| # taz.de -- Pirat Bernd Schlömer über Shitstorms: „Man braucht ein dickes F… | |
| > Parteichef Schlömer traf der Shitstorm nach einem Zitat in der „taz.am | |
| > wochenende“ mit voller Wucht. Offline gehen ist seine Lösung. Und: Dieses | |
| > Interview hat er autorisiert. | |
| Bild: „Ich hatte eine andere Wahrnehmung des Gesprächs“: Bernd Schlömer (… | |
| taz: Herr Schlömer, in der vergangenen taz.am wochenende druckten wir | |
| folgendes Zitat von Ihnen: „ ’Uns fehlen die Kraft und die Motivation für | |
| den Wahlkampf‘. Aber das komme bestimmt noch.“ Es folgte ein Shitstorm. Und | |
| Sie erwähnten gegenüber anderen Medien, den Satz „so nie gesagt“ zu haben. | |
| Was meinen Sie damit? | |
| Bernd Schlömer: Dass ich die Aussage anders in Erinnerung habe. Als wir | |
| beide uns trafen, hatte ich auf Ihre Frage, wie es um die Piraten | |
| angesichts von prominenten Austritten stehe, ob sie keine Kraft und | |
| Motivation mehr habe, geantwortet, dass es vielleicht so wirke, als seien | |
| wir ohne Kraft und Motivation. Aber dass sich das bald ändern werde. | |
| Ich erinnere das ganz anders und habe es auch anders mitgeschrieben. Und | |
| obwohl Sie gesagt hatten, Sie legten keinen Wert auf Autorisierung, | |
| schickte ich Ihnen dennoch eine Mail mit den Zitaten. Bekam aber keine | |
| Antwort. Warum haben Sie nicht reagiert, wenn das Zitat Sie nicht richtig | |
| wiedergegeben hat? | |
| Weil ich das erste Mal in meiner Amtszeit als Vorsitzender drei Tage | |
| offline war. Statt Mails zu lesen, bin ich ab dem 1. Mai von Hamburg nach | |
| Berlin geradelt, 388 Kilometer. Man kann und sollte nicht immer online | |
| sein. Zudem haben Sie die Mail an einem Feiertag mit | |
| 24-Stunden-Fristsetzung geschickt. | |
| Wir gaben Ihren Satz an die Nachrichtenagenturen weiter. In Online- und | |
| Printmedien verbreitete sich die Nachricht, so läuft das Geschäft. Und | |
| Twitter lief über von Kommentaren wütender Piraten. Dann schalteten Sie | |
| Ihren Computer ein. | |
| Ja. Und wurde erschlagen von der Wucht. | |
| Trotzdem plädieren Sie dafür, es mit den Autorisierungen in Zukunft gut | |
| sein zu lassen. | |
| Ja, weil wir Politiker aufrichtig und natürlich wirken sollten. Es kann | |
| nicht sein, dass manche bei der Autorisierung das Interview quasi neu | |
| schreiben. Das erzeugt eine konstruierte Wahrheit. Wir sollten zu unseren | |
| Aussagen stehen. Deshalb möchte ich auch einen Appell an alle Politiker und | |
| Journalisten richten: Lassen wir die Autorisierungen! Das ist ja | |
| international durchaus üblich. | |
| Was bräuchte es dafür? | |
| Voraussetzung wäre ein gutes Arbeits- und Vertrauensklima, dann kann das | |
| funktionieren. Viele Journalisten aber lassen ein paar Sätze autorisieren, | |
| verwenden dann nur einen kurzen Satz, der die komplette Aussage komplett | |
| verzerren kann. Das geht nicht. | |
| Was in unserem Text nicht der Fall war. Bei der Weiterverbreitung jedoch | |
| fiel Ihr relativierender Nachsatz irgendwann weg. | |
| Ja. Nach meiner Bewertung haben Sie zwischen beiden Sätzen mit Absicht | |
| einen Punkt gesetzt. Ich habe da Kalkül vermutet, gerade taz und andere | |
| Medien berichten ja sehr kritisch über Piraten. | |
| Ich habe einen Punkt gesetzt, weil ich kurze Sätze mag, Herr Schlömer. Und | |
| ist es nicht etwas naiv, auf Autorisierungen verzichten zu wollen? Immerhin | |
