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# taz.de -- Teurer Spaß Berliner Stadtschloss: Ballast der Republik
> Präsident Gauck hat den Grundstein zum Wiederaufbau des Berliner
> Schlosses gelegt. Entsteht da die nächste Geldverbrennungsanlage?
Bild: Barock wird nur die Fassade: Stahlbeton prägt die Fundamente des Neubaus.
BERLIN taz | Es war ein ganz dicker Brocken, der am Mittwoch im Beisein von
Bundespräsident Joachim Gauck – und in Abwesenheit von Kanzlerin Angela
Merkel – als Grundstein für den umstrittenen Wiederaufbau des Berliner
Schlosses alias Humboldtforum gelegt wurde.
Der Bauherr der Rekonstruktion des 1950 von der DDR gesprengten
Hohenzollernsitzes, die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum, hatte
einen massigen alten Steinquader des originalen Barockbaus ausgegraben und
herbeischaffen lassen. Dorthinein wurde der neue Grundstein verpackt. Es
war eine Performance aus Symbolik, Geisterbeschwörung und Moderne – ganz
so, wie es das Humboldtforum mit historischem Äußerem und einem neuen
Innenleben für die museale Nutzung einmal sein soll.
Weit schwerer als dieser Brocken jedoch wiegt das heikle Großbauvorhaben
selbst und die Angst der Bauherren vor weiterer Häme bei öffentlichen
Bauvorhaben. Weil diese in jüngster Zeit nur noch aus dem Ruder laufen,
steht die Mission für die „größte Kulturbaustelle der Bundesrepublik
Deutschland“, wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann nicht müde wird zu
betonen, unter besonderer Beobachtung.
Die politisch, baulich und konzeptionell ohnehin schon umstrittene
Schlosskopie gilt als Baustelle auf Bewährung: Eine zweite Hamburger
Elbphilharmonie, ein Milliardengrab wie Stuttgart 21 oder gar einen
weiteren Berliner Großflughafen BER – alles Planungen, deren Kosten sich
multipliziert haben – können sich der Bund und die Stiftung nicht leisten,
der beschädigte Ruf der Republik als Bauherr und Berlins im Besonderen wäre
endgültig ruiniert.
Nun haftet dem Großprojekt schon vor dem Start das Verteuerungssyndrom an:
Bei der Bewilligung der Mittel für den Wiederaufbau durch den Deutschen
Bundestag 2007 war mit 552 Millionen Euro kalkuliert worden. 2011 hob der
Bund die Kosten um 38 Millionen Euro an. Derzeit gilt die
„Kostenobergrenze“ von 590 Millionen Euro. An der Summe beteiligt sich das
Land Berlin mit 32 Millionen Euro. 80 Millionen Euro – für die barocke
Fassade – sollen aus privaten Spenden des Fördervereins Berliner Schloss e.
V. kommen. Einmal davon abgesehen, dass der Abriss des Palasts der Republik
bis 2008 mit rund 120 Millionen Euro zu Buche schlug, geht man längst von
realen Ausgaben von über 620 Millionen Euro für das Berliner Schloss aus.
##
## Aus Fehlern gelernt
Sicher, um weitere kostenintensive Sollbruchstellen zu vermeiden, ist das
Bauvorhaben an einigen Positionen anders aufgestellt als die desaströsen
Vorläufer: Manfred Rettig, Chef der Stiftung und Bauherr, gilt als
erfahrener Projektentwickler. Selbst Kritiker des Schlossneubaus – wie
Peter Conradi, langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter und einstiger
Präsident der Bundesarchitektenkammer, oder Franziska Eichstädt-Bohlig,
frühere baupolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag – halten Rettig
für eine gute Wahl. „Er ist kompetent und verantwortungsvoll“, meinen
Conradi und Eichstädt-Bohlig unisono.
