| # taz.de -- Libyen-Flüchlinge: Der Schutzschirm der Kirchen | |
| > Hamburger Senat findet keinen Betreiber für Notunterkunft. Kirchenasyl | |
| > will er hingegen respektieren. 50 Flüchtlinge übernachten jetzt in einer | |
| > Kirche auf St. Pauli. | |
| Bild: Gewährt afrikanischen Flüchtlingen Asyl_ St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm. | |
| HAMBURG taz | Geplatzt ist der Versuch des Hamburger Senats, mehrere | |
| hundert afrikanische Flüchtlinge vorübergehend in einer leer stehenden | |
| Schule in Hamburg-Langenhorn unterzubringen. „Die Gespräche sind | |
| gescheitert, wir haben keinen Betreiber gefunden“, sagte am Montag Olaf | |
| Dittmann, Sprecher der Sozialbehörde. Ob die Behörde nun einen anderen | |
| Betreiber suche, sei offen: „Das weitere Vorgehen wird nun geprüft.“ Die | |
| evangelische Nordkirche und die Diakonie hatten am Sonntag angekündigt, | |
| dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Damit sind die wochenlangen | |
| Verhandlungen zwischen Sozialbehörde und Kirche gescheitert, für rund 300 | |
| afrikanische Flüchtlinge eine Notunterkunft mit einer humanitären | |
| Bleiberechtslösung einzurichten. | |
| Die Kirche hatte am Wochenende die Notbremse gezogen, nachdem dem Leiter | |
| des Fachbereichs Flüchtlinge der Diakonie, Dirk Hauer, das „Drehbuch“ | |
| vorgelegt worden ist und sich die humanitäre Unterbringung als | |
| Abschiebefalle entpuppte. „Die Registrierung und erkennungsdienstliche | |
| Behandlung ist eine reine ausländerbehördliche Erforschung, die den Zweck | |
| hat, die Abschiebung vorzubereiten“, sagte Hauer. Die Stadt wolle die | |
| Flüchtlinge ohne Einzelfallprüfung in vier bis fünf Wochen in einer | |
| Sammelabschiebung wieder nach Italien bringen – dem EU-Land, das sie nach | |
| ihrer Flucht aus Libyen als erstes betreten haben. | |
| „Die Kirche und die Diakonie beteiligen sich nicht an einem | |
| Abschiebelager“, sagte Landespastorin Annegrethe Stoltenberg. Der Senat | |
| habe „die Kirche vor seinen Karren spannen wollen“, kritisierte die grüne | |
| Innenpolitikerin Antje Möller: „Wenn die Innenbehörde diese Menschen | |
| abschieben will, muss sie ihre Arbeit schon alleine machen.“ | |
| Seit Sonntag gewährt die Kirchengemeinde St. Pauli den Flüchtlingen | |
| unbefristete Unterkunft. In der Nacht zum Montag schliefen bereits über 50 | |
| der Obdachlosen im Innenbereich der Kirche. Die Stühle wurden beiseite | |
| geräumt, Matratzen und Bettdecken verteilt. Außerdem werde am Dienstag auf | |
| dem Kirchengelände mit Unterstützung der Nordkirche und der Johanniter ein | |
| Zeltlager und Sanitäranlagen errichtet. „Es handelt sich um humanitäre | |
| Hilfe, kein Kirchenasyl“, erklärt Pastor Sieghard Wilm, „die Flüchtlinge | |
| sind Gejagte. Sie sollen hier zur Ruhe kommen können.“ | |
| Die Stadt verwaltet zwar das Kirchengelände, Wilm glaubt jedoch nicht, dass | |
| es zu Problemen kommen wird. „Bis jetzt habe ich keinen Anruf von der Stadt | |
| erhalten. Die Kirche ist ein geschützter Ort und da wird Bürgermeister Olaf | |
| Scholz nicht intervenieren wollen“, so Wilms. Diallo Samba, 27, ist einer | |
| der afrikanischen Flüchtlinge. Er freut sich, dass er die letzte Nacht | |
| nicht mehr auf der Straße verbringen musste. „Ich habe wunderbar in der | |
| Kirche geschlafen“ sagt er. | |
| Die afrikanischen Flüchtlinge müssten „nach Italien oder in ihre | |
| Heimatländer zurück“, hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Wochenende | |
| bekräftigt, weil es aus rechtlichen Gründen keine Perspektive für sie in | |
| Hamburg gebe. Die europäischen Regierungen müssten sich in der | |
| Flüchtlingsfrage "aufeinander verlassen können", so Scholz. Es handele sich | |
| "um eine humanitäre Hilfe zur Rückkehr", ergänzte Senatssprecher Jörg | |
| Schmoll am Montag: "Dabei bleibt es." | |
| Dem widerspricht jedoch der Landessprecher der Linkspartei, Bela Rogalla, | |
| "Die Flüchtlinge werden nicht freiwillig nach Italien zurückehren", sagt | |
| Rogalla "Deshalb muss es in Hamburg eine politische Entscheidung für ein | |
| Bleiberecht im Rahmen einer Kontingentlösung geben." | |
| Es sei „nicht vorstellbar“, dass Flüchtlinge, die unter dem Schutz der | |
| Kirche stünden, zwangsweise abgeschoben würden, sagt Senatssprecher Jörg | |
| Schmoll. Auch die Innenbehörde will diesen Schutzschirm „respektieren“. | |
| Allerdings werde sie „wohl irgendwie ausländerrechtlich tätig werden | |
| müssen“, sagt Innenbehördensprecher Frank Reschreiter: „Alle erforderlich… | |
| Maßnahmen werden mit angemessenen Mitteln durchgesetzt.“ Dazu gehöre auch | |
| die Feststellung der Identitäten. „Wie soll man denn sonst eine | |
| Einzelfallprüfung machen?“, so Reschreiter. | |
| Nach taz-Informationen sind die Zivilfahnder der Innenstadtkommissariate | |
| angewiesen worden, verstärkt Personalienfeststellungen von Afrikanern | |
| vorzunehmen, um deren Identität zwecks Abschiebung festzustellen. | |
| In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir Linken-Sprecher | |
| Rogalla mit den Worten zitiert, es seien "in Italien anerkannte | |
| Flüchtlinge, die für zwei Jahre einen Aufenthaltsstatus für den | |
| Schengen-Raum besitzen". Rogalla legt Wert auf die Feststelltung, das habe | |
| er nicht gesagt. Keiner könne derzeit sagen, welchen rechtlichen Status die | |
| Flüchtlinge haben, weil keiner bisher die Einzelfälle unabhängig juristisch | |
| geprüft habe. | |
| 3 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
| Janina Krupop | |
| Sven-Michael Veit | |
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