# taz.de -- Urwaldvernichtung schadet Wirtschaft: Brasilianisches Eigentor | |
> Rodungen im Amazonasgebiet sollen die Landwirtschaft stärken. Doch sie | |
> verändern das lokale Klima, so dass die Farmer leider. Was tun? | |
Bild: Und wieder ist ein Stück Regenwald in Flammen aufgegangen. Aber wie fruc… | |
BERLIN taz | Brasilien könnte sich mit seiner wirtschaftsfreundlichen | |
Waldpolitik selbst ein Bein stellen: Dass immer mehr Regenwald im | |
Amazonasgebiet zugunsten von Sojafeldern vernichtet wird, verändert das | |
lokale Klima und verschlechtert damit die Ernten. Das zeigen | |
Wissenschaftler verschiedener brasilianischer und US-amerikanischer | |
Universitäten in einer gemeinsamen Studie, die das Wissenschaftsmagazin | |
Environmental Research Letters in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht. | |
Das schlichte Ergebnis: „Je mehr sich die Landwirtschaft (im | |
Amazonasgebiet) ausbreitet, desto weniger ergiebig wird sie.“ Die | |
Untersuchung mit dem Titel [1][Large-scale expansion of agriculture in | |
Amazonia may be a no-win scenario] liefert damit neue ökonomische Argumente | |
gegen die Zerstörung des Regenwaldes. Die Wissenschaftler wollen sie | |
deshalb auch direkt der brasilianischen Regierung übergeben. | |
Bislang lag der Fokus bei Forschungen im Amazonas-Gebiet eher darauf, wie | |
wichtig die Wälder für den Erhalt der Artenvielfalt und vor allem im Kampf | |
gegen den globalen Klimawandel sind: Bäume speichern große Mengen | |
Kohlenstoff. Allein in einem Quadratkilometer Amazonas-Regenwald kommen | |
ungefähr 20.000 Tonnen zusammen. Bei den in Brasilien verbreiteten legalen | |
und illegalen Brandrodungen werden diese als Kohlendioxid freigesetzt und | |
treiben somit die Erwärmung der Atmosphäre voran. | |
Nun verdankt Brasilien seinen Aufschwung zu einem der wichtigsten und | |
einflussreichsten Schwellenländer der Welt aber genau seiner rasant | |
wachsenden Landwirtschaft. Anfang des Jahres hat das südamerikanische Land | |
die USA als weltgrößter Produzent von Sojabohnen abgelöst. Die eine Hälfte | |
der Ernte bleibt im Land und wird dort zu Mehl oder Öl verarbeitet, der | |
Rest wird vor allem nach China verkauft. | |
## Genbohne als Preisstabilisator | |
Im vergangenen Jahr kompensierten die brasilianischen Bohnen – die | |
größtenteils von gentechnisch veränderten Pflanzen stammen – die Ausfälle | |
durch die Dürre in den USA und trugen damit erheblich zur Stabilisierung | |
der Nahrungsmittelpreise bei, wenn auch auf hohem Niveau. | |
Damit wähnte sich die Regierung in Brasilia bislang in dem Dilemma, sich | |
entweder den internationalen Bemühungen anzuschließen, mit denen der | |
Klimawandel verlangsamt werden soll. Oder die eigene Wirtschaft zu päppeln | |
und nebenbei den Weltmarkt mit wichtigen Nahrungsmitteln zu versorgen. Dass | |
sie zuletzt unter internationalen Protesten das Gesetz zum Schutz der | |
Wälder aus dem Jahr 1996 auf Druck der Holz- und Farmerlobby aufweichte, | |
deutet an, wo ihre Prioritäten liegen. | |
Wenn die Autoren der Studie nun Recht haben, funktioniert das aber so nicht | |
mehr. Das Fällen und Roden der Bäume setzt so viel CO2 frei, dass sich die | |
Atmosphäre aufheizt und Niederschläge abnehmen. Bis 2050, schätzen die | |
Wissenschaftler, werden neue Weidegebiete 34 Prozent und Sojafelder 28 | |
Prozent weniger ergiebig sein als heute. | |
„Die Folgen für die globale Versorgung mit Nahrungsmitteln wären | |
verheerend“, heißt es in der Studie. Deshalb schlagen die Forscher vor, | |
statt auf immer mehr Land darauf zu setzen, die vorhandenen | |
landwirtschaftlichen Flächen effektiver und nachhaltiger zu nutzen. | |
10 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://iopscience.iop.org/1748-9326/8/2/024021/article | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
Beate Willms | |
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