| kamen aus Ihrer Partei schon oft verstörende Aussagen, ein Kollege von | |
| Ihnen verglich den Aufstieg der Piratenpartei mit dem der NSDAP. Hätten Sie | |
| in unserem Fall nicht auf eine Autorisierung bestehen sollen? Um | |
| sicherzugehen? | |
| Naiv war ich nicht, ich hatte ja eine andere Wahrnehmung des Gesprächs. Und | |
| ich wollte ja autorisieren. Ich hätte dieses Zitat von mir so nie | |
| freigegeben. | |
| Dürfte Ihrer Meinung nach ein Parteichef, rein hypothetisch, sagen, seine | |
| Partei sei kraftlos? | |
| Nein, nicht, wenn in der Partei alle ehrenamtlich arbeiten. Das hätte mich | |
| als Basispirat auch verletzt. Aber ein Politiker sollte ehrlich sein | |
| dürfen. Wir sind alle nicht perfekt, wir machen Fehler und sollten auch | |
| Schwächen zeigen. | |
| Aber in der Piratenpartei darf man doch keinen Fehler machen. Sonst wird | |
| man geschlachtet. | |
| Also, solange ich Parteivorsitzender bin, darf man Fehler machen. | |
| Und muss sich dann vor dem Shitstorm wegducken? | |
| Nein, man muss Medienkompetenz entwickeln. | |
| Aber das ist doch das Problem. Medienkompetenz haben die Piraten nicht. | |
| Obwohl sie sie haben müssten. Dass die CDU versehentlich falsch via | |
| Facebook einlädt, wundert nicht. Aber dass die Piraten sich gegenseitig auf | |
| Twitter zerfleischen … | |
| Die allermeisten Piraten zeigen Medienkompetenz. Alle, die in Funktionen | |
| sind, auf Landes- und Bundesebene, die Abgeordneten, sie alle beweisen, wie | |
| es gehen kann. Die wenigen, die es offenbar nicht wissen, sind leider die, | |
| die auffallen. Wobei Twitter ja ein selbstreferenzielles Medium ist. | |
| Piraten reden über Piraten, sie bleiben weitgehend unter sich. Die einzigen | |
| staunenden Zuschauer sind oft Journalisten. | |
| Die dann aber natürlich darüber berichten. Und was nützt der Ruf Einzelner | |
| nach Medienkompetenz, wenn der Schwarm alles kaputtmacht? Wird Twitter die | |
| Piratenpartei zugrunde richten? | |
| Nein, wir haben über 30.000 Mitglieder. Es gibt einige, die die Diskussion | |
| gar nicht mitbekommen haben. Die haben zum Beispiel Wahlkampf in | |
| Schleswig-Holstein gemacht oder anderes. Außerdem ist über 99 Prozent der | |
| digitalen Kommunikation freundlich. Es gibt aber Ausnahmen. Einige legen | |
| Accounts nur an, um ununterbrochen Hasstweets zu senden. | |
| Wenn man am vergangenen Wochenende auf Twitter war, konnte man den blanken | |
| Hass gegen Sie verfolgen, der dann in diesem Mittelfinger-Foto seinen | |
| Höhepunkt fand. | |
| Ja, man braucht schon ein dickes Fell. Ich bin jetzt niemand, der sich | |
| gleich einen Strick nimmt, aber es gibt Menschen, die damit wirklich gar | |
| nicht umgehen können. | |
| Was hat das mit Ihnen gemacht? | |
| Es hat mich getroffen. Ich bekam ständig Anrufe, was da los sei, das ganze | |
| Wochenende. Das ist natürlich auch schwierig für mein privates Umfeld. Bei | |
| einem Shitstorm glaubt man, die ganze digitale Welt hat was gegen dich. Du | |
| seist ein Idiot, du machst alles falsch. Man kann es auch zugeben: Das | |
| Gefühl, ein Loser zu sein, ist dann auch immer da. | |
| Was tun, wenn man zur Zielscheibe wird? | |
| Erst mal nicht reagieren. Man wird immer persönlich angegriffen. Wenn man | |
| darauf reagiert, fühlt sich der Sender noch bestärkt. Also: Don’t feed the | |
