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# taz.de -- Medialer Einfluss der Kirchen: Göttliches Sendungsbewusstsein
> Die Fernsehsender in Deutschland räumen den Kirchen viel Platz in ihren
> Programmen ein. Und zahlen auch noch selbst dafür.
Bild: Techniker des NDR bereiten in der St.-Nikolai-Kirche in Flensburg die Kar…
Andachten, Gottesdienste, Bibelspots, das „Wort zum Sonntag“, Talkshows mit
Geistlichen – die deutschen Radio- und Fernsehsender strahlen eine Menge
kirchliche Sendungen aus. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Doch sie
gehen weit darüber hinaus: Sie produzieren und finanzieren einen Großteil
der Kirchensendungen auch selbst. Das müssen sie nicht, sagt jedenfalls der
Leipziger Rundfunkrechtler Christoph Degenhart.
Es geht dabei um weit mehr Sendungen als die traditionellen Morgenandachten
und Gottesdienste. So produzierte beispielsweise der Kinderkanal die
missionarische Bibel-Trickfilmreihe „Chi-Rho“, Phoenix zeichnet die von der
evangelischen Kirche redaktionell vorbereitete Diskussionssendung
„Tacheles“ auf (Bedingung: immer ein Geistlicher im Diskussionpanel), und
RTL finanziert zwei bis drei kirchliche Dokus pro Jahr.
Die Sender sind nach den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen lediglich
verpflichtet, den Kirchen Sendeplätze für solche Sendungen einzuräumen –
von einer Pflicht, sie zu produzieren und zu bezahlen, steht dort nichts.
Insgesamt dürfte es bei den Kosten für die von den Kirchen verantworteten,
aber von den Sendern produzierten Sendungen um einen zweistelligen
Millionenbetrag gehen. Dabei ist die sendereigene Berichterstattung über
kirchliche Ereignisse wie Papstbesuche, Katholiken- und Kirchentage nicht
mitgerechnet. Allein der WDR produziert jährlich rund 1.180 kirchliche
Hörfunkbeiträge (meist von Geistlichen gesprochene Andachten, aber auch
rund 60 Radiogottesdienste) sowie 5 Fernsehgottesdienste und 14-mal das
„Wort zum Sonntag“.
Das ZDF überträgt fast jeden Sonntag einen Gottesdienst, Produktionskosten
schätzungsweise jeweils ca. 100.000 Euro. Mit den Kirchen feilt der Sender
derzeit an Möglichkeiten, mit den Gottesdiensten mehr Zuschauer
anzusprechen, unter anderem in einem gemeinsamem Seminar mit dem
Fernsehdramaturgen Gregor Heussen.
## Kostenerstattung möglich
In ihrer Antwort auf die Kostenfrage gibt die ZDF-Pressestelle zu erkennen,
dass der Sender die „Verkündigungssendungen“ mit normaler Berichterstattung
gleichsetzt. „Die Kirchen sind gesellschaftlich relevante Kräfte, es gehört
zu unseren journalistischen Aufgaben, das kirchliche Leben entsprechend
abzubilden. Für Übertragungen aus dem Bundestag oder von Parteitagen zahlen
diese ja auch nicht.“
Der WDR wählt eine andere Begründung: Die Möglichkeit, sich die
Produktionskosten erstatten zu lassen, werde nur im Rundfunkstaatsvertrag
erwähnt, nicht aber im entsprechenden Paragrafen des WDR-Gesetzes. Für den
WDR gebe es „demnach keine Regelung, wonach eine Kostenerstattung möglich
wäre“. Der Rundfunkrechtler Degenhart hält diesen Umkehrschluss für falsch
und eine Kostenerstattung für möglich.
Der WDR geht – anders als das ZDF – sogar noch einen Schritt weiter. Er
bezahlt Gemeinden den „nachweislichen Zusatzaufwand“ für Gottesdienste und
leistet „Aufwandsentschädigungen“ an das Kirchenpersonal, das
Morgenandachten spricht und Gottesdienste kommentiert. So erhalten die
Kirchenautoren einer Morgenandacht nach Senderangaben jeweils 82,10 Euro.
Die Eigenkosten für alle Kirchenproduktionen möchte der Sender nicht
preisgeben. Laut WDR-Sprecher Jens-Uwe Lindner hielten sie sich „im
üblichen Rahmen“ und seien „keine Quersubventionierung“ der Kirchen.
## Keine Erstattungen bekannt
Das ZDF begründet die Tatsache, dass es die Gottesdienste selbst produziert
und bezahlt, mit „Ausführungsbestimmungen“ zum ZDF-Staatsvertrag, die den
Sender zur Übernahme der Kosten verpflichten würden. Auf Nachfrage stellt
sich aber heraus, dass damit lediglich vertragliche Abmachungen mit den
Kirchen gemeint sind, die der Sender nicht bekannt macht.
Der Sprecher der rheinischen evangelischen Kirche wusste auf Nachfrage von
keinem einzigen Sender, der sich die Kosten von „Verkündigungssendungen“
erstatten ließe.
Das gilt offenbar nicht nur für die öffentlich-rechtlichen Sender. RTL
strahlt neben allerlei frömmelnden Spots, die die Kirchen selbst
produzieren und zuliefern, auch aufwendig erstellte, kirchlich
verantwortete Dokumentationen aus. In einer Reihe von 45-minütigen
Sendungen geht es seit einigen Jahren um die Rolle der evangelischen Kirche
in der DDR, mal unmittelbar, mal indirekt. In der Doku „Der Verrat“ über
eine jugendliche Punkerin als Stasispitzel tritt als Experte ein Pfarrer
auf. Der hatte zwar mit dem Thema nichts zu tun, aber weil die Doku eine
verkappte „Verkündigungssendung“ ist, wird nach Aussage des zuständigen
RTL-Redakteurs Dieter Czaja jedes Mal nach einem positiven kirchlichen
Aspekt gesucht.
Der Blick der RTL-Reihe richtet sich ausschließlich auf die DDR-Kirche als
Opfer staatlicher Unterdrückung, als Freiraum für nichtstaatliche Gruppen
und Beistand von Verfolgten. Die Zusammenarbeit der Kirche mit dem
DDR-Regime wird ausgeblendet. Dass die evangelische Kirche selbst den Film
verantwortet, erfahren nur aufmerksame Leser des Filmabspanns.
Eigentlich wollte sich RTL laut Czaja die Kosten für solche und andere
Sendungen erstatten lassen. Doch bei den Verhandlungen mit den Kirchen
kamen Verträge heraus, die genau das Gegenteil vorsehen: Der Sender lässt
von der evangelischen TV-Produktionsgesellschaft Eikon produzieren und
zahlt. Anschließend vertreibt die Kirche das Video in ihrem Chrismon-Shop –
ohne dafür Lizenzgebühren zahlen zu müssen.
9 May 2013
## AUTOREN
Ulli Schauen
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