# taz.de -- Humboldtforum: Der große Fassadenschwindel | |
> Am 12. Juni wird der Grundstein für das Stadtschloss samt Barockfassade | |
> und Kuppel gelegt. Was draußen Preußens Gloria gedenkt, soll drinnen bald | |
> ein vibrierender Begegnungsort für Weltkulturen und Weltwissen sein. | |
Bild: Preußens Gloria in der Mitte der Hauptstadt | |
Der Bauherr spricht von „Europas bedeutendstem Kulturprojekt“, die | |
Kanzlerin aber ist bei der Grundsteinlegung am kommenden Mittwoch nicht | |
dabei. Sie hat wichtigere Termine als den offiziellen Baustart für das | |
Humboldtforum. Bundespräsident Gauck wird zwar einen mehr als zwei | |
Kilogramm schweren Sandsteinblock aus dem historischen Schloss in die | |
Baugrube legen, eine Rede will er aber nicht halten. Beide, Staats- und | |
Regierungsoberhaupt, scheinen nicht scharf darauf zu sein, mit dem 590 | |
Millionen Euro teuren Projekt in Verbindung gebracht zu werden. Die | |
Zeremonie wird im Beisein von 1.000 handverlesenen Gästen abgehalten, unter | |
ihnen Klaus Wowereit und Bundesbauminister Peter Ramsauer. Das Volk muss | |
draußen bleiben. | |
Nach all dem Gezerre um den Neubau des Berliner Stadtschlosses in der | |
historischen Stadtmitte ist der Startschuss für das Humboldtforum | |
erstaunlich leise. Es ist, als wollten die Verantwortlichen verhindern, | |
dass an der Baugrube doch noch jemand die Frage stellt, gegen die man auf | |
dem Schlossplatz seit der Abtragung der letzten Reste des DDR-Palasts | |
anbaut: Braucht Berlin wirklich wieder ein Barockschloss zwischen Dom und | |
Staatsratsgebäude? Das, was bis 2019 nach dem Entwurf des Architekten | |
Franco Stella auf dem Schlossplatz entstehen soll, ist per | |
Bundestagsbeschluss demokratisch abgesegnet. Der Bau des Gebäudes mit | |
Schlüterhof und Kuppel ist, nach einem dreijährigen Baustopp aus | |
Kostengründen, jetzt auch fest im Haushalt von Bund und Land eingeplant. | |
Trotzdem bleiben die Republik und die Stadt gespalten in Schlossfreunde und | |
-gegner. | |
Die Gräben zwischen beiden Lagern sind fast so tief wie zu der Zeit, als | |
man sich ideologisch über das Für und Wider eines Abrisses von | |
DDR-Architektur zugunsten eines feudalen Preußensymbols stritt. Viele | |
Berliner verstehen noch immer nicht, warum ausgerechnet ein Schloss die | |
Mitte der Stadt zieren soll. Für sie ist eine Wiese in der Stadtmitte | |
zeitgemäßer als ein Schloss, das Erinnerungen an einen militaristischen | |
Preußenstaat wachruft. Auch die Frage, warum eine Stadt mit einem Haus der | |
Kulturen der Welt, einer beeindruckenden Museumslandschaft und drei | |
Universitäten ein neues Museum braucht, ist offen. | |
Man kann einwenden, dass es immer Menschen gibt, die nicht mit | |
Veränderungen klarkommen; dass der Berliner sich eben schwertut mit urbanen | |
Visionen. – Wenn das Humboldtforum denn eine Vision wäre. Tatsächlich ist | |
es ein Mischwesen, architektonisch wie inhaltlich: ein Schloss aus dem 18. | |
Jahrhundert für Sammlungen aus dem 19. Jahrhundert – und alles zusammen | |
soll ein Ort des 21. Jahrhunderts werden. Grundriss, Kuppel und drei | |
Fassaden werden der alten Hohenzollern-Residenz in ihrer barocken Phase | |
nachempfunden. Zur Spree hin und innen dagegen ist das Schloss modern und | |
funktional gestaltet. Es soll Wissen und Kulturschätze aus aller Welt | |
bündeln und zum Dialog einladen. Das klingt vielversprechend. Nur die | |
vielen Superlative, mit denen das Vorhaben beworben wird, machen | |
misstrauisch. | |
Das Humboldtforum ist eben keine Vision, die für sich selbst steht, sondern | |
in erster Linie ein gewaltiges Prestigeprojekt. Mit großartigen | |
Repräsentationsprojekten aber haben die Berliner genug schlechte | |
Erfahrungen gesammelt. Die Baustelle am Schlossplatz hat das Zeug, sich zum | |
nächsten Hauptstadtärgernis auszuwachsen: Nach wie vor ist nicht sicher, | |
dass der private Förderverein, der mindestens 80 Millionen Euro an Spenden | |
für die barocken Elemente einwerben muss, die Summe zusammenbekommt. | |
Fraglich ist auch, ob Berlin mit seinem zensusbedingt minimierten Budget | |
die Kostenbeteiligung in Höhe von 32 Millionen aufbringen kann. | |
Selbst wenn alles läuft wie geplant, liegt die Messlatte, die an das | |
Humboldtforum angelegt werden wird, hoch: Die Wiese, die seit dem Abriss | |
des Palasts die Mitte des Platzes zierte, kam bei Einheimischen wie | |
Touristen gut an. Auf der Wiese kam die Stadt zu sich selbst. So ein Ort | |
will auch das Humboldtforum werden. Leicht wird das nicht. | |
7 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |