# taz.de -- 3sat-Doku über türkische Einwanderer: Wie Gäule auf dem Viehmarkt | |
> Die Doku „Unserer Väter Land“ porträtiert drei türkische Gastarbeiter … | |
> ersten Generation aus der Sicht ihrer Töchter – unsentimental und | |
> irritierend. | |
Bild: Seit 1963 in Deutschland, arbeitete 25 Jahre bis zur Pensionierung: Neça… | |
Sein Traum war es, ein amerikanisches Auto zu kaufen. Deshalb ging er einst | |
in die Ford-Fabrik nach Deutschland, wo alles bis hin zum letzten Staubkorn | |
aus purem Gold zu sein versprach. Dass seine Mutter damals um sein Leben | |
bangte, da kann Hüseyin Aydogan heute im Nachhinein drüber lachen. | |
Die 3sat-Doku „Unserer Väter Land“ porträtiert drei türkische Gastarbeit… | |
der ersten Generation – unter ihnen eben den Ford-Arbeiter Hüseyin Aydogan | |
– aus der Perspektive ihrer Töchter. Eine der Töchter, Zuhal Er, ist neben | |
Achim Scheunert Mitautorin des Films. | |
Überhaupt beackern heute Abend einige Beiträge das Themenfeld | |
deutsch-türkische Identitäten: Gleich im Anschluss an die Einwanderer-Doku | |
zeigt 3sat eine Doku über eine junge Deutschtürkin, die in Karlsruhe als | |
Rechtsanwältin arbeitet. Und Sat.1 zeigt mit „Almanya – Willkommen in | |
Deutschland“ jene preisgekrönte Feelgood-Komödie der Schwestern Samdereli | |
um den sechsjährigen Cenk, seine Eltern und Großeltern, die, als sie nach | |
Deutschland kamen, noch Gastarbeiter hießen. | |
## Keine Islamisten, keine Ehrenmorde | |
Gewiss, da könnte man nun das Haar in der Suppe finden und bemängeln, dass | |
in keinem der Filme Islamisten vorkommen oder „Ehrenmorde“, wie der an | |
Hatun Sürücü, die 2006 in Berlin von ihrem Bruder erschossen wurde. Dass | |
sie ausschließlich vorbildlich integrierte Einwanderer zeigen und ergo ein | |
etwas eindimensionales Bild zeichnen. Man könnte aber auch einfach | |
annehmen, dass die porträtierten Personen sehr viel exemplarischer sind als | |
die medial präsenteren Problemfälle. | |
Leute also wie Hüseyin Aydogan, den Lakoniker, der seine Geschichte so | |
erzählt: „Ich war nur Arbeiter und zum Arbeiten hier. Morgens aufstehen, | |
bei Ford arbeiten, abends nach Hause. So verlief mein Tag. Etwas anderes, | |
dafür war gar keine Zeit. Dann habe ich meine Kinder bekommen. Sie gingen | |
hier zur Schule. Um ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, blieben wir | |
hier. Und so vergingen 32 Jahre.“ | |
Das amerikanische Auto hat er nie gekauft, aber ein Haus in der Türkei. Er | |
wäre sehr glücklich, wenn seine Kinder irgendwann darin leben würden. Da | |
macht sich Abdulbaki Toktas, ein anderer Vater, keine Illusionen. Er nimmt | |
an, dass seine Kinder das Haus in der Türkei, das auch er erworben hat, | |
nach seinem Tod verkaufen werden. Er kann das gut verstehen: in Deutschland | |
fühlt er sich nicht fremd, in der Türkei, denkt er, schauen ihn die Leute | |
an, als wäre er fremd. | |
## Heruntergelassene Jalousien | |
Das leer stehende Haus in der Türkei ist ein wichtiges Motiv im Film von | |
Scheunert und Er. Zuhal Er selbst reist in in die Türkei, ans Grab ihres | |
vor ein paar Jahren verstorbenen Vaters, der erst in Deutschland und dann | |
doch in der Türkei bestattet werden wollte. Der auch so ein Haus gekauft | |
hatte. Zuhal Er hat es nicht wieder verkauft. Man könne die vielen Häuser | |
der „Deutschländer“ gut an den stets heruntergelassenen Jalousien erkennen, | |
sagt sie. | |
Ihr Film verklärt nichts, vielmehr vermag er den Zuschauer durchaus zu | |
irritieren: wenn in den schwarz-weißen Archivaufnahmen die Ärzte der | |
„Deutschen Verbindungsstelle“ den designierten Gastarbeitern in den Mund | |
schauen, als handelte es sich um Gäule auf dem Viehmarkt. Wenn er erfährt, | |
dass Zuhal Er ihr Kopftuch erst seit drei Jahren trägt: „Der Wunsch war | |
schon seit meiner Kindheit da.“ Auch Münevver, die Tochter von Abdulbaki | |
Toktas, trägt Kopftuch und geht damit in ihre kleine Anwaltskanzlei. | |
Sie ist Juristin, wie Hüseyin Aydogans Tochter und wie auch die | |
Protagonistin des folgenden 3sat-Films. Ob das Zufall ist oder doch | |
exemplarisch, mag sich der Zuschauer selbst fragen. | |
„Unserer Väter Land“, 3sat, Dienstag, 21. Mai 22.25 Uhr | |
21 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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