Weiter hat die Stiftung die Gewerke einzeln vergeben und nicht an einen
Generalunternehmer. Die Bundesbaudirektion übernimmt mit den Architekten
Franco Stella die Bauaufsicht. Schließlich ist eine „Risikovorsorge“ von
knapp 30 Millionen Euro, die mögliche Unwägbarkeiten abfangen soll,
eingeplant worden. Rettig: „Zur Einhaltung des Kostenrahmens wird sich der
Vorstand der Stiftung als Bauherr vor allem aber gegen Planungs- oder
Nutzungsänderungen stemmen, die mit Kostenfolgen nachträglich von welcher
Seite auch immer angemeldet werden.“
Auch CSU-Bundesbauminister Peter Ramsauer scheint Lehren aus früheren
Planungsfehlern gezogen zu haben. Der Minister hat eine „Reformkommission
Großprojekte“ eingerichtet, um Planungsprozesse, Kosten, Abläufe der
Baustellen und deren Kontrollen zu „optimieren“. Deren Empfehlungen würden
bereits jetzt in das Schlossbauprojekt einfließen, sagte Vera Moosmayer,
Sprecherin des Ministers, zur taz.
## Sandiger Untergrund als Hauptrisiko
Die Absicht in Ehren. Dass das Bauvorhaben schon jetzt auf Kante genäht
ist, streitet Rettig nicht ab. Ein paar Löcher klaffen im Säckel: „Nicht
beinhaltet sind die Kosten für das geplante Dachcafé, für die Innenportale
und die Portaldurchgänge II, III und IV sowie für die vollständige
historische Rekonstruktion der Kuppel.“ Nur der Rohbau der Kuppel sei in
den Kosten inbegriffen, so Rettig gegenüber taz. Die Mehrkosten für die
komplette Rekonstruktion „sollen“ von weiteren Sponsoren und aus Spenden
aufgebracht werden.
Wie eine Garantieerklärung klingt das nicht, zumal die Spendenfreudigkeit
für das Projekt kein Selbstläufer zu sein scheint. Der Förderverein mit
Geschäftsführer Wilhelm von Boddien habe der Stiftung „aktuell gut 10
Millionen Euro überwiesen“, hinzu kämen Sachspenden in Form von
Planunterlagen zur Rekonstruktion der barocken Fassaden, sodass „etwa 20
Prozent der versprochenen Spendensumme überwiesen wurde“, konstatiert der
Bauherr die Lage.
Von Boddien samt seiner bisher unvollständigen 80-Millionen-Spende ist eine
der vielen Zielscheiben der Kritiker. Sie fürchten eine Kostenexplosion und
erneute Terminverschiebungen. „Es wird mit Sicherheit teurer, die Mittel
sind insgesamt zu niedrig angesetzt. Allein für die barocke Fassade wird
der Bund mehr Geld aufbringen müssen – auf Kosten des Steuerzahlers“,
stellt Eichstädt-Bohlig gegenüber der taz die Rechnung auf. Hinzu komme,
dass die genaue Ausgestaltung und Finanzierung anderer Bauabschnitte, wie
der Agora oder der Kuppel, nicht klar sei.
Neben der Forderung nach einem „professionellen, nicht politischen
Controlling“ macht Conradi ein weiteres Fass auf: „Der sandige Berliner
Untergrund an dieser Stelle beinhaltet ein Hauptrisiko“, listet er auf.
Unter dem Schloss werde derzeit ein U-Bahn-Tunnel gebaut – ein
Gefahrenfaktor, wenn man nur an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs beim
U-Bahnbau denke.
## Zu wenig Rücklage
Das stimmt. Bei der Sanierung der benachbarten Staatsoper Unter den Linden
musste die Fertigstellung der Bühne von 2013 auf 2015/16 verschoben werden,
weil der Baugrund labil ist. Statt 230 fallen bis jetzt schon 285 Millionen
Euro für den Umbau an. Ende offen. Berlins Grünen-Fraktionschefin Antje
Kapek: „Links und rechts des Schlosses haben alle Projekte Schwierigkeiten,
darum sind die 30 Millionen Risikovorsorge zu wenig, was die Rücklage
angeht.“
In sechs oder sieben Jahren werden wir sehen, wie viel mehr
„Risikovorsorge“ nötig war.
13 Jun 2013
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Wiederaufbau
Joachim Gauck
Humboldt Forum
taz.gazete
SPD
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