# taz.de -- Realitäts-Check Energie: Strompreis senken! Aber wie? | |
> Die Parteien überbieten sich mit Ideen, wie Verbraucher durch niedrigere | |
> Stromkosten entlastet werden können. Die Vorschläge im Realitäts-Check. | |
Bild: Wenn die Stromsteuer sinkt, sparen die Haushalte Geld: je nach Vorschlag … | |
Endlich hat der Wahlkampf ein Thema gefunden. Die Strompreise beschäftigen | |
derzeit alle Parteien. Sie haben in den vergangenen fünf Jahren um 30 | |
Prozent für Privathaushalte zugelegt und werden zum Jahreswechsel wohl | |
erneut steigen. Fast täglich werden Sofortprogramme angekündigt, | |
Zehn-Punkte-Pläne veröffentlicht und Gutachten vorgestellt. | |
Die taz gibt einen Überblick: Wie soll der Anstieg der Strompreise gebremst | |
werden? Was bringt das einem Durchschnitts-Haushalt finanziell? Und wie | |
realistisch ist die Umsetzung? | |
## 1. Börsenpreise weitergeben | |
Worum geht es? An der Strombörse ist der Preis in den letzten Jahren | |
deutlich gesunken – zum einen, weil immer mehr Ökostrom eingespeist wird, | |
was die Nachfrage nach sonstigem Strom senkt, zum anderen weil der | |
EU-Emissionshandel nicht funktioniert, was Kohlestrom verbilligt. Statt 7 | |
Cent im Jahr 2009 kostet etwa Strom, der ein Jahr im Voraus gekauft wird, | |
derzeit unter vier Cent. Doch diese Preissenkung kommt bei vielen Kunden | |
nicht an – vor allem nicht bei jenen 40 Prozent der Haushalte, die noch nie | |
den Anbieter oder Tarif gewechselt haben. | |
Um das zu ändern, fordert die Linkspartei, dass alle Strompreise staatlich | |
genehmigt werden müssen. Die SPD will, dass die Kartellbehörden zumindest | |
einschreiten, wenn die Grundtarife über 10 Prozent teurer sind als andere. | |
Auch Greenpeace wünscht eine solche Aufsicht, meint aber im Gegensatz zur | |
SPD, dass dafür das Gesetz geändert werden muss. Einen anderen Ansatz | |
verfolgen Grüne und Verbraucherschützer: Sie wollen die Grundversorgung für | |
jede Region ausschreiben und dadurch die Preise senken. | |
Was bringt das? Nach Greenpeace-Berechnungen könnte ein | |
Durchschnitts-Haushalt um mindestens 30 Euro im Jahr entlastet werden, wenn | |
die Grundversorger sinkende Preise weitergeben müssten. Von einer ähnlichen | |
Größenordnung gehen die Grünen aus. Die Linke hält 60 Euro im Jahr für | |
möglich, die SPD nennt keine Zahl. | |
Ist das realistisch? Ein Eingriff in die Preisgestaltung würde bei den | |
Stromversorgern auf starke Gegenwehr stoßen – sowohl bei jenen, die mit der | |
Grundversorgung hohe Gewinne erzielen, als auch bei jenen, die mit | |
günstigeren Preisen der Konkurrenz Kunden abjagen wollen. Klagen und | |
massiver politischer Druck wären darum wahrscheinlich. Doch machbar wäre | |
es, wenn der Wille und die politischen Mehrheiten da sind. | |
## 2. Stromsteuer runter | |
Worum geht es? Da ist sich die FDP mal mit Linkspartei und SPD einig: Die | |
Stromsteuer, die derzeit für Privatkunden 2,05 Cent pro Kilowattstunde | |
(kWh) beträgt, soll sinken: Auf den EU-Mindestsatz von 0,1 Cent (FDP), auf | |
0,5 Cent (Linke) oder 1,5 Cent (SPD). 0,1 Cent fordert auch das | |
Forschungsinstitut DIW – allerdings nur für die ersten 1.000 | |
Kilowattstunden im Jahr. | |
