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# taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Bangui, Stunde null
> Der Umsturz in der Zentralafrikanischen Republik hinterlässt einen Staat
> in Trümmern. Ein Blick hinter die Kulissen einer Revolution.
Bild: Endpunkt oder Neuanfang? Im Außenministerium der Zentralafrikanischen Re…
BANGUI taz | Honoré Nzessiwe lässt vor Schreck die Aktentasche fallen. Sie
plumpst auf die paar zersplitterten Fliesen, die in seinem Büro im
Außenministerium der Zentralafrikanischen Republik noch übrig sind. „Ach du
meine Güte!“, ruft Nzessiwe.
Es ist das erste Mal, dass der diplomatische Berater sein Büro betritt,
seit die Seleka-Allianz die Macht übernommen hat. Wochenlang zogen die
Rebellen plündernd durch die Hauptstadt Bangui. Wochenlang verkroch sich
Nzessiwe zu Hause. Wochenlang hat er nicht gewusst, ob er seinen Job
behält.
Jetzt aber hat der Rebellenführer und neue Präsident Michel Djotodia die
Staatsdiener an ihre Arbeitsplätze zurückbeordert – oder was davon übrig
ist: Drei silberne Büroklammern liegen noch auf Nzessiwes Schreibtisch.
Sonst nichts. Computer, Telefon, Lampen, Aktenordner, alles weg. Selbst
Steckdosen und Lichtschalter sind verschwunden.
Unter Nzessiwes Schuhsohlen klirren zersplitterte Reste von Bodenfliesen,
als er den Korridor entlanggeht. Das Türschloss zum Rechenzentrum wurde mit
einem gezielten Schuss gesprengt, die Serveranlagen sind verschwunden – und
mit ihnen alle Daten des Ministeriums. Handschriftliche Reisepassanträge
für Diplomaten und die Passfotos dazu schwimmen draußen im Gartenteich.
## Warum dieser Putsch anders ist
Den Umsturz im Herzen Afrikas am 24. März hat die Welt fast nicht zur
Kenntnis genommen. Warum auch? Seit der Unabhängigkeit der
Zentralafrikanischen Republik von Frankreich 1960 stürzen hier Machthaber
regelmäßig, entweder durch Palastrevolution oder Putsch. Außerhalb der
Hauptstadt ist der Staat kaum existent.
Aber dieser Putsch ist anders.
Die Rebellen entstammen nicht der politischen Klasse von Bangui, wo jeder
jeden kennt. Sie kamen aus dem fernen Nordosten des Landes, sie gehören zu
Völkern, die viele in Bangui als Ausländer ansehen. Nur drei Monate
brauchten sie bis zur Einnahme der Hauptstadt, die viele ihrer Kämpfer
vorher nie gesehen hatten. Und stehen nun vor einem Scherbenhaufen von
Staat – ohne den sie nicht regieren können.
„Unser Land braucht jetzt dringend diplomatische Kontakte – doch es fehlt
hier sogar an Stiften, um einen Brief zu schreiben“, sagt der Diplomat
Nzessiwe seufzend. Dann wird er vom Klingeln seines Handys aufgeschreckt.
Seine Sekretärin ist am Apparat. „Du brauchst nicht zu kommen“, stottert
er. „Es gibt hier nicht einmal mehr einen Stuhl zum Sitzen.“
## Urkunden und Grundbücher – alles verbrannt
Mit seinen abgerundeten Fassaden und seinem kreisrunden Konferenzsaal
ähnelt das Außenministerium, erbaut in den 1970er Jahren und seitdem wie
alle öffentlichen Gebäude Banguis einem langsamen Verfall preisgegeben,
einem kaputten Raumschiff im Herzen des Dschungels. Und wie dort sieht es
fast überall entlang des Unabhängigkeitsboulevards aus.
Im Handelsministerium hat ein Feuer das Unternehmensregister in Asche
verwandelt. Im Ministerium für Städteplanung sind die Grundbücher in Rauch
aufgegangen. Im Rathaus von Bangui fehlt der Server mit den frisch
digitalisierten Geburts- und Heiratsurkunden.
Geländewagen voller Rebellen brausen den Boulevard entlang. Die Autos
stammen aus dem Fuhrpark der Regierung oder internationaler Organisationen.
Die Seleka-Rebellen haben ihnen farbige Muster und Schriftzüge verpasst.
„Keine Verhandlungen“ steht auf einem Fahrzeug der Seleka-Militärpolizei.
