# taz.de -- TV-Serie „The New Normal“: Liebevolle Entblößung | |
> Schwule, die saufend vor dem Fernseher versacken, frühreife Kinder, | |
> Teenie-Mütter: Eine Serie fragt, was heute als „normal“ gilt. | |
Bild: Wie ist er – der „normale“ Mensch? Gibt es ihn überhaupt? | |
„Das muss ich haben“, findet der TV-Produzent Bryan (Andrew Rannells) beim | |
Shoppen, als er ein Baby in einem Kinderwagen entdeckt. „Ich will | |
Baby-Kleider, und ich will ein Baby, dass sie tragen kann“ erklärt er | |
seinem Partner, dem Frauenarzt David (Justin Bartha), der biertrinkend vor | |
dem Fernseher hockt und ihm nur mit halbem Ohr zuhört. | |
Die TV-Serie „The New Normal“ verhandelt, was heutzutage – zumindest in | |
gewissen libertären Mittelschichten – als als "normal" gilt: homosexuelle | |
Paare, Tennie-Mütter, Geschiedene, und Kinder, die ihrem Alter weit voraus | |
scheinen. | |
Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass sich „neue Normal“ in vielerlei | |
Hinsicht vom „alten Normal“ gar nicht so sehr abhebt und mit ihm mehr | |
gemeinsam hat, als es Fortschrittsdenker wohl gerne hätten. | |
Und kommt mit der Geschichte eines schwulen Paares, die der Zuschauer beim | |
Elternwerden verfolgen darf, ein bisschen daher wie die jüngste | |
Sexismusdebatte: Gut, dass die Sache endlich in der „Mitte der | |
Gesellschaft“ angekommen scheint. Aber eben doch nur auf eine schrullige, | |
etwas beschränkte Weise, die gedanklich nicht weiter kommt, weil sie sich | |
von bestimmten Dingen einfach nicht lösen kann. | |
So wie es in besagter Diskussion immer um die gleichen Fragen („Ab wann ist | |
ein Kompliment Sexismus?“) und Aussagen („Männer sind anders. Frauen auch�… | |
ging, die einen gesellschaftlichen Umschwung mehr blockieren als fördern, | |
werden auch hier einfach neue Gedanken in ein bestehendes System gepresst, | |
anstatt es als Ganzes zu hinterfragen. | |
## Vorbereitungen des Elternwerdens | |
Zum Setting der Serie gehören neben Bryan und David noch Teenie-Mutter | |
Goldie (Georgia King) und ihre superintelligente, modisch exzentrische und | |
politisch interessierte Tochter Shania (Bebe Wood). Der Gegenpart: Goldies | |
homophobe und rassistische Großmutter Jane (Ellen Barkin). Um ihren Traum, | |
eine angesehene Anwältin zu werden, finanzieren zu können, heuert Goldie | |
als Leihmutter für Bryan und David an. | |
In der ersten Staffel geht es vorrangig um die Vorbereitungen des | |
Elternwerdens, vom Babykleider-Kaufen (nicht vor der 10. Woche – da kann | |
noch einiges passieren!) über Wandfarbe (blau oder rosa?) bis hin zur | |
Probebetreuung ausgeliehener Kinder (wer ist der bessere Vollzeit-Papa?). | |
Alles in allem geht es dabei immer noch um eine Vorstellung von Norm und | |
normal – Begriffe, die zwar ausgedehnt, aber als solche beibehalten werden. | |
Klassische Rollenklischees von „weiblichem“ und „männlichem“ Part blei… | |
mit wenigen Ausnahmen - selbst einem schwulen Paar nicht erspart: Bryan ist | |
modebewusst und eitel, liest das People Magazin, hasst seine | |
Schwiegermutter, hat keine Ahnung von Sport und „Jungs-Sachen“ und will als | |
erster von beiden unbedingt ein Kind. | |
## Körper als Babymaschine | |
David hängt dagegen gerne mal mit „seinen Jungs“ ab und wünscht sich von | |
ganzem Herzen einen Sohn, dessen Football-Team er coachen kann. Wenig | |
Kritik wird an sozialen Ungleichheiten geübt - unhinterfragt bleibt zum | |
Beispiel der Umstand, dass zwei berufstätige Männer finanziell deutlich | |
besser gestellt sind als eine alleinerziehende Frau, die durch ihre Notlage | |
überhaupt erst in die Situation gerät, ihren Körper als Babymaschine | |
auszubeuten. | |
Für diejenigen, die nicht gerade „Das Unbehagen der Geschlechter“ auf ihrem | |
Nachtisch liegen haben, oder sich anderweitig mit der Kritik von | |
Geschlechter-Rollenbildern beschäftigten, kommen in „The New Normal“ unterm | |
Strich aber auch ein paar ganz süße, begrüßenswerte Aussagen heraus: Liebe | |
ist Liebe, egal ob Männlein oder Weiblein; schwul ist nicht gleich schwul | |
und muss niemandem auf die Stirn geschrieben stehen, und ob homo oder | |
hetero ist doch schnurzpiepegal und hat im Grunde auch keinen zu | |
interessieren. | |
Außerdem wird mit Stereotypen um sich geworfen, deren Vertreter einer nach | |
dem anderen ihr Fett wegbekommen. Etwa, wenn die stockkonservative | |
(Ur-)Großmama Jane, die von ihrem schwulen Ehemann im Stich gelassen wurde, | |
ihre Sexualität neu entdeckt. Sie muss lernen, dass man sich eben nie ganz | |
sicher sein kann, ob der andere – egal ob homo oder hetero – es ernst mit | |
einem meint. | |
Oder als Bryan und David, die sich gerne liberal und offen geben, | |
feststellen müssen, dass sie nur weiße Freunde haben. Als sie es dann | |
schaffen, eine asiatische Familie für ihr Multikulti-Umfeld zu rekrutieren, | |
bekommen sie zu hören: „Wir haben gerade noch nach einem schwulen Paar | |
gesucht.“ Liebevoller kann der verkrampfte Wunsch, Vielfalt zu | |
demonstrieren, nicht bloßgestellt werden. | |
"The New Normal" läuft am heutigen Mittwoch um 22.15 Uhr auf ProSieben. | |
8 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Marlene Staib | |
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