# taz.de -- Dresdner Waldschlösschenbrücke: Bauen um jeden Preis | |
> Gegner der Elbbrücke wollen der Einweihung am Wochenende fernbleiben. Die | |
> triste Konstruktion kostete das Elbtal den Unesco-Welterbetitel. | |
Bild: Was den Stuttgartern ihr Tiefbahnhof, ist den Dresdnern ihre achte Elbbr�… | |
DRESDEN taz | Schmutziggrau duckt sie sich an die Elbwiesen, als schäme sie | |
sich für ihr Dasein. Und kurz bevor die Dresdner an diesem Wochenende, nach | |
150 Jahren unerfüllter Brückenhoffnungen und 20 Jahren erbitterten Streits, | |
endlich den Asphalt der Waldschlösschenbrücke küssen dürfen, regen sich | |
auch plötzlich die Architekturkritiker. Wenn schon Brücke, dann mutig, | |
findet der Berliner Kunstkritiker Nikolas Bernau. Also eher so etwas wie | |
das elbaufwärts gelegene „Blaue Wunder“, auch eine Brücke, aber längst | |
Dresdner Wahrzeichen, und nicht so ein feiger schlichter Bau. | |
Doch seit die eher drittklassige Stahlkonstruktion steht, ist die | |
Zustimmung zur Brücke auch wegen ihrer flachen Bauweise bei den Dresdnern | |
sogar gewachsen. Beim Bürgerentscheid 2005 befürworteten sie zwei Drittel, | |
jetzt sind es 82 Prozent. „Bürger, denen der Nimbus der Stadt wirklich | |
etwas bedeutet, waren stets in der Minderheit“, sagt Ingo Zimmermann, | |
Schriftsteller und ehemaliger Präsident der Sächsischen Akademie der | |
Künste. Wegen des Welterbe-Streits trat er aus der CDU aus. Für Zimmermann | |
ist die Brücke nicht nur wegen der Kosten von 182 Millionen Euro, sondern | |
„vor allem wegen des Titelverlusts und der Beeinträchtigung einer der | |
schönsten europäischen Stadtlandschaften maßlos überzahlt“. | |
Ungeachtet des Brückenstreits hält der Touristenstrom nach Dresden an. | |
Fraglich ist nur, ob die Besucher so wie einst Könige oder Dichter, die | |
nach Dresden kamen, beim heutigen Anblick des grauen Stahlbogens in | |
Entzücken verfallen. „Der hat den Charme eines Maulschlüssels“, sagt | |
Michael Grasemann vom Verein „Dresdens Erben“. | |
Zu ästhetischer Berühmtheit gelangte das Dresdner Elbtal vor allem durch | |
seine harmonische Bebauung der Elbhänge. Die Elbwiesen blieben frei von | |
jeglicher Bebauung, einzigartig für eine europäische Großstadt. Als 2004 in | |
China das Unesco-Welterbekomitee über die Kandidatur der Kulturlandschaft | |
Dresdner Elbtal beriet, würdigte es „die außergewöhnlich qualitätsvolle u… | |
umsichtige Entwicklung und Gestaltung eines Stadtraums“. Balsam für die | |
Seele der traditions- und heimatbewussten Dresdner. | |
## Dickicht von Täuschungen, Intrigen und gebrochenen Versprechen | |
Die Option einer Elbquerung an dieser Stelle tauchte schon einmal in einem | |
Generalbebauungsplan der Stadt von 1862 auf. Nach vernünftiger | |
Kosten-Nutzen-Abwägung aber verschwanden auch alle späteren Projekte wieder | |
von den Schreibtischen. | |
Eine Notwendigkeit gab es am ehesten in den späteren DDR-Jahren: Zwischen | |
dem Industriegelände im Norden und den neuen Plattenbauwohngebieten sorgten | |
Pendlerströme für erste Staus. Doch mit der Deindustrialisierung und dem | |
Plattenleerstand nach 1990 entfielen diese Argumente. Zugleich aber | |
herrschte nach der Vereinigung mit dem Land der Träume Aufbruchstimmung. | |
Was man schon immer mal hatte bauen wollen, musste nun gebaut werden. So | |
jedenfalls dachten konservative Wachstumsideologen. Gleichzeitig kauften | |
die Dresdner Autos, der Individualverkehr wuchs stark. | |
Eine Entlastung der existierenden sechs Stadtbrücken schien notwendig. In | |
der ersten Hälfte der Neunziger stritten die Befürworter eines dezentralen | |
Mehrbrückenkonzepts von Baubürgermeister Gunter Just (SPD) mit denen einer | |
Großbrücke am Waldschlösschen, als die CDU-Landesregierung eingriff. | |
Wirtschaftsminister Kajo Schommer erklärte 1995, ausschließlich die große | |
Waldschlösschenbrücke fördern zu wollen. Damit waren die Weichen gestellt, | |
denn ohne die 90-prozentige Landesförderung hätte die Stadt einen | |