Vierzehn schwerbewaffnete junge Kämpfer mit Sonnenbrillen und Turbanen
sitzen auf der Ladefläche und grinsen.
Ein Ministerium wurde – welch ein Zufall – nicht geplündert. Das
Ministerium für öffentliche Sicherheit und Immigration ist Amtssitz eines
der mächtigsten Männer der Rebellion: General Noureddine Adam, einer der
drei Anführer der bewaffneten Gruppen, die sich 2012 zur Seleka
zusammenschlossen. Adam ist jetzt der zweitwichtigste Mann im Land, nach
Staatspräsident Michel Djotodia.
## „Der General mag es digital“
General Adam gilt als Rivale Djotodias. Der ist schon 64 Jahre alt, Adam
hingegen 43, ein junger, sportlicher Mann. Der ehemalige Profiboxer
kommandiert jetzt Polizei und Gendarmerie. Und Bangui schaut jetzt auf ihn,
um endlich Recht und Ordnung herzustellen.
Das Vorzimmer ist bis auf den letzten Stuhl besetzt. Dutzende
schwerbewaffneter Leibwächter verraten, dass sich in Adams Büro inzwischen
die Schaltzentrale der Macht befindet. Im Minutentakt treten Leute ein:
Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks, der Chef von Ärzte ohne Grenzen,
ein Oberst der ehemaligen Armee. Hinter einem Laptop sitzt Adams Assistent
Jules Ngbapo. Sobald ein neuer Besucher erscheint, schickt er seinem
Vorgesetzten eine E-Mail mit Name und Besuchsgrund des Besuchers. „Der
General mag es digital“, sagt er.
Der 32-jährige Ngbapo arbeitet schon lange im Sicherheitsministerium. Den
neuen Boss findet er „super, weil ich mit ihm Englisch üben kann. Er
spricht nämlich alle möglichen Sprachen, nur nicht unsere eigene.“
In diesem Moment hört man General Adam durch die Bürotür hindurch Arabisch
brüllen. Ngbapo zieht die Schultern ein und schmunzelt: „Er macht gerade
seine Offiziere zur Schnecke.“ Minuten später stürmen sechs Seleka-Oberste
aus dem Büro hinaus. Dann wird man hineingebeten.
## Mit Smartphone und Koran
Der General ist ein hochgewachsener muskulöser Mann. In einem weißen, edel
bestickten Gewand sitzt er auf einer gewaltigen Couch. Seine zwei iPhones
und drei weitere Smartphones klingeln fast ununterbrochen, meist alle
gleichzeitig, mit schriller arabischer Musik.
Adam hat in Kairo studiert, viele Jahre im Exil in Dubai verbracht. Sein
Englisch ist besser als sein Französisch, die Amtssprache seiner Heimat. Er
weiß, wie man Ausländern elegant begegnet. Diese wiederum schätzen ihn.
Denn wenn er von Dubai, Dublin oder Düsseldorf erzählt, dann wirkt er ganz
anders als seine Buschkrieger.
„Die Plünderungen haben dem Image unserer neuen Regierung schwer geschadet.
Das muss sich ändern“, sagt Adam und haut auf den Tisch. Der Notizblock mit
den Camouflage-Mustern verrutscht etwas, der Stifthalter in Form einer
Handgranate wackelt. Adam rückt alles wieder zurecht. Im Vergleich zum
Durcheinander in den anderen Ministerien herrscht hier akkurate Ordnung.
Adam rattert seine Maßnahmen herunter wie Maschinengewehrfeuer: Eine
Militärpolizei soll „die schlechten Elemente in unserer Truppe“ festnehmen.
Entflohene Sträflinge müssen aufgespürt werden. Gendarmerie und Polizei
werden neu aufgebaut, die Justiz wird reformiert, alle Soldaten werden
registriert, alle Waffen eingesammelt. „Ich verspreche, in einem Monat wird
hier Ordnung herrschen“, behauptet Adam.
