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# taz.de -- Protest gegen Heckler und Koch: Zu Besuch beim Waffendealer
> Im südlichen Baden-Württemberg protestieren Aktivisten vor den Toren von
> Heckler & Koch. Sie fordern, den Handel mit Kleinwaffen zu verbieten.
Bild: Kritik der Waffen: P8-Pistole von Heckler & Koch.
VILLINGEN-SCHWENNINGEN/OBERNDORF taz | Die indische Delegation fordert
Blumen statt Waffen, ein Chor singt die Moorsoldaten und ein am Metallzaun
festgezurrtes Transparent mahnt: „Jede Waffe findet ihren Krieg“. Hinter
dem Zaun: „Europas tödlichstes Unternehmen“, wie der Pazifist Jürgen
Grässlin die Schwarzwälder Rüstungsschmiede Heckler & Koch bezeichnet.
Es regnet in Strömen, doch geschützt von Schirmen trotzen am Samstag die
etwa 300 Friedensbewegten vor den Gebäuden in Oberndorf dem kalten,
feuchten Wetter. Aus dem nahegelegenen Villingen-Schwenningen sind sie
angereist, um vor den Werkstoren der Firma zum Ausdruck zu bringen, worüber
sie in den vergangenen Tagen diskutiert haben: „Stoppt den
Kleinwaffenhandel.“
Der Ort für den [1][Kongress „Zielscheibe Mensch“], der von Donnerstag bis
Sonntag in Villingen stattfand, war gut gewählt. Auch der Zeitpunkt passte.
Erst letzte Woche war bekannt geworden, dass die Bundeswehr mit Gewehren
von Heckler & Koch schießt, die offenbar ihr Ziel verfehlen, wenn sie zu
heiß werden. Weil die Waffen trotz der Mängel gekauft wurden, ermittelt die
Staatsanwaltschaft unter anderem gegen einen ehemaligen Referatsleiter des
Verteidigungsministeriums und gegen Verantwortliche eines
Rüstungsunternehmens.
Doch auf der Konferenz, die von der ärztlichen Friedensorganisation (IPPNW)
und der [2][Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“]
ausgerichtet wurde, stand ein anderer aktueller Vorfall im Vordergrund: Vor
wenigen Wochen hatte die Oberndorfer Waffenschmiede erstmals zugegeben,
illegal G-36-Sturmgewehre in Krisenregionen Mexikos geliefert zu haben. Das
Geständnis ist wohl nur erfolgt, weil Grässlin gegen Heckler & Koch Anzeige
erstellt hat und Rüstungsgegner seit Jahren Druck machen.
## „Jede Kugel erzählt ihre Geschichte“
Das Schwarzwälder Unternehmen zählt zu den wichtigsten
Kleinwaffenproduzenten. Diese Waffen, also beispielsweise Sturmgewehre,
Pistolen oder Panzerfäuste, sind weltweit für 90 Prozent der Kriegsopfer
verantwortlich. Fast zwei Drittel aller Menschenrechtsverbrechen werden
durch sie verursacht, sagt Mathias John von Amnesty International (AI). Die
meisten der Toten sind Zivilisten aus den Ländern des Südens.
Was das bedeutet, veranschaulichten auf der Konferenz Mediziner aus
mehreren Ländern. So zeigte der kenianische Arzt Walter Odhiambo
Röntgenbilder, auf denen Schatten von Projektilen zu sehen sind, die in
Körpern stecken blieben. Sein nigerianischer Kollege Homsuk Swomen
berichtete davon, dass es bei Schüssen aus Kleinwaffen oft um Leben um Tod
gehe: „Jede Kugel erzählt ihre Geschichte.“
Viele der Geschichten beginnen im südlichen Baden-Württemberg. Vor der
Neuen Tonhalle, in der in Villingen-Schwenningen die Konferenz stattfand,
zeigte ein großes Transparent die zahlreichen Rüstungsbetriebe, die am
nahegelegenen Bodensee beheimatet sind: MTU, EADS, Liebherr. In Oberndorf
produzieren neben Heckler & Koch auch die Pistolenfabrik Mauser und
Rheinmetall Defence. Viele hier leben von den Waffenschmieden.
