Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krimikomödie über Rassismus: Revolver im Rucksack
> Schlauer als erwartet: Der Einserschüler Malcolm kämpft in Rick Famuyiwas
> „Dope“ gegen Klischees vom schwarzen Jugendlichen.
Bild: Das Trio Malcolm, Diggy, Jib in voller Fahrt
Seine Nineties-HipHop-Frisur – ein waschechter „hi-top fade“ – lässt n…
unbedingt darauf schließen, aber Malcolm (Shameik Moore) ist ein
Einserschüler. So gut sind seine Noten, dass er denkt, er könne sich fürs
Studium an der Eliteuniversität Harvard bewerben. Zum Bewerbungsprozess
gehört das Verfassen eines Aufsatzes mit selbst gewähltem Thema. Malcolms
lautet: „Der 30. November 1988, eine Recherche zu Ice Cubes ‚Good Day‚ �…
Doch sein Vertrauenslehrer von der High School zeigt sich wenig begeistert.
Malcolm soll besser etwas über sich schreiben, über seine eigene Familie
und sein eigenes Leben.
„Wie?“, fragt Malcolm zurück, „etwa so: Ich komme aus einer armen,
schwarzen Nachbarschaft mit hoher Kriminalitätsrate, bin von einer
alleinerziehenden Mutter großgezogen worden und habe meinen Vater nie
kennengelernt … Das ist so ein Klischee!“
Der Aufsatz über Ice Cube dagegen, der sei etwas Persönliches, sei ein
Herzensprojekt und zeige doch den Harvardleuten, dass er jemand Besonderes
sei. Statt beim Harvard-Zulassungskomitee will sich Rick Famuyiwas Film
„Dope“ beim Publikum beliebt machen und wendet dabei eine ganz ähnliche
Strategie an wie seine Hauptfigur. Um dem Klischee zu entkommen, „Film über
schwarze Jugendliche, die es schwer haben, aus ihrem
kriminalitätsverseuchten Viertel herauszukommen“, schlägt er mutig die
konträre Richtung ein – und landet dabei bei zahlreichen anderen Klischees.
In der Tat häuft „Dope“ schon in der ersten Minuten so viel davon an, dass
man sie einzeln genommen gar nicht mehr störend findet. Womit Famuyiwa sein
Ziel erstaunlich effektiv erreicht hat: Die Dinge verkehren sich, nicht
unbedingt in ihr Gegenteil, aber statt mäßige Empathie und Mitleid mit dem
tapferen schwarzen Schulkind hervorzurufen, wird Malcolm binnen Kurzem ein
ziemlich interessanter Charakterkopf.
## Die obertaffe Lesbe
Und statt darum zu bangen, ob er „es“ wohl schafft, fiebert man mit ihm
mit, drückt ihm die Daumen, setzt auf ihn. Und das Schöne ist, dass Malcolm
nicht enttäuscht, er erweist sich als schlaues Kerlchen, am Ende als
tatsächlich noch ein bisschen schlauer, als man es zu Anfang gedacht hätte.
Aber noch einmal alles auf Anfang: Malcolm also ist im Abschlussjahrgang
der High School, wo seine besten Freunde Jib (Tony Revolori, der als
großäugiger Page in Wes Anderson „Grand Budapest Hotel“ Furore machte) und
Diggy (Kiersey Clemons) sind, beide in ihrer Teenager-Kaltschnäuzigkeit
keineswegs klischeelose Gestalten: Jib ist ein zur Feigheit neigender
Schlaumeier, der darauf hinweist, dass er „zu 14 Prozent Afrikaner“ sei;
Doggy gibt die obertaffe Lesbe, deren Verwandtschaft sich sonntäglich um
sie herum versammelt, „to pray away the gay“.
Das Trio schwärmt für 90s-HipHop mit allem, was dazugehört, dem Vinyl, den
BTX-Rädern und dem Slang. Sie gelten als „geeks“ an ihrer Schule, als
schwächliche Sonderlinge, die „weißen Scheiß“ mögen, wie gute Noten hab…
damit man später studieren kann.
Das alles und noch etwas mehr erzählt eine Stimme aus dem Off, die dem
ganzen Procedere eine ironische Distanz verleiht, gerade weil sie dabei so
wahnsinnig ernst bleibt. Was ein wenig wie eine soziologische Studie
beginnt, dreht sich alsbald in eine krude, aber durchweg charmante Mischung
aus Screwball- und Krimi-Komödie. Malcolm wird vom Schul-Bully bedroht, was
die drei dazu bringt, einen anderen Heimweg nehmen zu müssen, wo sie dem
Drogendealer Dom (Rakim Mayers) und seiner Angebeteten Nakia (von Zoe
Kravitz mit feiner, empfindsamer Entschiedenheit verkörpert) in die Arme
laufen.
## Hit beim Sundance-Festival
Eins ergibt das andere, und Malcolm und seine Freunde werden zu Doms
Geburtstagsparty eingeladen, wo ein Deal schiefgeht, was dazu führt, dass
Malcolm in seinem Schulrucksack plötzlich ein paar Kilo Drogen und einen
Revolver spazieren fährt.
Seine zunächst verzweifelten und dann immer schlaueren Versuche, die Drogen
wieder loszuwerden, strukturieren von da an den Film: als wildes Auf und Ab
von unglücklichen Zusammenhängen und geschickt herbeigeführten Zufällen.
Genau vor einem Jahr galt „Dope“ als einer der großen Hits beim
Sundance-Festival.
Kritik und Publikum schwärmten vom „Cross-over-Appeal“ der energiegeladenen
Coming-of-Age-Komödie. Ein „Bieter-Krieg“ brach um die Verleihrechte aus.
Beim Start in den USA im Juni aber verschwand der kleine Film schnell
hinter den Schlachtrössern des Sommer-Blockbuster-Kinos wie „Jurassic
World“. Was sehr schade ist, denn eigentlich müsste „Dope“ auch in den
aktuellen Diskussionen um den Mangel an Vielfalt bei den Oscars eine Rolle
spielen.
Sicher, vielleicht ist der Film ein bisschen zu sehr um Coolness bemüht,
schlägt mit zu vielen Anspielungen auf Popkultur und Hiphop-Welt einst und
heute zu Buche und ist überhaupt als Ganzes ein bisschen „too much“. Aber
die Einzelteile, die ansteckend spielfreudigen Schauspieler, die präzis
beobachteten Momente der Alltagskultur, die Verweigerung von jeder
Sentimentalität, das alles ganz sich mehr als sehen lassen.
28 Jan 2016
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Harvard
Schwerpunkt Rassismus
Homophobie
Film
Drogendealer
Sundance Festival
Schwerpunkt Rassismus
Spielfilm
Drogen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Sprachkritik: Gefühlte Argumente
An US-Universitäten wird Sprachkritik zunehmend zur Wortpolizei. Selbst
hehre Absichten zerschellen an den Klippen der Empfindsamkeit.
Kino-Thriller „Mittwoch 04:45“: Koks gegen die Müdigkeit
Die Griechenlandkrise mit den Mitteln des Neo-Noir inszenieren: der
Thriller „Mittwoch 04:45“ und sein zahlungsunfähiger Held.
Arte-Doku über Drogen in den USA: Krieg gegen die Unterschicht
Der US-amerikanische Krieg gegen Drogen ist rassistisch und
diskriminierend. Das zeigt ein hervorragender Dokumentarfilm von Eugene
Jarecki.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.