Warum hat er überhaupt die Rebellion begonnen? Der General macht einen
langen Seufzer, bevor er antwortet: „Wir hatten immer nur korrupte
Diktatoren an der Macht. Es macht mich traurig zu wissen, dass wir so viele
Rohstoffe haben, aber das Volk in Armut lebt.“ Und wie sieht er die Zukunft
unter Seleka? „Unser Land wird endlich glitzern wie ein Diamant.“
Draußen vor dem Sicherheitsministerium lungern Dutzende Leibwächter herum,
mit frischgedruckten Seleka-ID-Karten um den Hals. Die meisten tragen
Sandalen, Turbane und Sonnenbrillen. An Kordeln um den Oberkörper baumeln
Koran-Attrappen aus Leder. „Unser Fetisch“, erklärt einer: „Damit sind w…
vor den Kugeln sicher.“
## „Das Ende der Welt“
Die jungen Kämpfer wirken auf den ersten Blick wie von einem fremden
Planeten. Die meisten stammen von kleinen Volksgruppen im äußersten Norden
des Landes: den Ghoula und Rhounga, traditionell halbnomadische Viehhirten
und Händler, deren Klans nur wenige Dörfer ausmachen. Die meisten waren
noch nie in der Hauptstadt, haben noch nie einen Lichtschalter gedrückt,
noch nie ein Handy bedient. Vielleicht haben sie in den Ministerien die
Stromkabel aus den Wänden gerissen, weil ihre Anführer ihnen Elektrizität
in ihren Dörfern versprochen hatten.
Zwischen diesen einfachen Buschkriegern mit ihren Fetischen und General
Adam mit seinen Smartphones liegen Welten.
„Ndele ist nicht weit“ – so heißt ein kleiner Laden im geschäftigen
Stadtviertel Miskine neben der größten Moschee und der größten Diskothek
von Bangui. Ndele ist eine Handelsstadt 650 Kilometer nördlich. Dort hatte
sich Seleka Ende 2012 konstituiert. Jenseits von Ndele beginnen Sümpfe,
weitere 600 Kilometer nördlich liegt Birao, die eigentliche Heimat der
Seleka und eigentlich schon in der Wüste. „Dort, wo wir herkommen, ist das
Ende der Welt“, sagt der Ahmat Adam, Sprecher des Imams der Moschee.
Rund um die Moschee haben sich Einwanderer aus dem fernen Norden der
Zentralafrikanischen Republik niedergelassen. Es sind Muslime. In dem
katholisch geprägten Land machen sie nur rund 10 Prozent der Bevölkerung
aus. Die Grenze zwischen dem muslimisch geprägten Kulturkreis der Sahelzone
und dem christlichen Afrika weiter südlich verläuft mitten durch die
Zentralafrikanische Republik.
Mit Seleka kommen in Bangui zum ersten Mal Muslime an die Macht, noch dazu
Halbnomaden aus der Grenzregion zum Sudan: Sie sprechen Arabisch statt
Französisch, Sudans Hauptstadt Khartoum ist ihnen näher ist als die eigene
Hauptstadt Bangui.
## Die weitverzweigete Adam-Familie
Ahmat Adam, der Sprecher des Imams, ist General Noureddine Adam wie aus dem
Gesicht geschnitten. Und tatsächlich ist der 35-Jährige, der vom
Fußballspielen verschwitzt im Hinterhof der Moschee sitzt, ein Bruder des
Rebellenführers – das jüngste von 18 Kindern der weitverzweigten
Adam-Familie.
Der Imam, Birima Adam, ist ihr Vater. Er sei alt und senil, sagt Ahmat.
Doch er spiele im neuen Machtpoker eine wichtige Rolle. Für viele
Seleka-Kämpfer und Offiziere ist der Imam eine Vaterfigur.
Während vom Minarett der Muezzin zum Gebet ruft, schlurft der junge Adam
durch das geschäftige Viertel. Seleka-Kämpfer sitzen in den Teestuben,
Mechaniker schrauben an Lastwagen herum, die bald in den Norden aufbrechen
sollen, bevor die Regenzeit beginnt. Aus der Disco „Bamboula“ dringt
schrille kongolesische Lingala-Musik, Frauen in kurzen Röcken betteln um
ein Bier. Adam winkt höflich ab: „Wir Muslime gehen da nicht rein“, sagt er
und beginnt zu erzählen.
Die Völker aus dem Norden würden aufgrund ihres muslimischen Glaubens in
Bangui als Ausländer betrachtet. Bei der Einschreibung in die Universität,
beim Antrag eines Reisepasses, bei der Bezahlung der Steuern – „immer muss
ich nachweisen, dass ich Staatsbürger bin“, erzählt er. „Wir werden wie
Menschen zweiter Klasse behandelt. Doch das wird sich jetzt alles ändern –
dank meines Bruders“, sagt er und lächelt stolz.
