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# taz.de -- Nachruf Horst Königstein: Entzifferer der Auflehnung
> Im Alter von 67 Jahren ist der Filmemacher Horst Königstein verstorben.
> Er konnte das ölige Tremolo nicht anstimmen, ihm fehlte das Talent zum
> Glatten.
Bild: Er war niemandes Freund, der dessen Gunst halten musste.
In gewisser Weise berühmt wurde er mit der filmischen Erzählung von den
Leben der Familie, jenem des Schritstellers [1][Thomas Mann] und seiner
Angehörigen: „Die Manns – ein Jahrhundertroman“. Preise gab für diesen
ARD-Mehrteiler in Fülle, im Mittelpunkt der Ehrungen stand meist sein
Kollege und Freund Heinz Breloer.
Dabei muss er doch als Erfinder dieses Erzählverfahrens im Filmischen
gelten: Horst Königstein, nicht nur beim NDR fest bestallter Regisseur,
sondern auch, ein multipler Akteur eigener kultureller und politischer
Interessen, Drehbuchautor, Liedschreiber (etwa für seine Freunde [2][Udo
Lindenberg] und [3][Marianne Rosenberg]), Talententdecker (Luci van Org,
Wigald Boning und viele andere mehr) – dieser Horst Königstein, gut zwei
Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bremen geboren, inszenierte
die wirklichen Stories, die er entwickelte, nach.
Ersetzte, was nach ihm [4][Guido Knopp] als TV-Historiograph zur Perfektion
trieb, überlieferte Handlungen in nachgestellten Szenen. Er wollte zeigen,
wie es war, oder, in seinen Worten, „wie es sich zugetragen haben könnte“.
Er sah sich als Chronist, als Überlieferer dessen, was die Nachwelt noch
erfahren möchte – und als Narrateur, der ein Faible insbesondere für, so
sagte er, „das Schmutzige, das Verborgene, das Nichtoffizielle“.
Er konnte das, wenn man so will, ölige Tremolo der offiziellen
Nationalgeschichtsschreibung nicht anstimmen – ihm fehlte das Talent zum
Glatten. Anders als Bernd Eichinger mit seinen Versuchen, Hitler und all
that personal stuff auf cineastische Erregungshöhen zu trimmen, mochte
Königstein, Schüler der NDR-Fernsehspiellegenden Egon Monik und Eberhard
Fechner, die Wahrheit unter den Aufmerksamkeitshöhen der bürgerlichen
Feuilletons.
## Rebellisch und hippiesk im HR
Seine Karriere begann er mit einer 13-teiligen Serie im Hessischen
Rundfunk, die, zeitgeistig eine Phrase jener rebellischen, hippiesken Zeit
aufgreifend, er „Sympathy For The Devil“ nannte. Eine schlichte
Dokumentationsreihe, die zeigte, was Jugendliche wollen, was sie bewegt,
was sie rebellieren lässt. Im Untertitel hieß die Reihe „Signale der
Auflehnung“ – und die Frische dieser Filme, diese raue Unverdaulichkeit
allein ihrer Schnitte wegen erinnert unmittelbar daran, dass das Gros
heutiger Dokumentation vor allem an Sterilität leidet.
Königstein mochte aber, abermals, „den Schmutz“, die „Distinktionen der
Gosse“, der Menschen, die keine gebildete Sprache sprechen. Marianne
Rosenberg hat er früh wahrgenommen als deutschen Popstar, der leichtfertig
in die Humtata-Schlagerecke abgelegt wurde.
In einem Hommage auf die „Er gehört zu mir“-Interpretin zeigte er, wie
junge Frauen, an der Jukebox gelehnt, „Liebe kann so wehtun“ von der
Rosenberg anstimmen – Königstein erklärte später zu dieser Szene, dass in
ihr mehr Eleganz und Auflehnungsbegehren steckt als in so vielen Filmen,
die gewöhnlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gefertigt werden.
Königstein interessierte sich für Brüche, für das pure Desaster, für das
Unheimliche, auch das Verschwiegene, Gescheiterte. Filme über den
TV-Journalisten Dieter Gütt, über den exkommunistischen SPD-Politiker
Herbert Wehner, über Joan Crawford, über den „Tag, an dem Elvis nach
Bremerhaven kam“, überhaupt zur segensreichen Amerikanisierung der
Bundesrepublik nach dem Nationalsozialismus.
## Ein sozialdemokratischer Kanzler der Post-DDR
Er denunziertenie, mochte, so erzählte er, „den Geschmack der Massen, da
steckt in jedem Partikel des Gefühls für Geschmack Sehnsucht und
Eigenheit“. Dokumentationen über den Hamburger Giftskandal der frühen
Achtziger setzte er ebenso in Szene wie die Geschichte des SDP-Politikers
Ibrahim Böhme, der ein sozialdemokratischer Kanzler der Post-DDR hätte
werden können, wenn er nicht selbst als zwielichtige Stasigestalt durch die
Stern-Reporterin Birgit Lahann enthüllt worden wäre – Königstein liebte mit
heiterstem Optimismus diese „Begebenheiten, die das Leben so entwickelt“,
Verhängnisse, menschliche Misslichkeiten, Tragödien.
Er war, kein Wunder, niemandes Freund, der dessen Gunst halten musste.
Schrie die halbe Republik in den mittleren Neunzigern ob der
Treuhand-Chefin Birgit Breuel, so setzte ihr Königstein ein
Dokudramadenkmal. Politisches Fernsehen, ließe sich sagen, das die Relevanz
der ARD im Vergleich mit privaten Sendern sehr fett unterstrich.
Nicht zu vergessen Dokudraman über einen Hamburger Metzger der Dreißiger
Jahre nach der Geschichte von Arnold Zeig, „Das Beil von Wandsbek“, „Hard
Days Hard Nights“ als Pubertätsrevue, die im Hamburger Hafenviertel von
Wilhelmsburg spielt. Immer geht es um Aufbrüche, um die Versuche, so etwas
wie Würde „der nur sogenannten kleinen Leute“ (Königstein in einem seiner
drei längeren Gespräche mit dem Autor) zum Recht zu verhelfen.
Stars wie Ortrud Beginnen, Gustav-Peter Wöhler, Andrea Sawatzki,
[5][Veronica Ferres]. Sebastian Koch und Nadja Tiller verdanken ihm den
Karrierestart oder eine Aufpolitur der Karrieren. Im Alter von 67 Jahren
ist Horst Königstein in Hamburg an den Folgen seiner schon lange ihn
quälenden Krankheit verstorben.
14 May 2013
## LINKS
[1] /!106113/
[2] /!59612/
[3] http://blogs.taz.de/spurensuche/2013/04/30/dieses-land-ist-es-nicht/#more-2…
[4] /!101876/
[5] http://blogs.taz.de/popblog/tag/veronica_ferres/
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Fernsehen
Regisseur
Filmemacher
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
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Arte
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
Rosa von Praunheim
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