# taz.de -- Alternde Fußballprofis: Gefangen im Paradies | |
> Effenberg, Basler, Raúl – Katar gilt als Gnadenhof für alternde Profis. | |
> Dabei leiden Sportler unter denselben Regeln wie unterbezahlte | |
> Gastarbeiter. | |
Bild: Nach seiner aktiven Zeit spielte Stefan Effenberg für Katar. Zahir Belou… | |
Seit zehn Monaten steht die Gitarre in der Zimmerecke. Zahir Belounis dreht | |
während des Interviews per Skype extra seinen Laptop, damit sie kurz im | |
Bild auftaucht. Wohin auch immer es den Fußballer zieht, das Instrument ist | |
dabei. | |
Relativ spät hat er sich seinen Traum erfüllt und ist mit Mitte zwanzig | |
noch in den Profifußball eingestiegen. Belounis hat in England gespielt, in | |
seinem Heimatland Frankreich, der Schweiz und sogar in Malaysia. Meistens | |
in zweiten und dritten Ligen. Für Belounis ist die Gitarre das Symbol der | |
Freiheit, die er mit seinem Nomadenleben gewählt hat. Nun hat er sie seit | |
einem Jahr nicht mehr angerührt – seit er mit seiner Familie in Katar | |
festsitzt. | |
Im Jahr 2022 will das Emirat Katar in den Olymp des Rasensports aufsteigen | |
und die Fußballweltmeisterschaft ausrichten. Katar, das war lange auf der | |
Fußballweltkarte nicht nur ein kleiner, sondern auch ein unbedeutender Ort. | |
1963 gegründet, spielte die Star League, wie die erste Liga dort heißt, | |
lange keine internationale Rolle. Bis 2002. Dann ging Katar mit seinen | |
Erdöl-Millionen auf dem Ü30-Markt der Profiligen auf Shoppingtour. | |
## Spielen für die Scheichs | |
Als einer der Ersten kam Weltmeister Romario aus Brasilien, damals 37 Jahre | |
alt. Es folgten Gabriel Batistuta, Fernando Hierro, Mario Basler und Stefan | |
Effenberg. Aktuell spielt Superstar Raúl einmal die Woche in tropischer | |
Hitze vor leeren Rängen für die Scheichs, dazwischen gibt es Shoppen, Golf, | |
Wellness. Eigentlich ein Fußballerparadies – zumindest für die leicht | |
angegraute Elite der Zunft. Zu der gehört Zahir Belounis nicht. | |
Egal, ob unterbezahlter nepalesischer Gastarbeiter oder gut bezahlter | |
Fußballsöldner: Für alle Ausländer, die in Katar arbeiten, gilt das | |
Kafala-System. Ohne einen katarischen Sponsor respektive Bürgen gibt es | |
kein Visum, weder für die Ein- noch für die Ausreise. Mehr als hierzulande | |
ist der Spieler abhängig vom Gutdünken seines Scheichs. | |
In der Praxis heißt das: Für viel Geld werden Spieler angeworben, und wenn | |
sie nicht mehr gebraucht werden, reicht man sie an unterklassige Clubs | |
weiter. Ohne Vertrag, ohne Gage. So zumindest ist es Belounis und einigen | |
anderen Fußballprofis passiert. | |
## „Der Druck ist zu groß“ | |
Dem internationalen Gewerkschaftsbund Ituc sind derzeit zwei weitere Fälle | |
bekannt. Der eine ist Abdeslam Ouaddou, ein marokkanischer Nationalspieler, | |
der andere ein Trainer, der nicht in die Öffentlichkeit will. „Wir | |
vermuten, dass es noch mehr gibt, aber sie sich nicht ins Rampenlicht | |
trauen. Der Druck ist zu groß“, sagt ITUC-Sprecher Tim Noonan. | |
Welche Hebel die Fußballscheichs in Bewegung setzen, um das zu bekommen, | |
was sie wollen, hat Belounis einmal erlebt. 2007 kam das Angebot aus Katar. | |
Das erste „richtig gute“ seiner Karriere, wie er sagt. El-Jaish, der Club | |
des katarischen Militärs, hatte Ambitionen, wollte es in die erste Liga | |
schaffen. „Als mein erster Vertrag 2010 auslief, wollte ich wieder zurück | |