## Khartum und Dubai statt Bangui und Paris
Die meisten Seleka-Offiziere entstammen wie auch der General
Händlerfamilien aus dem Norden, die ihr Vermögen mit Diamanten- und
Goldhandel gemacht haben. Viele Väter haben ihre Söhne auf Imam Adams
Koranschule in Bangui geschickt, sobald sie es sich leisten konnten. Denn
in Birao im hohen Norden gibt es keine höheren Schulen.
Imam Adam hat seine Schüler dann weitervermittelt: an Koranschulen in
Ägypten, Jordanien oder Dubai. Die Adam-Familie gehört zur Oberklasse des
Rhounga-Klans. Sie sei groß im Diamantengeschäft, gibt Ahmat stolz zu.
Es sind die Rohdiamanten der Zentralafrikanischen Republik, die den Krieg
der Seleka finanzieren. „Wir haben nichts in unserer Heimat, nur diese
Steine hier“, sagt der junge Adam und zählt auf: keine Schulen, keine
Krankenhäuser, keine Stromleitungen, keine Straßen. Der Lastwagen brauche
zehn Tage für die 1.200 Kilometer aus Bangui nach Birao. In der Regenzeit
sei die Gegend für sechs Monate vom Rest des Landes abgeschnitten.
Der einzige Weg in die Außenwelt führe dann nach Norden, Sudans Hauptstadt
Khartum sei nur drei Tage entfernt, erklärt Adam. Jede Limonade, jedes
Stück Seife, jedes Streichholz in Birao stamme aus dem Sudan: „Und wir
verkaufen dort dafür unsere Diamanten.“
## Lieber fünf Karat in der Hand…
Das große Haus der Diamantenexporteure in der Innenstadt von Bangui ist
eines der wenigen, um das herum Hochbetrieb herrscht. Seit dem Einmarsch
der Seleka in Bangui sind immer noch viele Läden geschlossen, es gibt kaum
etwas zu kaufen. Bereits am frühen Nachmittag wirkt die Innenstadt
verwaist. Aber im Innenhof des von bewaffneten Seleka-Kämpfern geschützten
Diamantengebäudes parken zahlreiche Nobelkarossen: Libanesen, Belgier,
Holländer gehen ein und aus.
Hier ist ein weiterer Bruder des Generals tätig. Hamat Adam will heute
einen besonderen Stein verkaufen. Die Schürfer in einer seiner zahlreichen
Minen hätten einen seltenen Fund gemacht, verrät er. Aus der Brusttasche
seines langen blauen Gewands zieht er ein Taschentuch, das er vorsichtig
aufwickelt.
Kleine funkelnde Steine reflektieren das Sonnenlicht in allen Spektren, in
der Mitte liegt ein blauer Diamant: Fünf Karat, „ein Vermögen“, flüstert
Hamat.
Die Zentralafrikanische Republik gehört zu den rohstoffreichen Ländern
Afrikas: Diamanten, Gold, Öl, Uran – hier gibt es alles, meist noch
unerschlossen. Erst in jüngster Zeit ist das abgeschottete Land ins
Blickfeld internationaler Rohstofffirmen gerückt, besonders das Uran. Der
französische Energiekonzern Areva erwarb 2008 Uran-Konzessionen, Chinesen
sind ebenso interessiert.
Dies macht das Minenministerium in dem sonst bettelarmen Land zu einer der
wichtigsten Institutionen. Gerade jetzt, wo die Karten neu gemischt werden.
## …als ein Ministerium ohne Dach
Auch der neue Minenminister, Herbert Gontran Djono-Ahaba, ist ein
Seleka-Offizier. Er sei im Ausland, winkt der Wächter am Tor ab. Hinter ihm
hört man in dem dreistöckigen Gebäude Hämmern und Klopfen. Das Ministerium
wurde erst im Vorjahr erbaut. Jetzt ist es eine Ruine.
Immerhin: Handwerker tauschen die kaputten Türschlösser aus, ersetzen die
herausgerissenen Stromleitungen. „Das waren nicht wir, das waren Leute der
alten Regierung“, behauptet der Wächter. „Als wir nach Bangui
einmarschierten, haben sie noch schnell alles zerstört.“
Er zeigt auf eine kleine Ruine im Hof, ohne Dach, mit verkohlten Wänden. An
den Löchern, in denen einst Lichtschalter steckten, ist das ausgeflossene
Plastik wie Wachs erstarrt. Mithilfe der Starkstromleitung, die unterhalb
des Fensters aus der Erde ragt, wurde das Gebäude in die Luft gejagt – und
mit ihm die frisch installierten Computer, gesponsert von der
Internationalen Atomenergiebehörde, um die Urankonzessionen zu
digitalisieren.
