# taz.de -- Schwul-lesbische Fußball-EM: Freistoß statt Zuchthaus | |
> Zum zweiten Mal findet die schwul-lesbische Fußball-Europameisterschaft | |
> in Dublin statt. Bis 1993 war Homosexualität in Irland illegal. | |
Bild: „Das Coming-out hat viel Strahlkraft. Die USA und England sind uns da w… | |
DUBLIN taz | Am Ende gewinnt wieder Manchester – aber nicht United oder | |
City, sondern Village Manchester. Durch einen 2:1-Sieg gegen die Dublin | |
Devils wird das Team [1][schwul-lesbischer Fußball-Europameister]. Bei den | |
Frauen besiegt Alternativa aus Russland im Elfmeterschießen die London | |
Lesbian Kickabouts. | |
Es ist die zweite Auflage des Turniers. Vor zwei Jahren spielte man in | |
Manchester, diesmal waren die Dublin Devils Veranstalter, Irlands einziger | |
schwuler Fußballverein, gegründet 2005. Anders als bei den Profiverbänden | |
vergibt die International Gay and Lesbian Football Association die | |
Austragungsorte nach der Qualität der Bewerbungen, Bestechungsgelder werden | |
nicht gezahlt. | |
Und Dublin bietet dank der Semesterferien ideale Übernachtungsmöglichkeiten | |
in der Dublin City University, nur fünf Minuten vom Sportgelände mit vier | |
Fußballplätzen entfernt. | |
„Wir finden, dass es wichtig ist, das Turnier in Irland auszutragen, weil | |
wir dadurch stärker wahrgenommen werden“, sagt Francis Fitzgibbon vom | |
Organisationskomitee. Bis 1993 war Homosexualität in Irland illegal und | |
wurde mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Erst als die spätere | |
Präsidentin Mary Robinson mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof für | |
Menschenrechte Erfolg hatte, schaffte die Regierung das Gesetz ab. | |
## 50 Minuten pro Match | |
An der EM nehmen 30 Teams teil, gespielt wird in mehreren Divisionen. In | |
der ersten sind die Teams vertreten, die zu Hause in Ligen spielen; in der | |
zweiten Staffel spielen die Freizeitfußballer; die Spiele der dritten | |
Division finden auf einem Kleinfeld mit jeweils sechs Spielern statt, dazu | |
kommt die Division für Frauen. Da das Turnier nur zwei Tage dauert, müssen | |
die Teams am ersten Tag gleich alle Gruppenspiele absolvieren – allerdings | |
nur 50 Minuten pro Match, lediglich in der ersten Staffel werden 80 Minuten | |
gespielt. | |
Aus Deutschland sind drei Teams am Start: Vorspiel Berlin, das in der | |
Division I im Halbfinale gegen Gastgeber Dublin im Elfmeterschießen | |
verliert. Bei den Frauen Magix Berlin, die ihre Gruppe im Mittelfeld | |
beenden. Und die Ballboys aus Hamburg, die in der zweiten Division | |
antreten. „Obwohl es Fortschritte gibt, ist Diskriminierung im Fußball | |
längst nicht überwunden“, sagt Ballboys-Abteilungsleiter Carsten Stock. | |
„Jedes dieser Turniere trägt dazu bei, eine Öffentlichkeit herzustellen und | |
Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben abzubauen.“ Fußball umwehe noch | |
immer die Aura der Männlichkeit, da passen schwule Spieler nicht ins Bild, | |
sagt Spielertrainer Steffen Fischer. | |
Macht der US-Nationalspieler Robbie Rogers, der sich im Februar als schwul | |
outete und nach dem zwischenzeitlichen Rücktritt nun wieder für Los Angeles | |
Galaxy spielt, einen Unterschied? Immerhin war er der erste offen schwule | |
Spieler in einer US-Profiliga. „Es ist ein Signal“, sagt Stock, „aber für | |
die Bundesliga hat es wenig Bedeutung. Dafür sind die USA zu weit weg.“ | |
## „Ich wollte selbst spielen“ | |
Alexander von Beyme, der Pressesprecher der Ballboys, ist optimistischer: | |
„Das Coming-out hat viel Strahlkraft. Die USA und England sind uns da weit | |
voraus, aber wir haben auch Unterstützung in Hamburg. Wir hatten schon | |
Gastredner vom HSV und von St. Pauli auf unseren Veranstaltungen.“ | |
Von Beyme ist vor 14 Jahren, man mag es kaum glauben, über Hertha BSC zum | |
Fußball gekommen. „Damals war ich 22, ich habe in Berlin gewohnt und beim | |
Radio gearbeitet“, sagt er. „Ich war für die O-Töne beim Fußball zustän… | |
Im Laufe der Zeit wurde ich Hertha-Fan, und dann wollte ich selbst | |
spielen.“ | |
Für die Ballboys Hamburg reicht es in Dublin nicht, sie verlieren zwei | |
ihrer drei Gruppenspiele, gegen die London Titans und Bafana Bafana, und | |
spielen am Ende gegen die Boston Strikers – es ist eine offene | |
Europameisterschaft – um Platz fünf. Das muntere Spiel entscheidet der | |
schwache Schiedsrichter: Er pfeift nach einer vorbildlichen Hamburger | |
Grätsche Freistoß für Boston, und der führt zum einzigen Tor. | |
Möglicherweise ist der Schiri übervorsichtig, weil auf dem Nachbarspielfeld | |
Krankenwagen vorgefahren waren. Zwei Spieler waren beim Kopfballduell | |
zusammengerasselt – zwei Jochbeinbrüche. | |
Hamburgs Trainer Fischer ist mit dem sechsten Platz nicht zufrieden. „Wir | |
können besser spielen“, sagt er, aber bei dem Turnier geht es ja auch um | |
ein Treffen der „Community“. Man sei wie eine große Familie, meint von | |
Beyme und fügt hinzu: „Schließlich gelten wir Fußballer selbst bei Schwulen | |
als Exoten.“ | |
16 Jun 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.euro2013dublin.com/ | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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