# taz.de -- Proteste in Brasilien: „The Games must go on“ | |
> Im Land, das 2014 die Fußball-WM ausrichten will, herrscht auf vielen | |
> Straßen blankes Chaos. Noch wil die FIFA keine Konsequenzen ziehen. | |
Bild: Straßenschlacht in Rio de Janeiro. | |
RIO DE JANEIRO dpa | Das Land des Fußballs, der weißen Strände und des | |
bunten Karnevals ist zum Protestland geworden. 356 Tage vor Anpfiff der | |
Weltmeisterschaft in Brasilien ziehen landesweit eine Million Menschen | |
durch die Straßen, um gegen Korruption, Misswirtschaft und soziale | |
Missstände zu protestieren. | |
Der friedliche Protest endet in vielen Städten im völligen Chaos. | |
Straßenschlachten, Tränengas, brennende Barrikaden, in Flammen stehende | |
Autos, ein Toter und Hunderte Verletzte – das ist die vorläufige Bilanz der | |
Protestnacht in Brasilien. | |
Die Proteste haben in Brasilien ungeahnte Dimensionen angenommen und sind | |
zum nationalen Phänomen geworden, das aus Sicht des Globo-Journalisten | |
Merval Pereira auch von der Mittelschicht des Landes getragen wird. Die | |
Menschen bekämen die Auswirkungen der Inflation und der schlechten | |
öffentlichen Service-Leistungen zu spüren und sähen in den Demonstrationen | |
einen Weg, ihrem Frust und ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. | |
„Sie wissen, warum das Leben nicht besser ist: weil die öffentlichen Gelder | |
verschwendet und gestohlen werden.“ Bei diesem Protest vertrauen die | |
Demonstranten nicht mehr auf die Parteien. In São Paulo wurden Mitglieder | |
der regierenden Arbeiterpartei PT von Demonstranten zur Seite gedrängt. Sie | |
akzeptierten weder Parteiflaggen noch Delegationen der Parteien. Auch das | |
zeigt das Misstrauen gegen das Politik-Establishment. | |
Der Historiker Francisco Carlos Teixeira von der Universität Rio vewies auf | |
die breite Agenda der Demonstranten. „Aber das ,Nein' zur Korruption“ wird | |
von den Allermeisten zuerst genannt. Die Korruption ist die zentrale Frage, | |
und wir haben es hier mit einer nationalen Bewegung zu tun." | |
## Der Unmut der Straße | |
Die politische Dimension wird auch an den Zielen der Protestzüge deutlich, | |
die fast immer vor die Amtssitze der Bürgermeister, vor Regionalparlamente | |
oder wie in Brasília vor den Nationalkongress ziehen. Präsidentin Dilma | |
Rousseff, die Anfang der Woche friedliche Proteste als Beweis für die | |
Stärke der Demokratie lobte, traf sich nach der Schreckensnacht mit | |
Ministern. Sie wird reagieren müssen. Der Unmut der Straße ist groß. | |
Die WM-Generalprobe, der laufende Confederations Cup in Brasilien, droht | |
zum Fiasko zu werden. Einstweilen lautet aber die Botschaft noch: "The | |
Games must go on" (Die Spiele müssen weitergehen). Der Fußball-Weltverband | |
FIFA bekräftigt seine Zuständigkeit innerhalb der Stadien. Außerhalb der | |
Arenen sei aber der Staat verantwortlich, und die FIFA vertraue den | |
Behörden. | |
Zwar müssen laut Rousseffs Worten "die Stimmen der Straße gehört werden". | |
Doch in der Nacht zum Freitag war vor allem der ohrenbetäubende Krach | |
explodierender Tränengasgranaten zu hören. | |
## Eine ungwöhnliche Entscheidung | |
Der Fußball ist in Brasilien zur Nebensache geworden. Das zeigte auch eine | |
ungewöhnliche Entscheidung des TV-Senders Globo: Er verzichtete am | |
Donnerstag auf die Live-Übertragung der Partie zwischen Spanien und Tahiti | |
und berichtete stattdessen über die Proteste. Bislang waren die Spiele des | |
WM-Testlaufs und daran beteiligte Personen jedoch nicht direktes Ziel der | |
Proteste gewesen. | |
FIFA-Präsident Joseph Blatter war am Mittwoch aus Brasilien zur U20-WM in | |
die Türkei abgereist. Damit hatte er sich den Unmut von Gouverneuren aus | |
dem Nordosten des Landes zugezogen, die davon ausgegangen waren, sich mit | |
dem Top-Funktionär treffen zu können. | |
In der Türkei werde Blatter "ständig über die Ereignisse und Entwicklungen | |
informiert", vornehmlich durch Generalsekretär Jérôme Valcke, hieß es. Von | |
den massiven Demonstrationen wurden FIFA und OK überrascht. "Niemand konnte | |
so etwas erwarten", sagte Milesi. | |
21 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Helmut Reuter | |
## TAGS | |
Brasilien | |
Fifa | |
Confederations Cup | |
Protestbewegung | |
Fußball-WM 2014 | |
Brasilien | |
Skinheads | |
Protest | |
Brasilien | |
Brasilien | |
Confed Cup | |
Protest | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Brasilien in Aufruhr: Präsidentin setzt auf Referendum | |
Dilma Rousseff verspricht, die Korruption zu bekämpfen und mehr Demokratie | |
zu wagen. Die rechte Opposition schäumt, während der Protest auf der Straße | |
weitergeht. | |
Unruhen in Brasilien: Rechte okkupieren Linken-Protest | |
Auch Ultrarechte mischen bei den Protesten in Brasilien mit – und | |
profitieren von Streitereien bei den Linken. Die Präsidentin macht einen | |
halbgaren Vorschlag. | |
Brasiliens Präsidentin bietet Dialog an: „Viele Dinge viel besser machen“ | |
Brasiliens Präsidentin Rousseff hat den Demonstranten einen Dialog | |
angeboten. Die Fußball-Weltmeisterschaft müsse aber wie geplant | |
stattfinden. | |
Kommentar Unruhen Brasilien: Wir haben euch nichts mitgebracht | |
Der brasilianische Alltag ist untragbar geworden. Deshalb gehen viele | |
erstmals auf die Straße. Politische Konzepte fehlen. | |
Gewalt bei Protesten in Brasilien: Volksfest gegen den Staat | |
In Brasilien protestieren mehr als eine Million Menschen gegen Korruption. | |
Bei Kämpfen mit der Polizei werden Hunderte verletzt. | |
Protest do Brasil: Weg mit der Corrupção! | |
Während des zweiten Confed-Cup-Spiels der Seleção wird vor dem Stadion | |
geknüppelt. Das Team sympathisiert mit dem Protest, die Fronten verhärten | |
sich. | |
Etappensieg für Demonstranten: Billiger Busfahren in Brasilien | |
Der Protest zeigt Wirkung: Die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr | |
in Brasilien werden zurückgenommen. Das schafft neue Probleme. |