Zerstört wurden dabei auch die Verträge mit internationalen Firmen über
Gold- und Diamantenabbau sowie zur Erkundung der Ölreserven. Und im Büro,
das für die Zertifizierung der Diamanten zuständig war, liegen Akten in
Fetzen auf dem Boden.
Im Altbau des Ministeriums weiter hinten hingegen ist alles unberührt.
Farbe blättert von den Wänden, es riecht nach vermoderten Akten.
Kabinettsdirektor Roger Aguide sitzt im verwinkelten Büro seiner Sekretärin
und diktiert ihr einen Brief an Areva in die Tastatur.
## „Wir wurden auf null zurückgesetzt“
Der alte Mann in Anzug und Krawatte, mit verbogener Nickelbrille und
Zahnlücke, wirkt mit seinem vornehmen Französisch wie aus einer anderen
Zeit. In vielen Ländern Afrikas sind es Technokraten wie der alte Aguide,
die im Hintergrund die Geschäfte leiten. Sie sind unersetzbar, da Minister
oft nur durch Seilschaften oder Rebellionen auf ihre Posten gelangen, von
der Materie aber keine Ahnung haben.
Aguide muss jetzt die internationalen Partner über die vernichteten
Verträge informieren. „Das wird noch viele Probleme nach sich ziehen“, sagt
er und zeigt seufzend auf den Stapel Briefe auf dem Schreibtisch: „Ich
schreibe ihnen, dass wir die Verträge neu machen müssen. Wir wurden auf
null zurückgesetzt“.
Und das stimmt nicht nur in den Ministerien. Bevor General Adam die
Interessen seiner Minderheit durchsetzen kann, muss er in Bangui mit der
Mehrheit Frieden schaffen und Normalität wiederherstellen.
## Endlich: Es soll wieder Geld geben
An einem Morgen Anfang Mai hält Präsident Djotodia im Radio eine Ansprache:
Es sollen endlich wieder Gehälter und Renten ausgezahlt werden, zum ersten
Mal seit der Seleka-Machtübernahme und überhaupt seit vielen Monaten.
Sofort bilden sich lange Schlangen in der Innenstadt. Tausende Lehrer,
Ministerialbeamte, Ärzte und Rentner drängeln sich vor den Banken.
„Ich bin Witwe, muss fünf Kinder ernähren und nach den Plünderungen habe
ich nichts mehr – wir hungern“, schluchzt eine Frau. „Diese Ausländer
besetzen unser Land!“, brüllt ein Mann.
Als kunterbunt bemalte Geländewagen mit schwerbewaffneten Kämpfern
anrollen, heizt sich die Stimmung auf. Keine Sorge, erklärt einer von
General Adams Leibwächtern der Menge: Der Präsident träfe sich in der Nähe
mit Ministern, die Umgebung müsse gesichert werden.
Doch aus Angst vor Plünderungen schließen die Banken ihre Pforten. Tausende
hungrige Menschen bleiben draußen und protestieren lautstark: gegen die
Banken und gegen Seleka.
Der Oberst zieht an einem Joint und gibt dann den Befehl, die Kalaschnikows
durchzuladen. Viele Leute laufen davon. Eine Patrouille französischer
Soldaten kommt angefahren.
Sie tragen Helme und schusssichere Westen. Sie winken, gucken und fahren
wieder davon. Die Menschen vor den Banken brüllen auch ihnen wütend Parolen
hinterher. „Ihr steckt doch unter einer Decke“, rufen sie.
## Allons, enfants de la patrie!
Nur der 71-jährige Michel Fayouma steht seelenruhig mitten in der
aufgewühlten Menge. In der Hand hält er seine vergilbte Geburtsurkunde aus
dem Jahr 1942, mit französischem Staatssiegel. Er lebe elf Kilometer
westlich von Bangui, sagt er. An diesem Morgen sei er früh aufgestanden und
in die Stadt gelaufen, in der Hoffnung, seine Rente zu erhalten.
„Wer seid ihr denn?“, brüllt der alte Mann in Anzug und Hut den jungen
Seleka-Kämpfern entgegen. Doch diese verstehen kein Französisch. „Die sind
nicht von hier“, murmelt er verdutzt. Erst als der Alte die französischen
Soldaten sieht, lächelt er.
Er stimmt die Marseillaise an, die er in der Schule gelernt hat. Die Menge
buht ihn aus.
23 May 2013
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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