# taz.de -- "Bet- und Lehrhaus" auf dem Petriplatz: Zartes Pflänzchen Dialog | |
> Auf dem ehemaligen Petriplatz in Mitte soll ein Gebäude für drei | |
> Religionen entstehen. Architektonisch überzeugt der Entwurf, inhaltlich | |
> gibt es noch viel Gesprächsbedarf. | |
Bild: Sandfarben und ein wenig amorph: Modell des Bet- und Lehrhauses, von der … | |
"Das spielt heute keine Rolle. Nächste Frage." Die Moderatorin, eine hagere | |
ältere Dame im olivgrünen Cordanzug schneidet dem Gast mit dem wirren Haar | |
unerbittlich das Wort ab. Der kommt ihr schon die ganze Zeit in die Quere | |
mit seinen Fragen, und jetzt wollte er wissen, warum denn auf dem an die | |
Wand geworfenen Grundriss die Schwimmhalle auf der Fischerinsel nicht zu | |
sehen sei. Ob die abgerissen werde. Oder was. | |
In der Tat geht es am Dienstagabend im "Club Spittelkolonnaden" an der | |
Leipziger Straße um etwas völlig anderes. Eingeladen zu der | |
Informationsverantaltung sind Vertreter des interreligiösen Vereins, der | |
ein paar Ecken weiter auf dem historischen Petriplatz ein "[1][Bet- und | |
Lehrhaus]" für Christen, Juden und Muslime errichten will. Im Publikum, | |
dessen Durchschnittsalter gegen 60 geht, sitzen Befürworter des Projekts - | |
mutmaßlich Mitglieder der Gemeinde St. Petri-St. Marien - und | |
Berufsskeptiker, die das ambitionierte Vorhaben mit kritischen Fragen | |
bombardieren: Was ist mit den Parkplätzen? Hat die Kirche nicht schon | |
genügend Gebäude? Wird die Leipziger Straße mit Betonpollern abgesperrt, | |
weil das "Bethaus" auch eine Synagoge beherbergt? | |
Das alles können auch die Vereinsrepräsentanten und Architekt Wilfried Kühn | |
nicht abschließend beantworten. Tatsächlich tauchte das | |
Drei-Religionen-Haus im bisherigen Bebauungsplanverfahren gar nicht auf - | |
auf Wunsch des Senats, wie Roland Stolte von der Kirchengemeinde gleich zu | |
Beginn klarstellt. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe das Verfahren wegen | |
des benachbarten "Archäologischen Besucherzentrums" auf dem Petriplatz | |
beschleunigen wollen und darum empfohlen, den Bebauungsplan zu einem | |
späteren Zeitpunkt noch einmal aufzuknüpfen. "Und wo bleibt da die | |
Transparenz?", poltert einer aus der Anti-Fraktion im Publikum. | |
Transparenz ist auch nicht unbedingt ein Stichwort, das den Entwurf des | |
Architektenbüros Kühn Malvezzi beschreibt. Auf den existierenden | |
Grundmauern der letzten Petrikirche, deren Kriegsruine Anfang der 60er | |
Jahre abgerissen wurde, soll ein auf den ersten Blick eher amorphes Bauwerk | |
mit sandfarbener Ziegelfassade entstehen: ein zentraler Turm (eigentlich | |
mehr ein Quader, der im Inneren einen Kuppelsaal birgt) und drei Anhängsel | |
für die Räume der Religionsgemeinschaften, alle ohne Fenster im klassischen | |
Sinne, dafür mit diversen Schlitzen und Perforationen. Auf den Entwürfen | |
wirkt das Gebäude wie eine Mischung aus toskanischem Geschlechterturm und | |
World Trade Center - nicht unsympathisch angesichts der barocken | |
Rekonstruktionswut à la Stadtschloss. | |
Für den Fall, dass das spendenfinanzierte Gebäude tatsächlich einmal stehen | |
sollte, bleibt die Frage nach der theologischen Stabilität des Konstrukts. | |
Auch diesbezüglich bleiben am Dienstag die meisten Fragen offen. Zwar | |
preist Kadir Sanci, Vertreter der muslimischen Seite im Bethaus-Verein die | |
Vorzüge eines für alle zugänglichen Moscheeraums, in dem auf Deutsch | |
gepredigt wird, und er beteuert, man spreche, rein theologisch, 87 Prozent | |
der Muslime an. Damit meint er offenbar den weltweiten Anteil der Schulen | |
des Islams, die hier gebetsmäßig irgendwie kompatibel sind. Dass die | |
Gruppierung, die er vertritt, zur umstrittenen konservativen Gülen-Bewegung | |
gehört, sagt er nicht. Aber Roland Stolte vergisst nicht zu erwähnen, dass | |
Moschee- und Synagogenraum es rein baulich erlauben, geschlechtergetrennte | |
Zeremonien abzuhalten. | |
Von einem "Wagnis", einem "Projekt mit offenem Ausgang", mit dem man das | |
"zarte Pflänzchen des Dialogs" düngen wolle, spricht Stolte. Welche | |
Vorstellung die jüdischen Vetreter im Verein vom Dialog haben, bleibt | |
offen, denn von ihnen ist niemand erschienen - witterungsbedingt, wie heißt | |
es. | |
"Und was passiert, wenn es mit dem Dialog nicht klappt?", ruft einer aus | |
der Querulantenfraktion, "was wird dann aus dem Gebäude?" Lachen im | |
Publikum, "Richtig!"ruft jemand. Offenbar gibt es auch bei den Anwohnern | |
noch genügend Dialogbedarf. | |
20 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://bet-lehrhaus-berlin.de/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prösser | |
## TAGS | |
Christentum | |
Wiederaufbau | |
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