# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Eingekesselt in Homs | |
> In der umkämpften Stadt gibt es keinen Strom, kein Gas, keine frischen | |
> Lebensmittel und auch keine Müllabfuhr mehr. Und ständig wird geschossen. | |
Bild: Leben in Trümmern: Kinder in Homs | |
HOMS taz | In Homs von einem Stadtviertel in das nächste zu telefonieren, | |
kann dauern. Es gibt keinen Strom, und das Mobilfunknetz bricht ständig | |
zusammen. Endlich ist der 75-jährige Priester Franz von der Lecht am | |
Apparat, der seit über einem Jahr in der Altstadt eingekesselt ist. Er | |
hatte gerade kurz sein Handy eingeschaltet. | |
Früher leitete der Niederländer Von der Lecht ein Projekt in einem Kloster | |
in al-Kussair. Die Mönche dort arbeiteten mit behinderten Kindern und | |
Jugendlichen und bauten Wein an. Das alte Kloster wurde zerstört während | |
der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen. Nach der | |
Eroberung durch die Armee Anfang Juni liegt ganz al-Kussair, 40 Kilometer | |
von Homs entfernt, in Schutt und Asche. | |
Von der Lecht lebt jetzt in Alhamedia, dem christlichen Viertel in der | |
Altstadt von Homs. Von seiner Bleibe aus blickt er auf das zerstörte | |
Restaurant Aldar, nur ein Beispiel für Hunderte berühmter Gebäude, die | |
während der Kämpfe getroffen wurden. | |
„Wir sind die letzten 75 Christen in der Altstadt von Homs und ich bin ihr | |
Priester“, sagt Von der Lecht am Telefon. Im Hintergrund sind Schüsse und | |
Explosionen zu hören. „Wir brauchen Hilfe. Seit über einem Jahr sind wir | |
eingekreist von der syrischen Armee und besetzt durch die Freie Syrische | |
Armee.“ Dennoch feiern sie jeden Sonntag einen Gottesdienst mit 50 | |
Teilnehmern. „Wir bekommen seit über einem Jahr keine frischen Lebensmittel | |
mehr, wir überleben nur durch Konserven, Bulgur, Nudeln und Reis. Es kommt | |
nichts mehr von außen rein.“ | |
## Einschußlöcher in der Wand des Kinderzimmers | |
Das Nachbarviertel Alzahraa liegt in Sicht- und Hörweite zur Altstadt. Von | |
hier aus sind die Detonationen zu hören, die das Zimmer erbeben lassen, vom | |
Balkon aus sieht man schwarzen Rauch aufsteigen. In der Wohnung des | |
Architekten Mohammed N. wurden die Fenster schon mehrmals von Kugeln | |
durchsiebt. Im Kinderzimmer sieht man Einschusslöcher in der Wand. Das | |
Nachbarhaus wurde durch einen Raketeneinschlag stark beschädigt und ist | |
unbewohnbar. Damit nicht geplündert wird, patrouillieren Schabiha, | |
Angehörige einer paramilitärischen regimetreuen Bürgerwehr, vor dem Haus. | |
Auf der Straße türmen sich die Müllsäcke. Es stinkt bestialisch. Die | |
Müllabfuhr funktioniert nicht mehr. | |
Mohammed ist arbeitslos. Sein Architekturbüro wurde geplündert und | |
demoliert. Er ist auf die Solidarität seiner Umgebung angewiesen – ein | |
arbeitsloser Architekt in einer zerstörten Stadt, in der nicht mehr gebaut | |
wird. Mohammeds Frau kann seit Monaten nicht mehr kochen. Es gibt kein Gas | |
mehr. Und wenn es welches gibt, auf dem Schwarzmarkt, dann ist es | |
unbezahlbar. Dieser Tage kursiert ein Witz: „In Homs kannst du eine Frau | |
nur noch heiraten, wenn du ihr einen Gasbehälter als Mitgift geben kannst | |
anstelle von Goldschmuck.“ | |
## Entführungen und Scharfschützen | |
In Alwar, der Neustadt, ist die Lage ebenfalls schlimm: 70.000 Menschen | |
leben dort auf einer Fläche, die 500 bis 800 Meter breit und fünf bis sechs | |
Kilometer lang ist. Unter ihnen sind 5.000 bis 6.000 Kämpfer der | |
Aufständischen. Jeden Tag werden Menschen entführt oder von Scharfschützen | |
erschossen. Samir Alschami, Fotograf der staatlichen Nachrichtenagentur | |
Sana, floh Anfang Mai aus Alwar. Er hat Unterschlupf bei einem Kollegen | |
gefunden. Aufständische verkündeten im Internet, sie wollten ihn töten. | |
Das Stadtzentrum und das Viertel Alchalidia sind gesperrt, seit anderthalb | |
Jahren wird dort gekämpft, alle Zivilisten wurden zwangsevakuiert. Das | |
Viertel Baba Amr, ehemals eine Hochburg der Aufständischen, ist zerstört. | |
Gekämpft wird auch im Viertel Bab Alsebaa. Die Soldaten der syrischen Armee | |
versuchen, Haus für Haus und Straße für Straße zurückzuerobern. In einer | |
Kirche, deren Dach durch den Einschlag einer Rakete zerstört wurde, scheint | |
die Sonne auf die Helme der Soldaten. Neben einer Marienstatue liegt ein | |
Teil einer Rakete. „Warum unterstützt Europa Terroristen in Syrien, die | |
Christen ermorden und Kirchen zerstören?“, fragt einer der Soldaten in dem | |
Gotteshaus. | |
3 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Lejeune | |
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