# taz.de -- Gleichstellungsbeauftragter der Uni Leipzig: „Frauen sollen sicht… | |
> Die Uni Leipzig schreibt in ihrer Verfassung Funktionen nur noch in | |
> weiblicher Form. Das ist „eher Pragmatismus als Ideologie“ geschuldet. | |
Bild: Herr Professorin? Nein, die Anrede muss auch im Leipziger Hörsaal nicht … | |
Herr Teichert, muss man in Leipzig demnächst „Herr Professorin“ sagen? | |
Georg Teichert: Nein, nur unsere Grundordnung, also die Verfassung der Uni, | |
ist im reinen generischen Femininum geschrieben. Das ist eine einmalige | |
Sache, die den Alltag überhaupt nicht berührt. | |
Wie sind Sie auf die Idee gekommen? | |
Es gab eine Debatte, ob man in die Neufassung der Grundordnung wieder | |
Professor/Professorin schreibt. Die eher konservativen Kollegen aus der | |
juristischen Fakultät fanden, das sei unlesbar. Man solle doch wieder zum | |
generischen Maskulinum zurückkehren. | |
Aber bei 60 Prozent Studentinnen plötzlich wieder die männliche Form zu | |
nehmen, das wollten viele nicht mitmachen. Der Physiker Professor Käs war | |
genervt von der Debatte und hat den nicht ganz ernst gemeinten Antrag | |
eingebracht, dann nur noch die weibliche Form zu verwenden. Der hat dann | |
eine Mehrheit gefunden. | |
Wie kam das? | |
Es waren nicht so viele Menschen anwesend bei dieser Sitzung. Normalerweise | |
sitzen da 60 Männer und 20 Frauen. Aber das Erstaunlichste war, dass in | |
zwei Folgesitzungen jeweils beantragt wurde, diesen Beschluss rückgängig zu | |
machen, und das wurde abgelehnt. Wir wollen ja Frauen immer sichtbarer | |
machen, das war eines der Argumente. | |
Braucht die Gleichstellung solche Symbolpolitik? | |
Wie wir den Reaktionen entnehmen, ist dieser bloße symbolische Akt eine | |
riesige Provokation, offenbar sprechen wir da etwas an. Der Hintergrund ist | |
auch ernst: Wir haben ein enormes Defizit an Frauen an der Uni Leipzig, wir | |
müssen viel nachholen. Das zeigt die Reaktion auf diese winzige lapidare | |
Änderung. | |
Man wirft Ihnen Ideologie vor. | |
Diese Entscheidung ist absolut pragmatisch in einem Gremium gefallen, es | |
gab keine ideologischen Debatten. Man wollte schlicht das Thema vom Tisch | |
haben. Und in den Folgesitzungen hatten dann viele keine Lust mehr, es noch | |
mal zu debattieren. Es war also eher Pragmatismus als Ideologie. | |
Nun wird die Uni mit psychiatrischen Diagnosen bedacht: ideologischer | |
Irrsinn, die Uni als psychiatrische Tagesklinik, Obsession … | |
Ja, da lesen viele nicht, worum es überhaupt geht, sie lesen nur „Herr | |
Professorin“ und dann geht’s los. Aber wir haben auch Zustimmung, die | |
Studierenden zum Beispiel finden es ganz interessant. | |
Es gibt eine Facebook-Seite, die die Abberufung ihrer Rektorin zum Ziel | |
hat. | |
Ja, „die sieht ja eh aus wie ein Transsexueller“, steht da zum Beispiel. | |
Wenn Sie gucken, wem das gefällt, dann kommen da die Junge Union, der Ring | |
Christlich-Demokratischer Studenten, die Campus-Union, in dem Spektrum | |
bewegt sich das. | |
Nun sind Sie persönlich ein einmaliger Fall: ein männlicher | |
Gleichstellungsbeauftragter. Hätten Sie als Männervertreter diesen Streich | |
nicht verhindern müssen? | |
Dazu haben mich sehr viele aufgefordert. Aber ich bin kein | |
Männerbeauftragter und auch kein Frauenbeauftragter. Ich bin | |
Gleichstellungsbeauftragter. Und ich sehe wirklich nicht, dass die Männer | |
hier an der Uni gefördert werden müssen. Bei den Frauen haben wir so ein | |
riesiges Defizit. | |
Und, ehrlich gesagt, wenn jemand sich in seiner Männlichkeit beschnitten | |
sieht, nur weil das Wort „Professorinnen“ in der Grundordnung steht, dann | |
hat der ganz andere Probleme als das generische Femininum. Ich fühle mich | |
doch nicht mehr oder weniger männlich, wenn man mich „Die | |
Gleichstellungsbeauftragte“ nennt oder mich mit „Guten Tag, Frau Teichert“ | |
anspricht. | |
Wieso sind Sie Gleichstellungsbeauftragter geworden? | |
Ich habe Hochschulpolitik gemacht und die Diskriminierungen etwa in | |
Berufungsverfahren miterlebt. Und die Gendertheoretikerinnen fanden mich | |
als eher praktisch denkenden Mann ganz gut geeignet. Und ich irritiere die | |
Männer, wenn ich etwa für die Frauenquote bin; das kann auch nicht schaden. | |
Im Bereich Jura lehrt zum Beispiel nur eine einzige Professorin. Da ist | |
noch viel zu tun. | |
9 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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