | Nessa Hoffmann ist 24 Jahre alt. Sie steht am Tresen nahe des | |
südlichen Eingangs der Hamburger Messe. Hier werden die freiwilligen Helfer | |
des Kirchentag empfangen. Von hier aus wird alles koordiniert. Helfer auf | |
dem Kirchentag ist aber nicht gleich Helfer. Es gibt Helfergruppen, | |
Einzelhelfer und es gibt „Hakas“. | |
Letztere sind der harte Kern der Kirchentagslogistik. „Hakas“ sind Helfer, | |
die über drei Wochen lang unentwegt auf- und abbauen. Sie koordinieren die | |
Besucherströme und kontrollieren die Eintrittskarten. Sie ermöglichen einen | |
reibungslosen Ablauf in Hamburg. | |
Für Nessa Hoffmann ist es der 5. Kirchentag. Im normalen Leben studiert die | |
junge Frau evangelische Theologie in Marburg. Viel spirituellen Input | |
bekommt sie aber nicht. Sie ist nicht wegen den Veranstaltungen des | |
Kirchentags hier. Es sind die Freunde und die Gemeinschaft, die Nessa beim | |
Kirchentag seit Jahren sucht und wiederfindet. | |
Es gibt ungefähr 500 „Hakas“ auf dem Hamburger Kirchentag. Die meisten sind | |
Mirglieder bei Vereinen wie dem Verein Christlicher Pfadfinder aus Bünden, | |
der Waldjugend oder den Christlichen Pfadfindern Deutschlands. | |
Unter Seefahrern heißt es: Hand gegen Koje. So ist es auch auf diesem | |
maritimen Kirchentag. Eine altes Krankenhaus in Eppendorf ist das Quartier | |
der „Hakas“, geschlafen wird auf Isomatten. Fürs Waschen bleibt da manchmal | |
keine Zeit. | |
## Die Müllmafia | |
„Robbe“ und Bente sind Teil der Müllmafia. „Robbe“ heißt eigentlich I… | |
Hirsinger. Pfadfinder haben meistens Spitznamen. „Robbe“ ist seit 1991 auf | |
Kirchentagen als Helfer unterwegs. Er ist seit über 10 Jahren der | |
Obermüllmann auf dem Laientreffens. Eigentlich ist er Informatiker – | |
Bürojob inkusive. Zum Ausgleich fährt er auf den Kirchentag. Was zum | |
anfassen. Auch Erholung, sagt er. | |
Bente Oetken heißt wirklich so und sagt: „An sich ist es ein scheiß Job“. | |
Bente gefällt der Müll aber gut. Mit Rollschuhen, Fahrrädern oder zu Fuß | |
werden die Mülltonnen im Schichtdienst transportiert. 130 Helfer und 13 | |
„Hakas“ versuchen die Abfallberge auf dem Kirchentag in den Griff zu | |
bekommen. | |
Gerade ist die Bundeskanzlerin auf der Messe. Das Bundeskriminalamt hat | |
verboten, dass die Stadtwerke die großen Müllpressen – das Epizentrum des | |
Drecks – entleert werden können. So wird Angela Merkel auf einmal für die | |
Müllmafia ein Problem. | |
In der Fahrbereitschaft winken die Ersten schon ab. Keine Zeit für ein | |
Interview. Es herrscht reges Treiben. Meike „Rosi“ Brosi und Jonas Krüger | |
setzten sich in den Fuhrpark aus Fahrrädern, Autos, Bussen und Lkws in die | |
Sonne. | |
## Den Urlaub geopfert | |
Jonas freut sich an seinem Geburtstag auf dem Kirchentag zu sein. Viele | |
Freunde seien sowieso da. Da lohne es sich, seinen Urlaub für den | |
Kirchentag zu opfern. Jonas arbeitet normalerweise in der | |
Führerscheinstelle in Lahstedt, einem kleinen Ort bei Braunschweig. | |
Er entzieht Führerscheine und stellt Nummernschilder aus. Auf dem | |
Kirchentag bleibt der Verwaltungsfachangestellte den Autos treu und nimmt | |
die Fahraufträge entgegen. Betten der Bundeswehr für die Helfer verwandelt | |
er hier genauso wie zwei Paletten Wasser schnell in einen Lieferschein. | |
Der kommt dann zu „Rosi“ an die „Dispo“, dem Tisch auf dem alle | |
Lieferscheine koordiniert werden. An einer großen Tafel sieht sie, welcher | |
Fahrer mit welchem Fahrzeug unterwegs ist. Sie verteilt Aufträge und | |
schickt die Autos und Laster los. Auch „Rosi“ nimmt ihren dreiwöchigen | |
Jahresurlaub für den Kirchentag. Sie ist Berufsschullehrerin. Zeit zum | |
quatschen hat sie gerade keine. Der nächste Auftrag kommt gerade rein. | |
3 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Friedrich Göring | |
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