nach Europa, aber der Club wollte mich unbedingt halten“, sagt der | |
33-Jährige. | |
Man flog ihn nach Wien, besorgte ihm eine Suite in einem schicken Hotel, | |
lud ihn in ein teures Restaurant ein. „Dort, am Tisch, sollte ich auf einen | |
Zettel schreiben, was ich verdienen wolle“, sagt Belounis. „Wenn sie dich | |
wollen, tun sie alles für dich. Und genauso schnell lassen sie dich wieder | |
fallen.“ | |
Belounis blieb und führte El-Jaish als Kapitän in die erste Liga. Er bekam | |
sogar einen temporären Pass des Landes, um 2011 in der Nationalmannschaft | |
an den Militärweltspielen, einem nach olympischem Vorbild gegründeten | |
Wettkampf von Armeeteams, teilzunehmen. Sein Team wurde Dritter – und | |
Belounis bejubelt. Er hat Zeitungsbilder aus dieser Zeit ausgeschnitten. | |
Doch heute will keiner mehr etwas von ihm wissen. „Nach dem Aufstieg hat | |
man mir mitgeteilt, dass ich nun für einen anderen Club spielen muss. Sie | |
haben nicht gefragt, das war ein Befehl“, erzählt Belounis. Als man ihm | |
versprach, dass er weiterhin sein Erstligagehalt bekomme, habe er | |
schließlich mitgemacht. | |
Aber das Geld kam nie. Belounis ist mittlerweile seit 24 Monaten ohne | |
Einkünfte. Sein Arbeitgeber El-Jaish weigert sich, dem Fußballer ein | |
Ausreisevisum auszustellen. Seit nunmehr einem Jahr sitzt der | |
Mittelfeldspieler in Katar fest. Im März hat Belounis Klage eingereicht. | |
Seitdem hat der katarische Klub den Druck auf den Spieler noch erhöht. | |
„Der Verein will, dass ich ein Papier unterzeichne, in dem ich alle | |
Ansprüche fallen lasse. Dann würde ich mein Geld bekommen und auch meine | |
Spielerpapiere.“ Neuerdings fordert El-Jaish die Miete für die | |
Spielerunterkunft zurück, in der Belounis mit seiner Frau und den zwei | |
Töchtern lebt: 4.000 Euro monatlich. | |
## Kaum Unterstützung | |
Vor Gericht gibt es immer wieder Verzögerungen, die internationale | |
Unterstützung ist mager. Die Spielergewerkschaft Fifpro hat sich bisher | |
nicht eingeschaltet. In Katar gebe es keine Dependance der | |
Interessenvertretung für Fußballprofis, deswegen könne man nicht | |
einschreiten, ließ sie mitteilen. Der Weltfußballverband Fifa äußert sich | |
zu Belounis’ Fall bisher nicht offiziell, ebenso wenig wie die französische | |
Botschaft. | |
Der französische Präsident François Hollande traf Belounis zwar ganz | |
offiziell am 23. Juni, als er mit einer großen Wirtschaftsdelegation das | |
Emirat besuchte, und versprach, sich um den Fall zu kümmern. Bisher sei | |
aber nichts passiert, sagt Belounis. | |
Immerhin: Belounis wird neuerdings durch den französischen Staranwalt Frank | |
Berton vertreten, der in Frankreich bereits mehrere große Prozesse | |
durchgefochten hat. So wurde er 2008 vom damaligen Präsidenten Nicolas | |
Sarkozy mit der Verteidigung von Florence Cassez beauftragt; Cassez war in | |
Mexiko zu 60 Jahren Gefängnis wegen Mitgliedschaft in einer Entführerbande | |
verurteilt worden. Berton erwirkte ihre Freilassung aufgrund von | |
Rechtsverletzungen – eine Entscheidung, die zu Verstimmungen des | |
französisch-mexikanischen Verhältnisses führte. | |
Auch für die Beziehung mit Katar, das in Frankreich diverse wirtschaftliche | |
Engagements hält, könnte der Fall Belounis zur Belastungsprobe werden. | |
25 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Ann-Kathrin Seidel | |
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