Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Chancengleichheit beim Abitur: Durchgefallen!
> Ein Abitur, 16 Noten: Wer in dem einen Land mit einem Einser-Abi rechnen
> kann, wird andernorts nicht mal zum Abitur zugelassen. Ein Modellversuch.
Bild: Bunte Ergebnisfülle: Die Bundesländer gewichten beim Abi gleiche Leistu…
BERLIN taz | Vergleichbarkeit beim Abitur? Der pensionierten
Gymnasiallehrer Günter Germann aus Halle hat jahrelang beobachtet, wie sich
die Schulen des Landes auseinanderbewegen, und ist inzwischen richtig
wütend, wenn er die Kultusminister reden hört. „Abiturienten in Deutschland
haben nicht die gleichen Chancen“, sagt er. „Was die Kultusminister machen,
ist bewusste Irreführung.“
Für die taz hat Germann zwei fiktive Oberstufenschüler konstruiert. Nennen
wir sie Dennis und Marie. Es sind keine echten Fälle, aber durchaus
realistische Schülerbeispiele. Dennis ist gut in Deutsch, Mathe und
Geschichte. Auf seinem Zeugnis versammelt er in diesen Fächern Einser und
Zweier. Seine Schwäche ist Biologie, da erreicht er mitunter nur vier
Punkte, was einer 4 minus entspricht. Marie hat durchgängig schlechtere
Noten.
Die taz hat die fiktiven Kursnoten sämtlichen Kultusministerien vorgelegt
mit der Bitte, den Abiturschnitt zu berechnen. Das Ergebnis ist
erschütternd. In Hamburg erreicht Dennis einen Einserschnitt. Machte er
sein Abitur in Thüringen, schnitte er fast um eine halbe Notenstufe
schlechter ab. Nicht weil die Prüfungen schwerer, der Anspruch höher oder
der Unterricht schlechter wären, sondern allein, weil die Länder gleiche
Leistungen verschieden gewichten.
In anderen Bundesländern sind die Beispielschüler trotz ihrer ziemlich
klassischen Fächer nicht einmal kompatibel mit den bestehenden
Oberstufenverordnungen. Und in Sachsen-Anhalt würde der Beispielschüler
Dennis, in Hamburg noch Einserabiturient, wegen zu vieler schlechter
Kursnoten nicht zugelassen werden. Marie würde mit ihren Zensuren in
Sachsen-Anhalt und Thüringen scheitern, während sie in anderen Ländern noch
mit einem Zweier-Schnitt durchkäme.
## Keine Ahnung
Interessant ist die Antwort aus Brandenburg. Trotz mehrmaliger Nachfrage
sieht sich das dortige Kultusministerium nicht in der Lage, die
Schülerbeispiele zu bewerten. Die Zulassungsberechnungen würden „nicht im
Ministerium, sondern von den Oberstufenkoordinatoren mit einer speziellen
Software erstellt“, teilt ein Sprecher von Ministerin Martina Münch (SPD)
mit. „Deswegen können wir Ihnen leider nicht weiterhelfen.“ Im Klartext
heißt das: Das Ministerium hat keine Ahnung vom eigenen Abitur.
In Sachsen-Anhalt verweigert man die Antwort komplett – obwohl das
Nichtbestehen beider Schüler eindeutig nachzulesen ist, in Paragraf 38,
Absatz 4 der Verordnung der gymnasialen Oberstufe. Stephan Dorgerloh (SPD)
lässt seinen Sprecher ausrichten, der Fall sei „nicht vergleichbar“.
„Deshalb werden wir hier keine Angaben liefern. Es würde ein völlig
schiefes und auch falsches Bild entstehen, wenn das Ergebnis in einem
Artikel über die Abituranforderungen in Deutschland verwendet wird.“ Die
Kultusminister beschwören die Vergleichbarkeit – solange sie abstrakt
bleibt. Für die Reifeprüfung ist das ein Armutszeugnis.
18 Jul 2013
## AUTOREN
Bernd Kramer
## TAGS
Abitur
Kultusministerium
Zulassung
Chancengleichheit
Abitur
Bildung
Schule
Abitur
Abitur
Universität
Abitur
Abitur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schulunterricht und Klassengesellschaft: Tattoo-Studio statt Museumsbesuch
Kinder aus dem Bildungsbürgertum finden in deutschen Schulen ihre
Interessen bestätigt. Doch für andere Kinder ist Schule oft ein Ort der
Entfremdung.
Schulabschluss soll einheitlicher werden: Generalprobe fürs Zentralabi
Im kommenden Jahr wollen sechs Länder ihren Abiturienten gleiche Aufgaben
vorlegen – ein Novum. Getestet wird schon jetzt.
Chancengleichheit im Bildungssystem: Der Wille allein macht’s nicht
Die Mutter verschwand für Tage, David Chanders Noten wurden immer
schlechter. Niemand fragte nach. Trotzdem hat er es später an die Uni
geschafft.
Protestbrief an den Kultusminister: Eltern finden Abitur zu streng
In Sachsen-Anhalt haben es Schüler besonders schwer, zur Reifeprüfung
zugelassen zu werden. Fast nirgendwo gibt es so wenige Abiturienten.
Forscher übers Abitur: „Durch Vergleiche lernt man"
Ein Abitur, 16 Noten: Die Kultusminister lassen sich nur ungern in die
Karten schauen, kritisiert Bildungsforscher Ludger Wößmann.
Kommentar Abitur: Kultusminister aller Länder …
Im Abi-Chaos zeigt sich einmal mehr, wie falsch es ist, dass Bildung
Ländersache ist. Zumindest einigen sollten sich die Kultusminister.
Länderunterschiede beim Abitur: Jeder setzt seine eigene Note
Das Abitur soll bundesweit vergleichbar werden, versprechen die
Kultusminister. Doch die Wirklichkeit ist weit davon entfernt.
Doppelter Abi-Jahrgang 2013: Mensen verteilen Henkelmänner
Unis in Nordrhein-Westfalen erwarten einen Ansturm an Erstsemestern. Doch
SPD-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze redet sich die Lage schön.
Abi-Pleite in Schweinfurt: Privatschule macht dicht
Erst fielen an der privaten Fachoberschule bei den Abiturprüfungen fast
alle Schüler durch. Jetzt macht die Schweinfurter Schule ihre Pforten ganz
dicht.
Abi-Desaster an Privatschule: CSUler „stiehlt sich aus der Affäre“
Der bayerische Landtag hat sich mit den miserablen Abis an einer
Schweinfurter Fachoberschule befasst. Ein interner Bericht belastet
CSU-Kultusminister Spaenle.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.