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# taz.de -- Abercrombie & Fitch: Endstation Wühltisch
> Die Modemarke Abercrombie & Fitch purzelt vom Mode-Olymp. Entthront hat
> sie sich selbst. Jetzt kann man sie zum Schnäppchenpreis im Supermarkt
> erstehen.
Bild: In ist, wer drin ist: Die jungen Adonisse vor der Hamburger Filiale freue…
BERLIN taz | Hauptsache keine Loser. Und bitte keine Übergewichtigen. Mike
Jeffries, Geschäftsführer der US-amerikanischen Bekleidungskette
Abercrombie & Fitch, hat eindeutige Vorstellungen von seinem Wunschkunden:
jung, schlank und schön. 2006 deklariert er seine Markenpolitik gegenüber
dem Internetmagazin Salon. „Grenzen wir aus? Absolut.“ Sieben Jahre später
scheint es die Marke mit dem Exklusivrecht für besonders Angesagte nicht
mehr so eng zu sehen. Abercrombie & Fitch-Kleidung landet auf dem Wühltisch
der Supermarktkette „real“.
Wie jede Modemarke, die etwas auf sich hält, verkauft Abercrombie & Fitch
nicht nur Kleidung, sondern vor allem ein Lebensgefühl. Die ewige Coolness
gibt es in mittlerweile 1.400 Geschäftsstellen, darunter achtzehn in
Deutschland, zu denen auch die Tochtermarke Hollister zählt. In der Welt
von A&F sehen alle beschämend gut aus, als kämen die Männer immer gerade
vom Training und die blutjungen Frauen vom Catwalk. Wer sich seine Kunden
schon nicht aussuchen kann, kann zumindest seine Einstellungspolitik
regulieren. Denn: Wer besagte Zielgruppe in seinen Laden locken möchte,
braucht entsprechend attraktive Angestellte.
Hani Khan entspricht nicht dem Firmenprofil. Sie trägt ein Kopftuch:
Während des Bewerbungsgespräches und vier Monate danach als Angestellte in
dem Hollisterladen eines kalifornischen Einkaufszentrums, bis der
Bezirksleiter die Filiale besucht. Khan verstoße mit ihrer Kopfbedeckung
gegen die sogenannte „Look Policy“; ihr Erscheinungsbild habe einen
negativen Einfluss auf den Geschäftsumsatz. Mithilfe der US-Bundesbehörde
für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt (EEOC) geht die ehemalige
Mitarbeiterin gerichtlich gegen ihre Entlassung vor.
Mark Knueve, Abercrombies Anwalt in diesem Verfahren, kann Mitte Juni
dieses Jahres dem kalifornischen Bundesgericht keinen Geschäftsbericht
vorlegen, der den Kündigungsgrund rechtfertigt. Stattdessen erklärt sich
das Unternehmen der Presse. Sprecher Mackenzie Bruce behauptet gegenüber
der Huffington Post, A&F diskriminiere nicht aufgrund von Religion und
lasse dessen Ausdruck - auch in Form von Kopftüchern - zu. Solange dieser
in einem vernünftigen Rahmen stattfinde.
## Mit Eigenitiative vom Kult-Label zu Trashion
In öffentlichen Entschuldigungen ist das Unternehmen nicht so
leidenschaftlich wie etwa bei der Imageprofilierung. Vergebens hatte sich
Jeffries im Mai dieses Jahres gleich zweimal zu einer halbherzigen
Entschuldigung hinreißen lassen. Der CEO reagierte damit auf die wieder
ausgegrabenen Aussagen des Salon-Interviews vor sieben Jahren.
Diskriminierung verjährt nicht. Besonders nicht, wenn innerhalb dieser
Jahre nichts getan wurde, um die Vorwürfe zu revidieren.
Dieses Mal kam Jeffries nicht so glimpflich davon und befand sich plötzlich
inmitten einer Empörungswelle. Ein 18-Jähriger initiierte eine
[1][Online-Petition], mit der Aufforderung A&F-Kleidung auch in Übergrößen
zu verkaufen. Filmemacher Greg Karber inspirierte der Aufschrei zu einer
Anti-Marketingkampagne. In einem [2][YouTube-Clip] ruft er dazu auf,
Kleidung der Marke an Hilfebedürftige zu vergeben. Karber bekam über sieben
Millionen Klicks, Jeffries das Hashtag seines Grauens
[3][#FitchTheHomeless].
Nach vier Tagen folgt der [4][Facebook-Post] des Geschäftsführers.
Abercrombie & Fitch richte zwar seine Marketingstrategie auf ein gewisses
Kundensegment aus, engagiere sich jedoch auch für Vielfalt und Integration.
„Wir stellen Leute ein, die diese Werte teilen. Wir sind komplett gegen
Diskriminierung, Mobbing, abfällige Charakterisierungen oder anderes
anti-soziales Verhalten auf Grund von Herkunft, Geschlecht, Körpertyp oder
anderen individuellen Merkmalen.“
Die kurz darauf veröffentlichten [5][Geschäftszahlen des ersten Quartals]
dieses Jahres zeigen, dass die Marke A&F nicht mehr überzeugt. Der Umsatz
in seit mindestens einem Jahr bestehenden Filialen sowie über
Onlineverkäufe ging um 15 Prozent zurück. Insgesamt verbucht Abercrombie
ein Minus von neun Prozent auf 838,8 Millionen Dollar. Dabei haben die
aktuellen Kontroversen erst Einfluss auf die Zahlen im nächsten Quartal.
## Fragwürdige Einstellungspolitik an der Grenze zur Legalität
Aufregungen um die restriktive Personalpraxis sind den Gerichten schon
länger bekannt. 2009 klagte eine ehemalige Mitarbeiterin einer Londoner
Filiale. Riam Dean hatte wegen ihrer Unterarmprothese eine Strickjacke
getragen und damit nicht mehr der internen Kleiderordnung entsprochen.
Daraufhin verbannte sie Abercrombie & Fitch vom Verkaufsraum und ließ sie
ausschließlich im Lager arbeiten. Dean bekam 8.000 Pfund Entschädigung.
Auch in Deutschland macht das Unternehmen Negativschlagzeilen. Mitarbeiter
der Frankfurter Hollister-Filiale mussten sich nach Dienstschluss einer
strengen Jacken- und Taschenkontrolle unterziehen. Daraufhin gründete sich
ein Betriebsrat, der zumindest einen Kompromiss erzielen konnte. Nun wird
[6][nach Schichtende gewürfelt,] ob der Angestellte auf Diebesgut
durchsucht werden darf.
Die ewig coole Fassade von A&F bröckelt, da es eben die Firmenpolitik ist,
die nicht in einem vernünftigen Rahmen stattfindet. Das Image der
makellosen Schönheit wird spätestens dann zum Trugschluss, wenn das
Unternehmen diesem hochgehaltenen Standard nicht annähernd gerecht wird.
30 Jun 2013
## LINKS
[1] http://www.change.org/petitions/abercrombie-fitch-ceo-mike-jeffries-stop-te…
[2] http://www.youtube.com/watch?v=O95DBxnXiSo
[3] /Video-der-Woche/!116471/
[4] http://www.facebook.com/abercrombie/posts/10151345201895378
[5] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/abercrombie-un…
[6] /Personalkontrollen-bei-Hollister/!114001/
## AUTOREN
Marie Kamprath
## TAGS
Abercrombie & Fitch
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