# taz.de -- Gregor Gysi über Rot-Rot-Grün: „Entweder jetzt oder 2017“ | |
> Der letzte Parteitag der Linken in Göttingen war ein Wendepunkt, sagt | |
> Gregor Gysi. Zu Lafontaine habe er „ein sachliches Verhältnis“. | |
Bild: Die Voraussetzungen für eine rot-rot-grüne Regierung: Eine Mehrheit, pa… | |
taz: Herr Gysi, ist Ihnen langweilig? | |
Gregor Gysi: Nein, wieso? Wahlkampf ist immer spannend. | |
Dieser Parteitag nicht. | |
Selbst wenn das so wäre, ist mir das lieber als so etwas wie der Parteitag | |
in Göttingen. Das war nicht langweilig, aber anstrengend. Zu anstrengend. | |
In Göttingen haben Sie 2012 den Westlinken „Arroganz“ vorgeworfen und in | |
der Fraktion „Hass“ entdeckt. Und jetzt ist wieder alles gut? Wie das? | |
In Göttingen hat die Partei sich erschreckt. Auch die, die sich über meine | |
Rede geärgert haben, wussten: So geht es nicht weiter. Ich wusste damals | |
nicht, ob meine Rede mobilisiert oder deprimiert. Ich wurde danach auch bei | |
Parteitagen im Westen eingeladen und dachte: Au Backe! Sie haben mich aber | |
gut aufgenommen. Göttingen hatte etwas Befreiendes. Das war ein Gewitter. | |
Wir brauchten das und haben uns danach politisiert, also gut entwickelt. | |
Sind Sie froh, dass Oskar Lafontaine bundespolitisch keine Rolle mehr | |
spielt? | |
Er ist ja Vorsitzender unserer internationalen Kommission und wird | |
hoffentlich in den Wahlkampf eingreifen. Wir waren als Fraktionsvorsitzende | |
ein gutes Team. Es gab vor Göttingen einen Konflikt. Jetzt gehen wir | |
sachlich miteinander um. Nicht so wie früher, aber sachlich. | |
Die Partei wirkt entspannt. Ist das nach all den Flügelkämpfen ein | |
Ermüdungsbruch? | |
Nein. Die Flügel, Linke in West und Ost, wissen, dass sie aufeinander | |
angewiesen sind. Sie gehen ohne die anderen unter. Das haben alle | |
begriffen. In der Bundestagsfraktion ist es auch besser geworden, | |
disziplinierter, man hört sich mehr zu. Jetzt müssen die Flügel nur noch | |
aufhören, heimlich nachzudenken, wie sie die anderen besiegen können. Das | |
kommt noch. | |
Im Westen hat die Linkspartei fast alle Landtagswahlen verloren. Entwickelt | |
sich die Partei zurück zu einer PDS plus? | |
Nein, nein. In den alten Bundesländern liegen wir in Umfragen für die | |
Bundestagswahl bei 4 bis 5 Prozent. Wann hatte eine Partei links von der | |
Sozialdemokratie dort das letzte Mal solche Ergebnisse? | |
Also alles prima? | |
Wir haben die Partei im Westen von oben aufgebaut. Es gab 2009 einen Sog, | |
aber es fehlte die regionale Verankerung. Insofern waren die letzten | |
Wahlergebnisse realer. Jetzt brauchen wir zweierlei: ein gutes Ergebnis bei | |
der Bundestagswahl und den Aufbau der Partei vor Ort. | |
Im Westen hält fast die Hälfte der Wähler die Linkspartei für eine | |
„Ostpartei, die im Westen keiner braucht“. | |
Kann sein. Auch wenn das so ist: Wir verlieren nicht im Osten, wenn wir im | |
Westen gewinnen, und umgekehrt. Also: Entweder wir gewinnen in Ost und West | |
– oder wir verlieren. Gemeinsam. | |
Hat Rot-Rot-Grün noch irgendwann irgendeine Chance? | |
2013 ist es noch nicht sehr wahrscheinlich. Dafür brauchen wir drei | |
Voraussetzungen: Es muss eine Mehrheit im Bundestag geben, es muss | |
inhaltlich passen, und es muss eine gesellschaftliche Stimmung dafür geben. | |
Die gibt es jetzt aber nicht. | |
Nein, aber das kann kommen. Entweder jetzt oder 2017. | |
Das Nein der SPD klingt aber ziemlich rigoros. | |
Wenn die SPD im Herbst wieder in eine große Koalition geht, wird ihr das | |
bei Wahlen schaden. Die SPD wird neu nachdenken, ob sie es nicht doch mit | |
uns und den Grünen probiert. Ich bin sicher: Nach dem 22. September wird es | |
intensivere Kontakte zwischen Linkspartei und SPD und Grünen geben. Die SPD | |
braucht manchmal ein bisschen lange, um etwas zu begreifen. Aber diese | |
Debatte wird kommen. Ich bin mir da absolut sicher. Wenn Peer Steinbrück | |
nicht Kanzler wird, wird er in der SPD keine Rolle mehr spielen. | |
16 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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