# taz.de -- Ärger bei Siemens: Intrigenstadl statt Weltkonzern | |
> Sogar die Kanzlerin sorgt sich: Wegen des Rauswurfs des Vorstandschefs | |
> versinkt Siemens im Machtkampf. Mit dabei: Ex-Deutsche-Bank-Chef | |
> Ackermann. | |
Bild: Kein Himmel voller Geigen: Siemens stresst sich gerade selbst. | |
BERLIN taz | „Beat GE! Beat General Electric!“ Siemensianer, die den über | |
zehn Jahre alten Leitspruch von Konzern-Godfather Heinrich von Pierer ernst | |
nehmen, konnten in den vergangenen Monaten eigentlich nur schwermütig | |
werden. Nein, die Münchner packten es einfach nicht, den großen US-Rivalen | |
des größten deutschen Mischkonzerns zu schlagen. | |
Am Montag gab es sogar Sorgenfalten von ganz oben: Kanzlerin Angela Merkel | |
ließ via Sprecher ausrichten, sie hoffe doch sehr, dass „dieses | |
Weltunternehmen wieder in ruhiges Fahrwasser gerät“. Siemens, der | |
Großkonzern mit über 165 Jahren Geschichte und weltweit 370.000 | |
Mitarbeitern in 190 Ländern, kommt derzeit nur einfach nicht richtig in die | |
Gänge. Die Konjunktur in Europa und China schleppt sich dahin. | |
Und dann hatte Konzernchef Peter Löscher auch noch richtig Pech. Gleich | |
zweimal musste Siemens binnen weniger Monate Prognosen kassieren. Zuletzt | |
am vergangenen Donnerstag per Gewinnwarnung: Siemens werde „aufgrund | |
geringerer Markterwartungen“ im Jahr 2014 nicht wie erwartet 12 Prozent | |
Umsatzrendite erwirtschaften, teilte das Unternehmen mit. Die Anleger | |
reagierten schockiert: Der Börsenkurs fiel wie ein Stein: minus sechs | |
Prozent. | |
Damit wurde es verdammt eng für Löscher. Vor sechs Jahren hatte er die | |
Leitung des von einem Schmiergeldskandal gebeutelten Großkonzerns | |
angetreten. Am Samstag verständigte sich der Aufsichtsrat auf eine Ablösung | |
des 55-Jährigen. | |
Auch heute noch läuft die Siemens-Medizintechnik glänzend, aber die Reihe | |
von Löschers Misserfolgen ist lang: Der Einkauf des | |
Labordiagnostikgeschäfts gilt als viel zu teuer. Nach der deutschen | |
Energiewende trennte sich Löscher vom französischen Atom-Partner Areva – | |
viel zu überhastet, sagen Analysten. | |
Die Münchner schafften es zudem nicht, vier Windparks in der Nordsee ans | |
Netz anzuschließen. Und auch der von Löscher hoch und heilig versprochene | |
Liefertermin für neue ICE-Züge an die Deutsche Bahn verzögerte sich um mehr | |
als ein Jahr. Zuletzt brachen in den USA Windturbinen auseinander, allein | |
die Reparatur kostet 100 Millionen Euro. Und auch mit Zukäufen hatte | |
Löscher wenig Glück: Das Solargeschäft erwies sich nach nur wenigen Jahren | |
als Flopp, der verlustreiche Zweig wurde geschlossen. | |
Unterdessen zogen die Rivalen davon. Eigentlich hatte Löscher angekündigt, | |
Siemens werde schneller als seine Konkurrenten GE, ABB oder Philips | |
wachsen. Doch das Gegenteil trat ein. | |
Löschers Nachfolger soll Finanzvorstand Josef Kaeser werden. Der | |
Niederbayer, seit drei Jahrzehnten im Konzern, nennt sich nach einem | |
US-Aufenthalt nur noch „Joe“. Wegen seines Schnauzbarts hat der Mann, der | |
in keiner Beschreibung ohne das Attribut „ehrgeizig“ auskommt, den | |
Spitznamen „Omar Sharif vom Wittelsbacher Platz“. Aber Kaeser hat die | |
Probleme der vergangenen Jahre doch mit zu verantworten, nörgeln | |
Siemens-Aktionäre. | |
## Crash im Aufsichtsrat | |
Am Mittwoch könnte es bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung zum | |
großen Crash kommen. Die Ablösung Löschers reißt nämlich tiefe Gräben in | |
den Technologiekonzern. Es geht um Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der | |
den Sturz des 2007 von ihm geholten Österreichers eingefädelt hat. Drei | |
gewichtige Vertreter auf der Kapitalseite des Kontrollgremiums stören sich | |
Insidern zufolge daran, wie Löscher jetzt herausgeschubst wird. Der | |
einstige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Allianz-Chef Michael Diekmann | |
und die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller sind gegen eine Ablösung | |
Löschers. | |
Sie glauben an Königsmord – und halten das Verfahren der Absetzung eines | |
„Weltkonzerns“ für unwürdig. Die Rede ist von einer | |
„Nacht-und-Nebel-Aktion“ – oder gar von einem „Putsch“ gegen Löscher… | |
sieht sogar danach aus, als wolle sich der Amtsinhaber doch noch im Sattel | |
halten: Die Süddeutsche Zeitung meldete, Löscher wolle nur gehen, wenn auch | |
Oberkontrolleur Cromme sein Amt räume. Offenbar plant Ackermann, auf der | |
Sitzung der Siemens-Kontrolleure Rabatz zu machen - angeblich mit dem Ziel, | |
selbst Aufsichtsratschef zu werden. | |
Viele Aktionäre halten den Münchner Intrigenstadl für völlig verzichtbar: | |
„Machtkämpfe verschärfen unnötig die Probleme von Siemens“, ärgerte sich | |
ein Fondsmanager. | |
30 Jul 2013 | |
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Kai Schöneberg | |
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