Doch das Argument, man dürfe keine Arbeitsplätze gefährden, ließ der
Linke-Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer nicht gelten. Der massive Abbau
von Stellen in der Rüstungsindustrie habe bereits in den 1990er Jahren
stattgefunden. Als er begann, gab es noch 400.000 Stellen. „Heute sind es
maximal noch 80.000“, sagt Schäfer. Die Wirtschaft habe diesen
Stellenrückgang verkraftet. Schäfer fordert zudem nicht, Fabriken einfach
zu schließen, sondern über eine Produktkonversion nachzudenken. „Sollen sie
doch wieder Nähmaschinen bauen wie nach dem Krieg, als die Waffenproduktion
verboten war“, so ein Diskutant.
## Keine Sanktionen vorgesehen
Doch davon ist Deutschland weit entfernt. Erst vor wenigen Tagen wurde
bekannt, dass der Wert der genehmigten Kleinwaffenexporte deutscher
Unternehmen 2012 etwa doppelt so hoch war wie im Vorjahr. Die Kampagne
Aktion Aufschrei fordert ein grundsätzliches Verbot von Waffenexporten und
wird von über 100 Organisationen getragen. „78 Prozent der Bevölkerung
unterstützen laut Meinungsforschungsinstituts Emnid unsere Forderung“, so
Aktivist Grässlin.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ließ am Samstag auf seiner
Mexiko-Reise wissen, dass die deutsche und die mexikanische Regierung den
jüngst vereinbarten UN-Waffenkontrollvertrag (ATT) ratifizieren würden. Mit
dem ATT werden erstmals international verbindliche Regeln für den Export
von Rüstungsgütern festgelegt. So sollen Waffen nicht mehr an Länder
verkauft werden, die damit möglicherweise gegen Menschenrechte verstoßen.
Allerdings sind keine Sanktionen vorgesehen.
Ob der ATT tatsächlich ein Schritt voran ist im Kampf gegen die
todbringenden Exporte, war unter den TeilnehmerInnen der Konferenz
umstritten. Er biete erstmals die Möglichkeit, den Handel mit Kleinwaffen
und Munition zu unterbinden, sagte AI-Vertreter John. IPPNW-Sprecher Helmut
Lohrer kritisierte hingegen, dass Geschäfte mit privaten Partnern, also
Vermittlern, die zwischen Waffenhersteller und Endabnehmer agieren und die
Geschäfte mitabwickeln (siehe Interview mit Andrew Feinstein), gar nicht in
den Vertrag einbezogen seien. Und wenn schon Deutschland, der drittgrößte
Waffenexporteur, schärfere Regeln als die jetzt vereinbarten gefordert
habe, spreche das für sich.
## Heckler & Koch einkreisen
Heckler & Koch ist ohnehin davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu
stehen. Man teile das Anliegen des Kongresses und bedauere jedes
Kriegsopfer, ließ die Waffenschmiede wissen. Die Firma wolle „jene Soldaten
und Polizeikräfte“ versorgen, die dafür einträten, „Freiheit und
Meinungsfreiheit zu schützen“. Eine makabre und zynische Aussage, so
Grässlin. Er erinnerte daran, dass G-36-Gewehre mittlerweile in Lizenz im
autoritär regierten Saudi-Arabien produziert würden.
Auch wegen der Probleme ihrer Waffen in der Bundeswehr meldete sich Heckler
& Koch vergangenen Freitag zu Wort. Medienberichte, nach denen gegen das
Unternehmen Ermittlungen laufen würden, seien falsch. Es sei verwunderlich,
sagte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour der taz, „mit welcher
Leichtigkeit die Firma die Mängel vom Tisch zu wischen versucht“.
Angesichts der bekannt gewordenen, illegalen Lieferungen nach Mexiko sei
mehr Sensibilität und Transparenz angezeigt, so Nouripour.
Eine der Forderungen der Friedensbewegung scheint inzwischen bei Angela
Merkel angekommen zu sein. Die Kanzlerin sei bereit, das Parlament
schneller über geplante Rüstungsexporte zu informieren, meldet aktuell der
Spiegel. Die Aktivisten dürfte das kaum zufrieden stellen. „Nächstes Jahr
wollen wir Heckler & Koch einkreisen“, kündigte Christine Hoffmann von Pax
Christi an. „Dafür brauchen wir 3.000 Leute.“
2 Jun 2013
## LINKS
[1] http://www.zielscheibe-mensch.org/startseite.html
[2] http://www.aufschrei-waffenhandel.de/
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Heckler & Koch
Waffen
Abrüstung
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Waffenhandel
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