# taz.de -- Afrikanische Flüchtlinge machen Ausstellung: „Wir wollen unser L… | |
> Mit einer Ausstellung machen die afrikanischen Flüchtlinge, die seit | |
> sechs Wochen in der Hamburger St. Pauli-Kirche leben, auf ihre Situation | |
> aufmerksam. | |
Bild: "Wieder arbeiten und ein selbstbestimmtes Leben führen" - das ist Andrea… | |
Überfüllte und spartanisch ausgestattete Holzboote treiben mitten auf hoher | |
See, Menschen stehen dicht gedrängt hinter Gitterstäben – schon die Bilder | |
allein sprechen eine bedrückende Sprache. Und Andreas kennt diese Bilder | |
nur zu gut. Er ist einer der 80 afrikanischen Flüchtlinge, die | |
vorübergehend eine Bleibe auf St. Pauli gefunden haben. | |
In der Kirche am Pinnasberg schlafen, essen, diskutieren sie – und zeigen | |
nun im Rahmen einer Ausstellung die Stationen ihrer Flucht in die | |
Europäische Union. „Wir müssen die Menschen aufklären. Viele Hamburger | |
wissen gar nicht, was wir durchgemacht haben“, sagt Andreas. | |
Der 30-Jährige will erzählen: vom Bürgerkrieg in Libyen, der beschwerlichen | |
Flucht über das Mittelmeer, vom Leben in den italienischen | |
Flüchtlingslagern. Im Juni 2011 kommt der Ghanaer auf der italienischen | |
Insel Lampedusa an. Seinen Bruder hat er in den Wirren des libyschen | |
Bürgerkriegs verloren, er ist ganz allein. Viele Bootsflüchtlinge stranden | |
auf Lampedusa und geraten direkt in die Mühlen des italienischen | |
Asylsystems. So auch der Andreas: Er landet in einem Asyllager in Mailand. | |
40 Männer in einem Raum, kaum etwas zu essen, Gewalt durch die Wächter: So | |
sah der Alltag aus, fast ein Jahr lebt er dort. „Wir waren Gefangene ohne | |
Rechte, niemand hat sich für uns interessiert.“ Andreas will nicht länger | |
Opfer sein, geht bis nach Rom, um zu protestieren: ohne Erfolg. | |
Italien schiebt die Verantwortung für die Flüchtlinge ab, Beamten drücken | |
ihm ein Touristenvisum und 500 Euro in die Hand. In Hamburg lebt Andreas | |
auf der Straße, bis Pastor Sieghard Wilm von der St.Pauli Kirche ihm eine | |
Unterkunft anbietet. | |
In der Kirche kommen die Flüchtlinge erstmals zur Ruhe. Die verstörenden | |
Bilder im Kopf aber bleiben. „Die Männer sind schwer traumatisiert, haben | |
Freunde und Familienmitglieder sterben sehen“, sagt Martin Dolzer. Der | |
Soziologe und Menschenrechtler hat Gruppengespräche mit den Männern | |
geführt. Ihre Berichte bilden den Rahmen der Ausstellung und werden durch | |
Zeitungsartikel und wissenschaftliche Gutachten ergänzt. | |
Politische Zusammenhänge erklären und Vorurteile aus dem Weg räumen, wie | |
wichtig das ist, weiß Pastor Wilm. Die Solidarität in der Nachbarschaft sei | |
zwar immer noch groß, Drohanrufe und rassistische Beschimpfungen blieben | |
aber nicht aus, sagt er. „Nach Berichten in den Boulevardmedien war es | |
besonders schlimm.“ | |
Können die Flüchtlinge in Hamburg bleiben? Das wird auch unter den | |
Besuchern der Kirche immer wieder rege diskutiert. Der Senat will die | |
Flüchtlinge nach Italien abschieben, da dort die Zuständigkeit für die | |
Asylbewerber liege. Dabei hätte die Politik mehr Spielraum, als bisher | |
eingeräumt wurde: In italienischen Lagern werden Menschenrechte verletzt, | |
das haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte und der europäische | |
Menschengerichtshof erklärt. Nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes | |
könnte den Flüchtlingen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen | |
erteilt werden. | |
Andreas hat in seiner Heimat Ghana Marketing studiert, für eine | |
Versicherungsagentur gearbeitet. Mit dem Bleiberecht könnte sich sein | |
größter Wunsch erfüllen: „Endlich wieder arbeiten und ein selbstbestimmtes | |
Leben führen“. | |
## Die Ausstellung „Wir wollen unser Leben zurück!“ ist in der St. | |
Pauli-Kirche am Pinnasberg zu sehen | |
14 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Annika Lasarzik | |
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