# taz.de -- Gericht verhandelt SSW-Status: Kein Plan B in der Tasche | |
> Ab Mittwoch prüft Schleswig-Holsteins Verfassungsgericht die Befreiung | |
> des SSW von der Fünf-Prozent-Klausel. Im Extremfall könnte die | |
> Landesregierung ihre Mehrheit verlieren. | |
Bild: Der Drops ist noch nicht gelutscht: Der SSW führe die gesamte Bevölkeru… | |
KIEL taz | Zu einem „Abend der Demokratie“ lädt die Junge Union | |
Schleswig-Holstein morgen ein: In einem Lokal nahe des Kieler Landeshauses | |
gibt es Wein, Snacks und Vorträge – Thema: „Verliert der SSW seine | |
Privilegien?“. Der Abend diene dazu, sich auf ein Urteil vorzubereiten, | |
„das das politische Machtgefüge im Kieler Landtag erschüttern könnte“, | |
erklärt Frederik Heinz, Landesvorsitzender der CDU-Jugendorganisation, | |
selbstbewusst. | |
Im Oktober hatten er und drei andere JU-Mitglieder Beschwerde gegen das | |
Ergebnis der Landtagswahl eingereicht, bei der der Südschleswigsche | |
Wählerverband (SSW) mit 4,6 Prozent der Stimmen drei Sitze errang – das ist | |
möglich, weil die Partei der dänischen und friesischen Minderheit von der | |
Fünf-Prozent-Klausel befreit ist. Dieses Sonderrecht wollen die | |
Beschwerdeführer – neben den JU-Mitgliedern auch die NPD mit Unterstützung | |
der Piraten – prüfen lassen. Das Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht | |
beginnt übermorgen in Schleswig. | |
„Wir sind völlig entspannt“, sagt der SSW-Landtagsabgeordnete Lars Harms. | |
Die Vorwürfe der Beschwerdeführer seien „Blödsinn“, viele Argumente | |
sachlich falsch. „Niederlage? Daran denke ich nicht.“ Weil das im | |
Extremfall auch nicht schön wäre: Das Gericht könnte die Sonderrolle des | |
SSW bei künftigen Wahlen streichen oder sogar der Partei in der laufenden | |
Wahlperiode Mandate entziehen, was die Regierung die Mehrheit kosten würde. | |
## Stegner wettert gegen JU-Einladung | |
Für Harms ist das kein realistisches Szenario, daher sei mit den Partnern | |
SPD und Grüne kein „Plan B“ abgestimmt. Harms hält es im Gegenteil für | |
möglich, dass das Gericht die Fünf-Prozent-Klausel auf den Prüfstand stellt | |
– dafür spricht dass der Bundestag am Freitag die Hürde für dieEuropawahl | |
auf drei Prozent gesenkt hat. | |
Aber die Nervosität wächst: Die aktuelle Parlamentssitzung wird um den | |
Gerichtstermin herumgebaut, weil viele Abgeordnete in Schleswig dabei sein | |
wollen. Und auf die Einladung der JU zum „demokratischen Abend“ reagierte | |
der SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner scharf: „Geschmacklos“ sei | |
die Veranstaltung, die Verfassungsbeschwerde „von Machthunger getragen“. | |
## Nur eine Fußnote | |
Die Beschwerdeführer argumentieren, dass der SSW nicht nur für die | |
Minderheiten im Norden Schleswig-Holsteins spreche, sondern als | |
Regionalpartei für das ganze Land auftrete. Um allen Parteien gleiche | |
Chancen und allen Stimmen dasselbe Gewicht zu geben, müsse die Sonderrolle | |
fallen. Unterstützung gibt es vom Kieler Professor Joachim Krause, der | |
unter anderem die sorbische Minderheit anführt, die keine politische | |
Vertretung habe. Auch die Bonn-Kopenhagener Erklärung, mit der Deutschland | |
und Dänemark die Rechte der Minderheiten regelten, enthalte die | |
Fünf-Prozent-Klausel nur als Absichtserklärung in einer Fußnote. | |
Der Friese Harms lässt das nicht gelten: „Auch Fußnoten sind Teil des | |
Vertrags.“ Schon immer habe der SSW Politik für das ganze Land gemacht und | |
sich zu allen Fragen geäußert. Die Minderheitenthemen von einem Ombudsmann | |
oder einem gesetzten Einzelabgeordneten vertreten zu lassen, wäre das | |
Gegenteil von Integration der Minderheit, sondern würde Dänen und Friesen | |
zu „Staatsbürgern zweiter Klasse“ degradieren. | |
## Gegengutachten umfasst 2.000 Seiten | |
In einem Gutachten von 2.000 Seiten habe die Partei sich „professionell und | |
umfassend“ zu allen Vorwürfen geäußert und sie entkräftet. Die Gegenseite | |
kritisiert aber, dass die Regierung sich mit einem Gutachten in den Prozess | |
eingeschaltet hat. Einen „fahlen Beigeschmack“ verspürte Beschwerdeführer | |
Nicolas Sölter beim „Aufgebot unzähliger Juristen“, die mitgewirkt hätte… | |
„Eine Materialschlacht auf Kosten des Steuerzahlers“. | |
Offiziell sind weder die JU noch die CDU am Verfahren beteiligt. Dass aber | |
der JU-Landes- und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Heinz an der | |
Mutterpartei vorbei eine solche Klage führt, lässt sich ausschließen. So | |
geht Lars Harms davon aus, dass am Ende das Image der CDU unter dem Prozess | |
leiden werde: „Das Verfahren ist nicht juristisch, sondern politisch | |
motiviert. Schade – ich hätte gedacht, dass die CDU weiter ist.“ | |
16 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
Esther Geisslinger | |
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Minderheiten | |
Schleswig-Holstein | |
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