Brückenbau nicht bewältigen können. Die Bausumme wurde damals noch mit | |
lächerlichen 139 bis 169 Millionen Mark angesetzt. | |
Was folgte, war ein auch für den Insider kaum noch zu durchschauendes | |
Dickicht von Täuschungen, Intrigen, gebrochenen Versprechen, kosmetischen | |
Änderungsversuchen, gescheiterten Bürgerbegehren, Klagen, Auflagen des | |
Regierungspräsidiums und vollendeten Tatsachen. Die Brücke geriet sowohl | |
bei Autonarren als auch bei Gegnern, Kulturleuten und Naturschützern zu | |
einem Prestigeprojekt. Von Streitkultur konnte keine Rede mehr sein. Der | |
Bürgerentscheid von 2005 änderte daran nur wenig. | |
## Stadverwaltung für Eröffnungsfeier auf Sparflamme | |
Eine neue Dimension bekam der Streit, als Nobelpreisträger Günter Blobel | |
und andere die Unesco auf mögliche Kollisionen mit dem Welterbestatus | |
aufmerksam machten. Im Juli 2006 setzte das Komitee das Dresdner Elbtal auf | |
die „Rote Liste“ bedrohter Welterbestätten. Zwei Jahre später erkannte die | |
Unesco dem Dresdner Elbtal den Welterbetitel ab. Ein bis dahin unerhörter | |
und einmaliger Vorgang. | |
Angesichts des jahrzehntelangen rufschädigenden Streits mahnt | |
Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) inzwischen zu Akzeptanz und | |
Versöhnung. Wohl auch deshalb hat die Stadtverwaltung das Bürgerfest am | |
Wochenende deutlich eingedampft. Hinzu kommt, dass zur Brückenfreigabe am | |
Montag noch immer nicht alle Klagen entschieden sein werden. Es geht sowohl | |
um Naturschutzbelange im Planfeststellungsverfahren als auch um | |
Auseinandersetzungen der Stadt mit Baufirmen um die Mehrkosten. | |
Die Brücke spaltet nach wie vor mehr, als dass sie verbindet. Der | |
Verkehrsökologe Udo Becker von der TU Dresden sieht nach wie vor „kein | |
verkehrliches Defizit, das die Notwendigkeit der Brücke begründen könnte“. | |
Trotz steigender Einwohnerzahl sinken die gefahrenen Kfz-Kilometer seit dem | |
Jahr 2000. Mit durchschnittlich 28 km/h fährt man außerdem in Dresden so | |
flüssig wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Auch angesichts der | |
absehbar drastischen Verteuerung des Verkehrs erscheint Becker bei | |
jährlichen Unterhaltungskosten von 3,76 Millionen Euro die Brücke als ein | |
Anachronismus. Hinzu kommt die ungeklärte Verkehrsverteilung auf der | |
Altstädter Seite. Die DDR wollte dafür schon einmal eine brutale Schneise | |
schlagen. Heute rechnet die Stadt zunächst mit Folgekosten von 15 Millionen | |
für den Ausbau. | |
Welterbefreunde werden ebenso wie die Grünen der Eröffnung fernbleiben – | |
aber auf weitere Proteste verzichten. Unmissverständlich spricht dennoch | |
Sebastian Storz, Vorstandsvorsitzender des Forums für Baukultur, von einem | |
„Kainsmal“ das der Brückenbau bedeute, „ein Sinnbild für die törichte | |
Erschlagung eines Kulturguts“. Naturschützer könnten zumindest durch die | |
Schutzmaßnahmen für die Kleine Hufeisernnase milde gestimmt werden, eine | |
drollige Fledermausart, die den Brückenbau fast verhindert hätte. Sie | |
bekommt ein Leitsystem, die Autofahrer ein Tempolimit. | |
## Kein heiliger Beistand | |
CDU und FDP fechten tierliebende und kulturhistorische Bedenken nicht an. | |
Sie fallen sogar ihrer Oberbürgermeisterin mit einer eigenen Brückenfete in | |
den Rücken. Wahlkampf? Na klar, sagt Bundestagskandidat Arnold Vaatz, | |
stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und wettert | |
trotz des Brückensiegs unverändert gegen den „Club“, der mit seiner | |
„dünkelhaft-elitären Überheblichkeit“ alle Zukunftsprojekte zu verhindern | |
sucht. | |
Segen von oben wird der Brücke allerdings verwehrt bleiben. In heiliger | |
Einfalt wollte die katholische Kirche nach Prager Vorbild einen | |
Brückenheiligen Nepomuk stiften. Die Kunstkommission der Landeshauptstadt | |
schonte indessen den Ruf des Märtyrers und verhinderte diese Abirrung. | |
23 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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