| # taz.de -- Arte-Doku über Drogen in den USA: Krieg gegen die Unterschicht | |
| > Der US-amerikanische Krieg gegen Drogen ist rassistisch und | |
| > diskriminierend. Das zeigt ein hervorragender Dokumentarfilm von Eugene | |
| > Jarecki. | |
| Bild: Im Gefängnis landen oft Afro-Amerikaner – wie Maurice Haltiwanger, ein… | |
| „Amerikas Staatsfeind Nummer eins ist der Drogenmissbrauch!“ Mit diesen | |
| bedeutungsschwangeren Worten ging Richard Nixon in seinem Wahlkampf 1971 | |
| auf Stimmenfang. Eugene Jarecki leitet mit diesem Zitat in seinen | |
| Dokumentarfilm „Drogen: Amerikas längster Krieg“ ein, der am Dienstag | |
| erstmals auf Arte gezeigt wird. | |
| Darauf folgen historische Aufnahmen von US-amerikanischen | |
| Staatspräsidenten, die sich einer ähnlich platten Pars-pro-toto-Rhetorik | |
| bedienen. Barack Obama setzt lieber auf die Ideale seiner unverbrüchlich | |
| freiheitsliebenden US-BürgerInnen: Demokratie, Freiheit, Aufstiegschancen, | |
| Hoffnung. | |
| Im Schatten einer Bilderflut des sogenannten „War on Drugs“, die von einer | |
| diskriminierenden und rassistischen Kriegsführung zeugen, kommt dieser | |
| Idealismus jedoch sehr zynisch daher. Seit 1971 kostete der „Krieg gegen | |
| Drogen“ über 1 Billion Dollar und führte zu 45 Millionen Verhaftungen. Der | |
| illegale Drogenkonsum blieb dennoch unverändert. | |
| Eugene Jarecki wird in eine Familie hinein geboren, die sich, vom Holocaust | |
| vertrieben, in den USA ein nicht nur menschenwürdiges, sondern sogar | |
| privilegiertes Leben aufbauen konnte. Herkunft und Haltung der Eltern | |
| prägen und sozialisieren den zukünftigen Filmemacher, großgezogen wird er | |
| jedoch von der afroamerikanischen Haushälterin seiner Familie, deren Kinder | |
| in einem Milieu aufwachsen, das keinen gesellschaftlichen Aufstieg zulässt. | |
| ## So zerstörerisch wie Drogen selbst | |
| Zunehmend erhält der heranwachsende Eugene Einblicke in die Erlebniswelt | |
| seiner Nanny und ihrer Familie, die von Gewalt und Drogen dominiert wird. | |
| Er erkennt, dass der Krieg gegen Drogen mindestens ebenso zerstörerisch auf | |
| das Leben Betroffener einwirken kann, wie die Drogen selbst. | |
| Um diese Familiengeschichte spinnt der Filmemacher ein Netz an | |
| Argumentationssträngen, um das Scheitern der US-amerikanischen | |
| Drogenpolitik nach und nach freizulegen. Er begleitet PolizistInnen, | |
| DrogenhändlerInnen, Richter und Gefängniswärter in ihrem meist | |
| frustrierenden Alltag, lässt SoziologInnen und DrehbuchautorInnen zu Wort | |
| kommen und präsentiert dadurch eine breite Spannweite an Sichtweisen, | |
| Fakten und Erfahrungen. | |
| Shanequa Benitez etwa verkauft lieber Drogen, als zur Schule zu gehen. Sie | |
| hat den Namen ihres Viertels auf ihren Arm tätowiert. Es erscheint wie eine | |
| Doppelung einer gesellschaftlichen Brandmarkung. „Ich glaube, die Leute | |
| begreifen nicht ganz, dass diese Kinder rationale Entscheidungen treffen“, | |
| so der Journalist Jonathan Kaufmann. Und auch Autor David Simon („The | |
| Wire“) scheut sich nicht die Realität zu benennen: „An einer Straßenecke | |
| Drogen zu verkaufen ist genauso vernünftig als würde man für die einzige | |
| Firma in einer bestimmten Stadt arbeiten“. | |
| ## Der einzige funktionierende Wirtschaftszweig | |
| Tatsächlich ist in manchen Stadt- und Landesteilen der Drogenhandel der | |
| einzig funktionierende Wirtschaftszweig. Mit Chancengleichheit hat so eine | |
| Lebensrealität freilich nichts zu tun. Auch für den Bundesrichter Marc | |
| Bennet steht außer Frage, dass die Strafgesetze überproportional auf Arme | |
| und Minderheiten angewendet werden. | |
| Das provokativste Statement gibt aber schließlich der Historiker Richard | |
| Lawrence Miller ab. Er entlarvt den „Krieg gegen Drogen“ als eine | |
| systematische Zerstörung der einfachen Bevölkerungsschicht. Analytisch legt | |
| er die historische Entwicklung amerikanischer Drogengesetze dar, die sich | |
| stets dann verschärften, wenn dafür eine möglichst hohe Anzahl an | |
| MigrantInnen belangt werden konnte. Ein „Holocaust in Zeitlupe“ sei das, | |
| kommentiert David Simon die Worte des Wissenschaftlers. | |
| Eugene Jareckis Dokumentation ist ein Film über einen nicht enden wollenden | |
| Klassenkampf. Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher – „Drogen: Amerikas | |
| längster Krieg“ gewann unter anderem den Großen Preis der Jury beim | |
| Sundance Film Festival – will jedoch mehr als nur politisch anzuklagen. | |
| Ausgehend von seinem persönlichen Umfeld zieht er argumentativ weite Kreise | |
| und bastelt aus wissenschaftlichen Fakten, emotionalen Statements und einem | |
| entlarvenden Sinn für Zusammenhänge eine ausgedehnte und fundiert | |
| recherchierte Reportage. | |
| Arte, 2. Juli, 20.15 Uhr: „Drogen: Amerikas längster Krieg“ | |
| 2 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Laura Wösch | |
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