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# taz.de -- Dreißig Jahre Frauenlauf: Frauen laufen unexotisch
> Fast 20.000 Läuferinnen kommen zum Jubiläum des Berliner Frauenlaufs.
> Damals war er ein Novum, heute unterscheidet er sich kaum noch von
> anderen Events.
Bild: Sie war schon vor 30 Jahren dabei: Kathrine Switzer. 1967 war sie in Bost…
„Mama, du musst ’n bisschen schneller laufen“, ruft es vom Straßenrand. …
der Straße des 17. Juni blinken in der strahlenden Sonne Trikots in Lila,
Pink und Türkis auf. Genau 18.512 Läuferinnen rennen hier am Samstag beim
30. Berliner Frauenlauf die Strecke durch den Tiergarten und auf die
Siegessäule zu. Die Besten biegen schon nach einer guten halben Stunde auf
der Zielgeraden ein, zehn Kilometer liegen hinter ihnen.
Im Mai des Jahres 2013 sind Bilder von den schwitzenden und rennenden
Frauen wahrlich nicht mehr außergewöhnlich. Zur Premiere des Berliner
Frauenlaufs 1984 aber war das noch ein bisschen anders. Am Samstag feierte
der Lauf nun seine 30. Auflage und damit auch eine erfolgreiche
Entwicklung. Mit der Anzahl der Teilnehmerinnen ist es nicht nur der größte
reine Frauenlauf des Landes, ihm kommt auch eine Vorreiterfunktion zu:
Damals war er hierzulande ein Unikum, einen Lauf nur für Frauen gab es noch
nicht.
„Wir haben einen großartigen Tag gehabt, und so viele Frauen, egal welche
Hautfarbe, welche Religion, egal, ob dick oder dünn, sind heute ein tolles
Rennen zusammen gelaufen“, sagt Kathrine Switzer nach dem Jubiläumslauf.
Switzer, die heute auch die zehn Kilometer lange Strecke durch den
Tiergarten läuft, ist nicht irgendeine Läuferin. Die New Yorkerin ist die
Laufpionierin aus den USA – sie war die erste Frau, die 1967 überhaupt bei
einem Marathon mitlief. Nach 1:03:26 Stunden kommt die heute 66-Jährige ins
Ziel, für eine Frau ihres Alters eine Topzeit. Ans Aufhören denkt sie noch
nicht. „Es ist gut gelaufen, obwohl ich neulich eine
Achillessehnenverletzung hatte“, sagt sie.
Ohne Switzer gäbe es eine weltweite Frauenlaufserie wohl genauso wenig wie
diesen Lauf hier – denn auch bei dessen Gründung hat sie mitgewirkt. Sie
hat die in den USA schon existierende Frauenlaufserie damals gemeinsam mit
Horst Milde, dem Initiator des Berlin-Marathons, an die Spree gebracht. Es
war Switzer wichtig, dass die Frauenlaufserie, die von Beginn an von einem
Kosmetikkonzern gesponsert wurde, sich über den Kontinent verbreitet.
„Es war zu dieser Zeit exotisch für Frauen zu laufen“, sagt der damalige
Veranstalter Milde. Den laufenden Frauen aber war es wichtig, nicht nur bei
den Männern mitzulaufen, sondern ein eigenes Rennen zu haben. In den
Männerfeldern liefen Frauen niemals als Erstes über die Ziellinie – nicht
gerade motivationsfördernd.
## In die Männerdomäne
Am 31. Mai 1984 rannten die Frauen dann zum ersten Mal durch Berlin. 645
Teilnehmerinnen hatten sich angemeldet. Es gab Strecken über fünf und zehn
Kilometer. Der Lauf fand ausgerechnet am Vatertag des Jahres statt. Und die
Männer reagierten – zickig. „Ich habe böse Briefe von Männern gekriegt�…
sagt Milde. Die Frauen brachen in eine Domäne ein, die viele der Männer für
sich beansprucht hätten. Einige seien auch verkleidet mitgelaufen, erzählt
Milde. Das ist auch heute noch so.
Damals waren die Frauen bei den großen Berliner Volksläufen
unterrepräsentiert, nur zwei oder drei Prozent der Teilnehmer waren
weiblich. „Ein reiner Frauenlauf war eine erforderliche Maßnahme“, so
Milde. Heute sind etwa bei dem Berlin-Marathon knapp ein Viertel der
Teilnehmer Frauen.
Und heute sieht es auch rund um den Tiergarten etwas anders aus: Der
Frauenlauf ist Breitensport, das Rennen ein normales sportliches Großevent
wie viele andere auch. Am Ziel liegen sich Frauen in den Armen, wenn sie es
geschafft haben. „Wir haben immer eine sehr herzliche Atmosphäre bei
unseren Läufen“, sagt Switzer. Eine deutsche Lauffreundin von ihr kommt
dazu. „Du hast mich geschlagen!“, sagt Switzer und lächelt sie an.
Viele erschöpfte, lächelnde Frauen ziehen durch die Gegend, Medaillen
baumeln an ihren lila und pinken Shirts. Nach den anstrengenden Kilometern
schlendern sie in Richtung der Umkleidezelte. Fitnessdrinks machen die
Runde, die Massagezelte sind überlaufen. Es ist wie bei den
Männerveranstaltungen, nur die Zahl der Wellnessangebote liegt weitaus
höher: Bodypflege, Cremes und Joghurt light.
5 May 2013
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Erste Frauen
Gleichberechtigung
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Jahren, hat sie das schon einmal getan. Damals war es ein Skandal.
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