Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AKW Fessenheim vor Gericht: Sicherheit oder Jobs
> Bald entscheidet sich, ob das AKW Fessenheim weiter betrieben wird. Die
> Anlage sei unsicher, sagen die Gegner. Gewerkschaften fürchten den
> Jobverlust.
Bild: Direkt am Rheinufer hat das AKW Fessenheim seinen Standort.
## „Nai hämmer gsait!“
Auf deutscher Seite trieb der Protest gegen das Atomkraftwerk Fessenheim
schon manch bizarre Blüte. Als 2010 in Berlin CDU und FDP die
Laufzeitverlängerung für deutsche Reaktoren durchdrückten, kämpfte die
südbadische CDU gegen den Meiler. Die Freiburger Stadtratsfraktion forderte
„nachdrücklich die Stilllegung dieses unsicheren Kernkraftwerks“. So konnte
die Union punktuelle Atomkritik zur Schau stellen, ohne selbst aktiv werden
zu müssen.
Diese spezielle Dialektik hat historische Wurzeln. In Südbaden ist seit dem
erfolgreichen Kampf gegen das Atomkraftwerk Wyhl politisch kein Blumentopf
mehr zu gewinnen – erst recht nicht, wenn es um Meiler am Oberrhein geht.
Das Ziel, die Region frei zu halten von Atomanlagen, gehört in Südbaden
längst zum politischen Selbstverständnis.
Deswegen wird seit Jahren quer durch die Parteien ein Abschalten von
Fessenheim gefordert. Jene, die aus politischer Opportunität gegen
Fessenheim sind, bleiben in Südbaden in der Minderheit. Die Mehrheit
betrachtet den Meiler auf der französischen Rheinseite als größte
Umweltgefahr der Region.
Der Reaktor sei „das unsicherste Werk in ganz Frankreich“, heißt es auch
beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Fessenheim ist das älteste
Atomkraftwerk Frankreichs und steht zudem in einer Erdbebenzone.
Vom „Gefahrstrom“ spricht Axel Mayer, Geschäftsführer des BUND Südlicher
Oberrhein. Nebenbei verweist er darauf, dass das Land Baden-Württemberg den
Reaktor mit trägt, weil die landeseigene EnBW an diesem 17,5 Prozent Anteil
hat.
Immer wieder treibt Fessenheim die Menschen auf die Straße. Mal sind es
Risse im Reaktordruckbehälter, mal ist es die zu dünne Bodenplatte, mal ist
es das Erdbebenrisiko.
Aufkleber mit dem Slogan „Fessenheim abschalten“ gehören längst zum
Repertoire der badischen Antiatomkraftinitiativen, ebenso Plakate in
alemannischer Mundart wie „Fessene? Nai hämmer gsait!“ Und doch legen die
Badener Wert darauf, dass ihr Protest als Teil einer grenzüberschreitenden
Bewegung wahrgenommen wird, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie mischten
sich zu sehr in französische Angelegenheiten ein.
In der Tat hat die deutsch-französische Umweltbewegung am Oberrhein eine
lange Geschichte: In den siebziger Jahren kämpften badisch-elsässische
Bürgerinitativen gemeinsam gegen Fessenheim. 60 Kilometer nördlich, im
französischen Gerstheim, verhinderten sie gemeinsam ein Atomkraftwerk.
Hinsichtlich des bevorstehenden Gerichtsurteils haben die Atomkraftgegner
aus dem Dreiländereck zwar wenig Hoffnung. Sie setzen auf ein zweites
Verfahren, das in Paris anhängig ist.
Trotz aller juristischen und politischen Auseinandersetzungen aber ist den
deutschen Atomkraftgegnern die gute Nachbarschaft über den Rhein wichtig.
Deshalb gibt es die Anti-AKW-Sonne auch mit der Aufschrift "Amitié
Franco-Allemande". BERNWARD JANZING
-------------------------------
## „Schließung wäre Dummheit“
Rund um das AKW Fessenheim im Elsass herrscht Angst. Es ist aber keine
Angst vor einer folgenschweren Panne oder einem GAU in Frankreichs ältestem
Atomkraftwerk, sondern die Sorge um die rund 2.000 Arbeitsplätze, die im
Fall einer definitiven Schließung wegfallen würden.
Zuletzt haben Franzosen vor einer Woche für den Erhalt des Atomkraftwerks
demonstriert, unter ihnen sämtliche Gewerkschaften des AKW-Personals und
Volksvertreter mit Trikoloreschärpen über der Brust, mit denen sie ein Jahr
vor den nächsten Kommunalwahlen zeigen wollen, wessen Interessen sie
vertreten.
Die Gewerkschaften haben zudem einen Besuch des für die Organisation der
Schließung zuständigen Chefbeamten verhindert und gegen seine Ernennung
durch Staatspräsident Hollande Klage eingereicht.
