# taz.de -- Tragikomödie im Fernsehen: Ein Kopftuchmärchen | |
> In „Dreiviertelmond“ kommt einem Taxifahrer die Frau abhanden und einem | |
> türkischen Mädchen die Oma. Heraus kommt gutes Fernsehen. | |
Bild: So sieht wohl eine ungewisse Zukunft aus | |
Noch ein Regisseur, der, neben Dominik Graf und Doris Dörrie, viel auf | |
Elmar Weppers Fähigkeiten als Schauspieler hält, ist Christian Zübert. | |
Wepper war bereits in Züberts Debut, der lässigen Kiffer-Komödie | |
„Lammbock“, mit dabei. „Dreiviertelmond“, der vor zwei Jahren in den Ki… | |
lief, ist ein ganz anderer Film. | |
Da ist also dieser grantelnde Nürnberger Taxifahrer – Wepper bemüht sich, | |
seinem Bairisch eine fränkische Färbung zu geben. Des Grantlers Name | |
Mackowiak ist in etwa so urdeutsch wie zum Beispiel Sarrazin, aber das | |
hindert ihn nicht daran, seine Verachtung gegen alle Zugereisten deutlich | |
zu artikulieren. Als er eine Türkin mit kleiner Tochter chauffiert, nennt | |
ihn die Mutter prompt einen Nazi. | |
Dieses spezifische, sauberkeits- und ordnungsversessene Kleinbürgermilieu | |
hat Zübert, der auch das Drehbuch geschrieben hat, sehr präzise erfasst. | |
Zum Beispiel das Haus mit Jägerzaun. Die dunkelbraune Möblierung | |
kontrastiert mit der neuen, fliederfarbenen Einbauküche. Als er sie ihr | |
endlich gekauft hat, hat Mackowiaks Frau erkannt, dass sie es mit ihm nicht | |
länger aushält, nach 35 Ehejahren. | |
Es läuft also nicht gut, und jetzt auch noch das: Wie der Zufall es so | |
will, ist er, der kein Türkisch spricht, für das kleine türkische Mädchen | |
Hayat (Mercan Türkoglu aus Berlin), das kein Deutsch spricht, dessen Mutter | |
ihn Nazi genannt hat und inzwischen auf Reisen gegangen ist, dessen mit der | |
vorübergehenden Sorge betraute Großmutter plötzlich im Koma liegt, die | |
einzige Bezugsperson. „Hallo, Kopftuchmädchen! Hey hallo!“ – Er kriegt s… | |
nicht mehr aus seinem Taxi raus. | |
Harte Schale, weicher Kern. Es versteht sich, dass das Mädchen in seiner | |
unschuldigen Hilflosigkeit den Grantler früher oder später knacken muss. | |
Groß ist, wie Zübert das weder als Rührstück noch als Feelgood-Komödie üb… | |
eine noch so unwahrscheinliche Freundschaft inszeniert. | |
Die Paraderolle des im fortgeschrittenen Lebensalter unerwartet aus der | |
Bahn geworfenen, der darüber zu neuen Erkenntnissen gelangt und Dinge tut, | |
die er sich vorher nicht hätte vorstellen können – die hatte Elmar Wepper | |
schon für Doris Dörrie gegeben, in „Kirschblüten – Hanami“. Für ihn g… | |
dafür seinerzeit, 2008, den Bayerischen und den Deutschen Fernsehpreis. | |
Und für ein größeres Publikum die späte Erkenntnis, dass er, nachdem er | |
seine besten Jahre am Vorabend mit Uschi Glas in Hamburg verbracht hat, | |
auch ein prima Charakterdarsteller ist. | |
18 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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