# taz.de -- Russland und die Ukraine blockieren: Antarktis-Konferenz gescheitert | |
> Eiszeit in Bremerhaven: Über die Ausweisung von Meeresschutzzonen vor der | |
> Antarktis gibt es keine Einigung. Aktivisten kritisieren auch Norwegen. | |
Bild: Sie hat natürlich mal wieder niemand eingeladen: Die betroffenen Antarkt… | |
STOCKHOLM taz | Der Anlauf zur Ausweisung umfassender Meeresschutzgebiete | |
vor den Küsten der Antarktis ist zunächst gescheitert. Auf der zweitägigen | |
Sondersitzung der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze in | |
der Antarktis (CCAMLR) blockierten Russland und die Ukraine am Dienstag die | |
in diesem Gremium erforderliche einstimmige Einigung. Damit wurde der | |
Schutz eines der wichtigsten Ökosysteme der Welt vorerst ausgebremst. | |
Dennoch ist das Thema damit nicht vom Tisch: Es wurde auf die | |
CCAMLR-Jahrestagung im Oktober im australischen Hobart vertagt. „Ich habe | |
noch nie so enttäuschende Verhandlungen erlebt“, sagte | |
Greenpeace-Meeresexpertin Iris Menn. Sie war Beobachterin der Beratungen in | |
Bremerhaven, die am Dienstag endeten. | |
Die Kommission ist ein Gremium von 24 Ländern (plus die EU), die Interessen | |
an der Antarktis haben. Die CCAMLR hatte zwei Vorschläge für | |
Meeresschutzgebiete debattiert. Dabei geht es um einzigartige polare | |
Regionen, die von menschlichen Aktivitäten, industrieller Verschmutzung und | |
Überfischung noch relativ verschont sind. Australien, Frankreich sowie | |
EU-Vertreter hatten einen Antrag für eine Kette von Schutzgebieten mit | |
einer Größe von zusammen 1,63 Millionen Quadratkilometern vor der | |
ostantarktischen Küste eingebracht. | |
Die USA und Neuseeland plädierten zudem für eine 2,3 Millionen | |
Quadratkilometer große Meeresschutzregion im südatlantischen Rossmeer, in | |
der teilweise jegliche Ressourcenentnahme verboten werden sollte. Die | |
Gebiete sind insgesamt mehr als zehnmal so groß wie Deutschland oder fast | |
so groß wie die EU – und damit größer als alle bisherigen Schutzregionen | |
zusammen. | |
## Interessen der Fischindustrie | |
Formal begründeten die Blockierer die Ablehnung von Meeresschutzzonen | |
damit, es fehle an ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, um eine | |
Entscheidung über deren Begrenzung zu treffen. Irritation erregte der nach | |
zehnjähriger Kommissionsarbeit zu diesem Komplex plötzlich von Moskau | |
erhobene Einwand, die CCAMLR könne grundsätzlich keine Schutzzonen | |
ausweisen, weil ein solches Instrumentarium in der vor drei Jahrzehnten | |
formulierten Meeresschätze-Konvention nicht ausdrücklich vorgesehen worden | |
war. | |
Tatsächlich stehen aber wohl vorwiegend Interessen der Fischindustrie | |
hinter der Verzögerungstaktik. Um diesen entgegenzukommen, hatte das | |
ursprüngliche Schutzzonenkonzept bereits gründlich aufgeweicht werden | |
müssen. So sollen nun auch in eigentlich geschützten Zonen Quoten vergeben | |
werden. Aber die zulässigen Fangmengen sind umstritten. Staaten mit einer | |
großen Fischereiflotte – neben Russland sind das Japan, Südkorea, China und | |
Norwegen – wollen auf ihre einträglichen Fanggründe nicht verzichten. | |
Doch die geltenden Quoten schädigen bereits die Artenvielfalt, es droht | |
Überfischung. Der Seehechtbestand würde sich so bis 2035 halbieren, wenn | |
weiterhin wie jetzt ausgebeutet werde, schätzen Schutzorganisationen wie | |
die Antarctic & Southern Ocean Coalition (ASOC). | |
Vor allem Norwegen, das in Bremerhaven die Tagungspräsidentschaft | |
innehatte, stand bei Ökoaktivisten in der Kritik. Oslo habe besonders stark | |
die Interessen seiner Unternehmen zulasten der Natur geschützt. Das Land | |
gehört beim Fischfang – große Teile der antarktischen Krillschwärme landen | |
als Fischfutter in den Zuchtlachs-Aquakulturen des Landes – wie beim | |
antarktischen Kreuzfahrttourismus zu den größeren Akteuren in der Region. | |
## Mehr als nur Schutz der Arten | |
Bereits im vergangenen Jahr hatte Oslo die Ausweisung von Schutzzonen | |
formal blockiert. Die Haltung der Norweger sei auch bedauerlich, weil die | |
Polarnation traditionell viel Einfluss habe, sagte Jim Barnes, Direktor der | |
ASOC. Die Beschuldigten wiesen die Kritik zwar zurück, „doch Rücksicht auf | |
norwegische Wirtschaftsinteressen wird immer Teil der Grundlage unserer | |
Bewertungen sein“, erklärte der norwegische Delegationsleiter Odd Gunnar | |
Skagestad. | |
Auch Australiens Klimaminister Mark Butler bedauerte das Scheitern der | |
Tagung. Mit den Schutzzonen sollten ja nicht nur die dort lebenden | |
Tierarten geschützt und die Überfischung von Arten wie dem Krill gestoppt | |
werden, sagte Butler. Die Gebiete hätten zudem zu wichtigen | |
Forschungsregionen für die Wissenschaft werden können. Hier ließen sich | |
langfristige Veränderungen der Fischbestände besonders gut messen. | |
Die Bilanz der Umweltschutzorganisationen ist gespalten. Die Experten der | |
ASOC waren „unglaublich enttäuscht“ über den Misserfolg in Bremerhaven. | |
Andererseits sagte Steve Campbell, Kampagnenleiter der „Antarctic Ocean | |
Alliance“, dass die Verhandlungen über die Ausweisung von Meeresschutzzonen | |
nun weitergehen würden. Vielleicht sei schon vor Jahresende eine Einigung | |
möglich. | |
Die ASOC überprüft derzeit, wie die bisher diskutierten Schutzzonen | |
miteinander verbunden werden könnten. Auch Deutschland will aktiv werden: | |
Die Delegierten basteln an einem Vorschlag, der das bislang noch nicht | |
geschützte nordwestantarktische Weddellmeer umfasst. | |
16 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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