Auch die Bürgermeisterin von Fessenheim, Fabienne Stich, macht sich gern
zur Sprecherin der Wut auf die Atomgegner, die hier als Auswärtige gelten.
Fabienne Stich sieht in der Ankündigung von François Hollande, das AKW
Fessenheim 2016 zu schließen, einen „willkürlichen, antiökonomischen und
antisozialen Entscheid aus politischen Motiven“. Man treibe Firmen in den
Konkurs und mache Leute arbeitslos, „aus reiner Gefälligkeit für eine
ultraminoritäre Ökopartei“.
Gemeint sind Frankreichs Grüne. Wenn die Atomstromproduktion in Fessenheim
eingestellt würde, würden 5.000 Menschen aus der Region an der Grenze zu
Südbaden abwandern, meint auch Magali Heyer vom Verband „Fessenheim notre
énergie“.
Stich und Heyer sind zuversichtlich, so wie die große Mehrheit der
Anwohner, dass sie am 16. Mai vor dem Berufungsgericht in Nancy eine
weitere Runde gewinnen werden. Es geht dabei um die Rückweisung eines
Antrags des Trinationalen Atomschutzverbandes, der aus Sicherheitsgründen
den Stopp des AKW verlangt hat, das am Rheinseitenkanal in einer Gegend mit
Überschwemmungs- und Erdbebenrisiken liegt.
Das AKW zu schließen wäre „eine Dummheit“, meint auch der Sprecher des
CGT-Gewerkschaftsverbands, Jean-Luc Cardoso, der seit 1989 im AKW
Fessenheim arbeitet. Das AKW sei sicher, das habe schließlich die
Atomsicherheitsbehörde ASN bestätigt.
Tatsächlich hat die ASN nach einer Inspektion für beide Reaktoren die
Betriebsbewilligung um zehn Jahre verlängert. Ein paar zusätzliche
Investitionen sollen genügen. Dabei geht es um 50 bis 100 Millionen für ein
AKW, das offiziell in drei Jahren abgestellt werden soll.
Vor Ort will man glauben, dass mit diesen Revisionsarbeiten ein Sachzwang
geschaffen werde. Zudem ist bekannt geworden, dass der Energiekonzern EDF
bei einer „vorzeitigen“ Stilllegung für seine Einbußen 5 bis 8 Milliarden
Euro vom Staat fordern will, der für solche Kompensationen keine Rücklagen
hat. RUDOLF BALMER
12 May 2013
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Bernward Janzing
## TAGS
Atomkraftwerk
AKW Fessenheim
EDF
Bund
Elsass
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Atomkraftwerk
AKW
Schwerpunkt Atomkraft
Anti-AKW
Schwerpunkt Frankreich
AKW
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protest gegen Atomkraft: Greenpeace besetzt AKW Fessenheim
Das Atomkraftwerk im elsässischen Fessenheim ist seit Jahren Ziel von
Protesten. Nun sind rund 60 Greenpeace-Aktivisten auf das Gelände gelangt.
Sicherheitsstudie über AKW Fessenheim: Schwachstellen im Atomkraftwerk
Die franzözische Atomaufsicht weist ein Sicherheitsgutachten des Freiburger
Ökoinstituts zurück. Frankreichs ältestes AKW soll 2016 abgeschaltet
werden.
Reaktoren in Südkorea: AKW-Bauteile gefälscht
In zwei südkoreanischen Atomkraftwerken sind Teile mit gefälschten
Zertifikaten verbaut worden. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art.
Demo für Atomkraft: Angst vor Arbeitslosigkeit
Regelmäßig demonstrieren Atomkraftgegner am französischen AKW Fessenheim.
Jetzt waren mehrere Hundert Befürworter am Zuge.
Kommentar Atomenergie: Energiewende vorleben
Was bringt unser feiner Atomausstieg, wenn in den Nachbarländern die Meiler
weiterlaufen? Es hilft aber nichts, sie belehren zu wollen.
Frankreichs AKW-Betreiber: Vor dem Finanz-GAU
Das AKW Fessenheim soll zügig vom Netz gehen. Für den Rückbau der
französischen Atomkraftwerke gibt es aber fast keine Rücklagen. Zudem fehlt
es an Erfahrung.
Studie zu Atommeilern: Mängel im Grenzgebiet
Schlecht vorbereitet: Ein Gutachten des Öko-Instituts bescheinigt den AKW
Fessenheim und Beznau „wesentliche sicherheitstechnische Schwachstellen“.
Atomkraft in Frankreich: AKW Fessenheim geht 2016 vom Netz
Erst brannte und dampfte es, jetzt wird der ältesten Atomanlage Frankreichs
der Gar ausgemacht. Und Präsident Hollande hält damit sein Wahlversprechen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.