| # taz.de -- Brand im Festsaal Kreuzberg: Billy Childish und Peaches trauern | |
| > Mit dem Festsaal Kreuzberg ist einer der prägendsten Berliner Kulturorte | |
| > der jüngeren Vergangenheit weitgehend abgebrannt. | |
| Bild: Vor dem Festsaal Kreuzberg am Sonntagmorgen | |
| In der Nacht zum Sonntag ist in Berlin der Festsaal Kreuzberg ein Opfer der | |
| Flammen geworden. „Mit bleischwerem Herzen“ melden die Betreiber auf ihrer | |
| Website, dass das Programm nach neun Jahren an diesem Ort „erst mal“ nicht | |
| weitergehen werde. „Danke an alle Mitarbeiter, Künstler, Gäste und | |
| Veranstalter. Danke, dass Ihr da wart“, heißt es weiter. Diese Danksagung | |
| lässt das Schlimmste befürchten. | |
| Der Festsaal Kreuzberg wird für lange Zeit seine Türen nicht mehr öffnen. | |
| Wie kaum ein anderer Ort ist er in Berlin sehr schnell sehr bedeutsam | |
| geworden – für den Kiez, für die Partyszene und für die parteiunabhängige | |
| Linke. | |
| Die vier Betreiber des Festsaals sind vor rund zehn Jahren aus Göttingen | |
| nach Berlin gekommen, schon dort waren sie Clubbetreiber. Göttingen war | |
| ihnen zu eng geworden; sie haben dort ermöglicht, was zu ermöglichen war – | |
| und brauchten größeren Raum. | |
| Sie haben also nicht, wie es hier üblich ist, das Barbetreiben beim | |
| Barbetreiben lernen müssen. Nicht Berlin hat sie ausgesucht, sie haben | |
| Berlin für sich gefunden. | |
| Der Festsaal war damals ein mehr schlecht als recht laufender | |
| Hochzeitssaal, in ihm standen Resopaltische mit Tischdecken, es gab eine | |
| Art Thron für die Brautpaare, und die riesige Küche erlaubte eine | |
| Bewirtschaftung für weit über hundert Personen. Es gab noch einen großen | |
| Ami-Schlitten, mit dem man das Brautpaar zum Festsaal brachte. | |
| ## Vom Hochzeitssaal zum In-Ort | |
| ## | |
| Nun fanden plötzlich neben diesen Hochzeiten Konzerte statt, ganz | |
| vorsichtig begann es, niemand sollte vertrieben werden, doch den | |
| Hochzeitsgesellschaften wurde es schon bald zu cool. Dann wurde der | |
| Festsaal peu à peu umgebaut. | |
| Eine neue Anlage wurde angeschafft, die Bühne wurde ausgebaut. Eine | |
| Garderobe kam hinzu, eine Bar für den Hof. Die eh schon professionellen | |
| Leute hinter den Bars wurden noch professioneller. | |
| Das Programm konnte sich sehen lassen, denn man zeigte, was einem selbst | |
| gefiel – und war nicht wenig. So lasen hier Harry Rowohlt und F. W. | |
| Bernstein, Rocko Schamoni und Heinz Strunk waren Stammgäste, die Goldenen | |
| Zitronen, Jens Friebe und Mutter traten auf, Billy Childish ebenso wie | |
| Peaches. | |
| Und ganz selbstverständlich kamen ebenso alle Indierockgrößen aus den USA | |
| und aus England, die sich viele andere Clubs nicht mehr leisten konnten | |
| oder wollten. Auch Schachboxen, reguläres Boxen und Wrestling fand hier | |
| einen Ort. | |
| Der Club Monarch und die Paloma Bar gehörten zum Festsaal dazu. Zusammen | |
| mit der Möbel Olfe und dem West Germany erfanden diese Clubs die Gegend | |
| rund um das Kottbusser Tor neu. Der Südblock und Café Kreuzberg kamen | |
| später hinzu. | |
| Der Kiez profitierte genauso wie Händler vor Ort und natürlich die | |
| Clubgänger von diesem neuen Partyort. Mit dem Festsaal ist nun der zentrale | |
| Ort dieser Meile weitgehend abgebrannt. | |
| 21 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Sundermeier | |
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