# taz.de -- TV-Show für Jungpolitiker: Präsidentencasting in Palästina | |
> Die letzten Wahlen in den palästinensischen Gebieten fanden 2006 statt. | |
> Eine neue Wahl ist nicht in Sicht. Jetzt kann die Bevölkerung in einer | |
> TV-Show abstimmen. | |
Bild: Kandidatin beim TV-Casting „Al Rais“: Soaar Salman. | |
BIR ZEIT taz | Die Feierlichkeiten um den Titelgewinn von Mohammad Assaf | |
zum arabischen Superstar sind kaum vorbei, da geht es schon ins nächste | |
Realityfinale. Assaf aus Gaza gelang der Weg zum „Arab Idol“ mit Hilfe | |
seiner hübschen Stimme. Bei der Castingshow „Al Rais“ ( „Der Präsident�… | |
geht es um politische Botschaften und die Kunst, sie an den Mann zu | |
bringen. | |
Der Kandidat mit der Nummer 137 heißt Bahaa Alkhateeb. Er ist 27 Jahre alt | |
und rechnet sich gute Chancen aus, wenn am Donnerstagabend der Gewinner | |
bekannt gegeben wird. Es geht um den Titel „Präsident der Jugend“, der für | |
ein Jahr verliehen wird, und um einen Opel Astra. Alkhateeb und der | |
31-jährige Hussein A-Dik sind die letzten von 1.200 Kandidaten, die vor | |
drei Monaten zur Vorausscheidung bei dem Redewettstreit antraten. | |
Die Show ist strikt „made in Palestine“. Idee, Skript, Dekoration und was | |
sonst noch alles zu einem gelungenen Fernsehabend gehört, stammt aus der | |
Feder von Mitarbeitern des Maan Network, einer „unabhängigen | |
Medienorganisation“, wie es auf der Webseite heißt, die „non-profit“ | |
arbeitet und ihr Hauptquartier in Bethlehem hat. Raed Othman ist der | |
Produzent der Sendung, die „Einschaltquoten bis zu fünfzig Prozent | |
erreicht“, wie er aus dem Feedback schließt. „Wir haben Hunderte Anrufe | |
bekommen, darunter auch von Politikern“, sagt Othman. Sogar Präsident | |
Mahmud Abbas guckt „Al Rais“. | |
In jeder Sendung bleiben zwei Kandidaten auf der Strecke. „Bei der Jury bin | |
ich immer weit vorn“, prahlt Alkhateeb, „aber das Publikum ist für | |
Hussein“. Jede Show stellt die Präsidentschaftsanwärter vor eine neue | |
Aufgabe. Mal heißt es, in die Schuhe des Botschafters in Ankara zu | |
schlüpfen, mal den Posten des Generaldirektors eines großen | |
Wirtschaftsunternehmens zu übernehmen. | |
## Beliebt: Israel-Bashing | |
Charismatisches Auftreten, Argumente und Schlagfertigkeit sind gefragt. Die | |
Jury fordert die Kandidaten heraus. Da müssen Lösungsmodelle her und | |
Krisenmanagement für die aktuelle Politik. Die meisten halten sich an den | |
Konsens. Gegen die israelische Besatzung zu polemisieren, macht sich immer | |
gut. Hussein A-Diks Botschaft ist der Appell an das eigene Volk, die | |
Initiative zu ergreifen und aktiv mitzuarbeiten am Aufbau des Staates | |
Palästina. | |
Bahaa Alkhateeb gefiel die Rolle des Gesundheitsministers am besten. Gleich | |
ist er in seinem Element, spricht von notwendigen Investitionen bei der | |
Ausbildung von Ärzten und von besseren Arbeitsbedingungen, um ein Abwandern | |
von Akademikern zu verhindern. | |
„Ich verfüge über Führungsqualitäten und bin überzeugend“, sagt er auf… | |
Frage nach seiner Qualifikation als Jugendpräsident. Er ist nur auf den | |
Titel erpicht. Das Auto interessiert ihn nicht. „Ich habe noch nicht einmal | |
einen Führerschein.“ Noch ist er im Bereich der Erwachsenenbildung tätig, | |
aber eines Tages, so träumt er, werde er selbst im Parlament sitzen. Die | |
Kandidaten von „Al Rais“ planten, bei den nächsten Wahlen mit einer | |
gemeinsamen Liste anzutreten. | |
## Reality und Realität | |
Das Mysterium, ob und wann es wieder einmal Wahlen in Palästina geben wird, | |
kann vermutlich nur Allah enthüllen. Im Grunde ermöglicht „Al Rais“ dem | |
Publikum, was im wahren Leben nicht geht: die Stimme abzugeben und damit | |
Einfluss zu nehmen. Für beide Kandidaten der Finalrunde soll die | |
Castingshow als Sprungbrett in die richtige Politik herhalten. Reality und | |
Realität fließen ineinander. | |
„Sobald ich 40 Jahre alt bin, werde ich an den Präsidentschaftswahlen | |
teilnehmen“, sagt Hussein A-Dik und ist damit vielleicht gar nicht so | |
unrealistisch. Schließlich sind es bis dahin noch neun Jahre. | |
26 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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