Was bringt das? Ein deutscher Durchschnittshaushalt (3.000 kWh im Jahr) | |
würde beim FDP-Vorschlag 59 Euro jährlich sparen, bei der Linken 47 Euro | |
und bei der SPD 18 Euro. Der DIW-Vorschlag würde 20 Euro im Jahr bringen. | |
Ist das realistisch? Eine Senkung der Stromsteuer würde ein Loch in den | |
Staatshaushalt reißen – zwischen 0,8 Milliarden Euro (DIW) und 7 Milliarden | |
Euro (FDP). Die müssten irgendwie gegenfinanziert oder eingespart werden. | |
Zudem ist nicht sicher, dass die Stromanbieter die Steuersenkung an die | |
Verbraucher weitergeben – ähnlich wie bei den gesunkenen Börsenpreisen | |
(siehe oben). Um wirklich effektiv zu sein, müsste die Steuersenkung mit | |
einer Strompreisaufsicht gekoppelt werden, was die Parteien mit Ausnahme | |
der FDP auch fordern.3. | |
## 3. Ökostrom billiger | |
Worum geht es? Fast alle Parteien wollen – in unterschiedlichem Ausmaß – | |
auch die garantierten Vergütungen verringern, die Betreiber von | |
Ökostrom-Anlagen bekommen. Weil die Mehrkosten dafür auf die Stromkunden | |
umgelegt werden, würde dadurch der Preisanstieg gebremst. | |
Was bringt das? Die niedrigeren Vergütungen würden allerdings nur für neu | |
gebaute Anlagen gelten; eine rückwirkende Änderung für bestehende Anlagen, | |
die CDU-Umweltminister Peter Altmaier zu Jahresbeginn vorgeschlagen hatte, | |
lehnen mittlerweile alle Parteien ab. Dadurch ist der mögliche Effekt | |
dieser Maßnahme sehr begrenzt. Denn auf neue Anlagen werden im nächsten | |
Jahr näch Schätzung des Öko-Instituts nur 7 Prozent der Ökostrom-Vergütung | |
entfallen. Selbst wenn diese deutlich reduziert würde, schlüge sich das im | |
Strompreis kaum messbar nieder. | |
Ist das realistisch? Bei Windkraft und Biogas sind geringere Zahlungen | |
möglich. Großen Effekt wird das aber nicht haben. | |
## Industrieausnahmen weg | |
Worum geht es? Viele Industriebetriebe sind von der Ökostrom-Umlage | |
teilweise befreit, ursprünglich als Schutz gegen ausländische Konkurrenz. | |
Diese Vergünstigungen, die von den übrigen Stromkunden bezahlt werden, sind | |
seit 2009 explodiert: von 0,74 auf 4,86 Milliarden. Sämtliche Parteien | |
wollen die Ausnahmen durch schärfere Kriterien verringern, allerdings in | |
sehr unterschiedlichem Ausmaß: Die Grünen wollen – ebenso wie diverse | |
Umweltverbände – über 4 Milliarden Euro streichen, die SPD nur 500 | |
Millionen. FDP und Union, die die Ausnahmen gerade erst stark ausgeweitet | |
haben, hatten im Rahmen der „Strompreisbremse“ 700 Millionen Euro | |
angeboten. Die Linke nennt keine Zahl. | |
Was bringt das? Wenn die Subventionen für die Industrie so kräftig | |
gestrichen würden, wie von den Grünen gefordert, würde ein | |
Durchschnittshaushalt um 45 Euro im Jahr entlastet, der SPD-Plan würde | |
hingegen nur 8 Euro sparen. | |
Ist das realistisch? Dass die Vergünstigungen für die Unternehmen irgendwie | |
verringert werden, ist sehr wahrscheinlich – doch vermutlich in viel | |
geringerem Ausmaß als möglich. Für ihre weitgehenden Einschnitte werden die | |
Grünen keinen Partner finden. Dafür steht auch die SPD zu sehr auf Seite | |
der Industrie. | |
24 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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