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# taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Fragen schafft Vertrauen, oder …
> Der Streit geht weiter. Doch die Einrichtung von Flüchtlingsheimen ist
> Landessache. Sollten Bürger dennoch vorher gefragt werden?
Bild: Teilnehmer einer Demonstration in Hellersdorf.
BERLIN taz | „Wir wurden nicht gefragt“, lautet eine häufige Kritik von
Anwohnern, wenn eine Flüchtlingsunterkunft in ihrer Umgebung eröffnet. Ein
Recht, gefragt zu werden, ob Flüchtlinge in der Nähe wohnen dürfen, haben
Bürger allerdings nicht.
Die Einrichtung von Flüchtlingsheimen ergibt sich aus dem Grundrecht auf
Asyl und wird von der Landesregierung veranlasst. Dennoch: Sollen Anwohner
früh über Unterkünfte in der Nähe informiert werden? Gibt es dann weniger
Proteste? Oder ist sogar das Gegenteil der Fall: Gibt man rechten
Initiativen damit die Möglichkeit, wie in Hellersdorf Stimmung zu machen?
Georg Classen vom Flüchtlingsrat hatte dazu in der taz erklärt: „Es stellt
sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Anwohner einzubeziehen.
In Mitte wurden vier Flüchtlingsheime eröffnet. Bei keinem gab es eine
Bürgerbeteiligung, es blieb überall ruhig.“ Einmal brachten Nachbarn den
Mitarbeitern sogar Blumen und bedankten sich für die wichtige Arbeit,
Flüchtlinge zu versorgen.
Lichtenbergs Bürgermeister Andreas Geisel (SPD) plädiert hingegen dafür,
die Bürger rechtzeitig zu informieren: „Das schafft Vertrauen und
Akzeptanz. Das heißt nicht, dass man es allen recht machen kann.“ In
Lichtenberg gibt es vier Asylheime, in denen knapp 1.200 Flüchtlinge
wohnen. Proteste gab es kaum – egal ob die Anwohner früh informiert wurden
oder aufgrund kurzfristiger Planung keine Zeit mehr dafür war.
Manfred Nowak von der Arbeiterwohlfahrt, die in Berlin fünf Asylheime
betreibt, sieht keinen Zusammenhang zwischen früher Information und
Bürgerprotesten. „Wir werden von der Bürgerinitiative in Reinickendorf, die
sich juristisch gegen ein Heim und gegen Flüchtlingskinder auf einem
Spielplatz wehrt, auch mit dem Argument konfrontiert, sie wären zu spät
informiert worden“, sagt Nowak.
## Dann kehrt Ruhe ein
Zwar sei wirklich spät informiert worden, weil alles schnell gehen musste.
Dennoch hält Nowak das Argument für vorgeschoben: „Die Bürgerinitiative
will die neuen Nachbarn einfach nicht. Der Zeitpunkt der Information war
völlig gleichgültig.“
Lang anhaltende Proteste gibt es in Berlin dort, wo Bürgerunmut von einer
organisierten Struktur aufgegriffen wird – in Reinickendorf von der CDU, in
Hellersdorf von der NPD. Diese Proteste verpuffen nicht so schnell – sodass
dann sogar spielende Kinder wie in Reinickendorf ein Ärgernis werden.
Wenn sich im Hintergrund keine Organisation für den Protest starkmacht und
die Bürger merken, dass Flüchtlinge weder ihre Autos klauen noch in ihre
Häuser einbrechen, kehrt deutlich schneller Ruhe ein. So habe ein Spandauer
Campingplatzbesitzer, sagt Nowak, die Befürchtung gehabt, dass Kunden
ausbleiben würden. Nun jedoch sei Ruhe: Der Mann habe keinen Resonanzboden
gefunden und gemerkt, dass seine Befürchtungen unbegründet waren.
Ines Feierabend (Linke), Sozialstadträtin in Treptow-Köpenick, plädiert
dafür, schon vor der Eröffnung neuer Flüchtlingsheime vor Ort Strukturen zu
etablieren, um Flüchtlinge willkommen zu heißen. „Ich denke an ein breites
Netzwerk aus Bürger- und Fördervereinen, Zivilgesellschaft, Vermietern,
Kirche und Politik.“
Ein solches Netzwerk solle ein Heim begleiten, das Zusammenleben
organisieren und niedrigschwellig aufklären. „Dieses Netzwerk ersetzt die
Information der Bürger aber nicht“, sagt Feierabend. Die Anwohner hätten
einen Anspruch, „ihre Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten“.
26 Aug 2013
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Flüchtlinge
Anwohner
NPD
München
Hellersdorf
Asyl
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