| troll. Sonst heißt es: Ah, der reagiert, da muss doch was dran sein. Am | |
| besten 24 Stunden offline gehen, ein Eis essen, schwimmen gehen und einen | |
| schönen Tag mit seinem Hund verbringen. | |
| Herr Schlömer, dürfen wir das Interview jetzt einfach so drucken? | |
| Nein, ich möchte gern noch autorisieren. Es geht nicht ohne, weil andere | |
| Politiker es so wollen, sie wollen fehlerfrei wirken. Wenn alle | |
| Journalisten und Verlage aber den Schulterschluss wagen, dann werden wir | |
| Politiker gezwungen, aufrichtiger zu sein. | |
| Haben Sie Angst, dass Sie wieder auf einen einzigen Satz festgenagelt | |
| werden, der sich weiter verbreitet? | |
| Ja. Die Angst hat man immer. Aber ich sehe das sportlich. | |
| Von Freitag bis Sonntag findet in Neumarkt in der Oberpfalz der | |
| Bundesparteitag der Piraten statt. | |
| 9 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Emilia Smechowski | |
| ## TAGS | |
| Piraten | |
| Bernd Schlömer | |
| Shitstorm | |
| Twitter / X | |
| Feiertage | |
| Internet | |
| Rachepornos | |
| Twitter / X | |
| Piraten | |
| Piratenpartei | |
| Piraten | |
| Piratenpartei | |
| Piraten | |
| Piratenpartei | |
| Piratenpartei | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Heiße Themen im Netz: Zeitung knickt vor Trollen ein | |
| Weil sie hetzerischer Kommentare im Netz nicht mehr Herr werden, posten die | |
| „Lübecker Nachrichten“ ihre Artikel über Flüchtlinge nicht mehr auf | |
| Facebook. | |
| US-Gesetz zu Nacktbildern im Internet: Rachepornos werden verboten | |
| Vorbei sind die Zeiten, in denen man seinen Ex-Partner mit delikaten | |
| Bildern oder Filmen im Internet diffamieren konnte. Zumindest in | |
| Kalifornien. | |
| Euphorie um Twitter: Es braucht Arschlöcher | |
| Hochwasser! Terror! Revolution! Wer die Twitter-Euphorie nicht teilt, hat | |
| den Schuss nicht gehört. Wie bitte? Eine Polemik. | |
| Debatte Die Piraten: Technik ist auch keine Lösung | |
| Die Piraten sind als Projekt wichtiger denn je – ohne sie wird die Zukunft | |
| von denen gestaltet werden, die Angst vor ihr haben. | |
| Katharina Nocun neue Geschäftsführerin: Drive und Feuer für die Piraten | |
| Der Politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader, ist | |
| abgetreten. Neu auf dem Posten: Die „hochgradig motivierte“ Katharina | |
| Nocun. | |
| Piraten-Parteitag: Sieben Kandidaten, viele Favoriten | |
| Johannes Ponader gibt das Amt des Politischen Geschäftsführers der | |
| Piratenpartei auf. Nun soll an der Spitze Ruhe einkehren. | |
| Piraten-Parteitag: Crowd und Rüben | |
| Für die Piraten geht es bei der Bundestagswahl ums Ganze – doch sie quälen | |
| sich mit dem Spagat zwischen Idealen und politischen Alltagszwängen. | |
| Hoffnungslose Piraten: „Uns fehlt die Kraft“ | |
| Piratenchef Bernd Schlömer blickt vor dem Parteitag wenig zuversichtlich in | |
| die Zukunft. Andere wenden sich gegen den verjagten Ponader. | |
| Parteitag in NRW: Piratentreffen im Jammertal | |
| Die von Affären gebeutelten NRW-Piraten wählen eine neue Spitze und | |
| bestehen auf der Trennung von Amt und Mandat. Dennoch herrscht Misstrauen. | |
| Piraten in der Krise: Die Mitmachpartei schrumpft | |
| Die Krise ist an der Parteibasis angekommen: Den Piraten laufen erstmals | |
| Mitglieder davon. Fast 2.000 Mitglieder weniger sind es seit August 2012. |