# taz.de -- Bochumer Schulleiter über Bezahl-Klos: „Man kann sich mit Seife … | |
> In Bochum-Wattenscheid verlangt eine Schule zehn Cent pro Toilettengang. | |
> Die Bezirksregierung Arnsberg erhebt Einspruch. | |
Bild: Bezahlung als Erziehungsmaßnahme: So sauber können Toiletten aussehen, … | |
taz: An Ihrer Schule gibt es neben öffentlichen Toiletten auch Bezahl-Klos, | |
die 10 Cent pro Toilettengang oder als „Flatrate" 10 Euro pro Halbjahr | |
kosten. Warum? | |
Martin Breuer: Unsere neuen Außentoiletten haben 120.000 Euro gekostet. Die | |
alten waren unhygienisch, über 40 Jahre alt und völlig verdreckt. Da haben | |
wir nach Lösungen gesucht, wie der Neubauzustand dieser Anlage erhalten | |
werden kann. | |
Wir sind dann auf die Idee gekommen eine Toilettenfrau einzusetzen, die in | |
den Öffnungszeiten darauf achtet, dass die Toiletten nicht missbräuchlich | |
genutzt werden und sauber bleiben. Das setzen wir seit Februar so um. Es | |
gibt Hygieneartikel und man kann sich mit richtiger Seife waschen. Andere | |
Schulen hier machen das auch so. | |
Die Bezirksregierung Arnsberg erklärt die geplante „WC-Flatrate" und die | |
Bezahl-Klos als unzulässig und den sozialen Frieden an der Schule für | |
gefährdet. Muss das System mit Zehnerkarte und Flatrate nun wieder | |
abgeschafft und der Toilettenfrau gekündigt werden? | |
Wir sind zur Zeit dabei mit der Bezirksregierung eine kompatible Lösung zu | |
finden. Ich frage mich nach der Qualität dieser Gerichtserlasse. Die | |
Regierung fordert mehr Verantwortung von den Schulen. Beschlüsse der | |
Schulen, abgestimmt mit der Schulkonferenz, den Eltern und den Schulträgern | |
gehören nicht ins Ministerium oder in die Bezirksregierung. Wir haben | |
diesen Beschluss über zweieinhalb Jahre vorbereitet. Für die Ausstattung | |
der Schule ist der Schulträger verantwortlich. Die haben uns ihr Okay zu | |
unserem Beschluss gegeben. | |
Aber die Schüler sind ja nicht der Schulträger. | |
Nein, der Schulträger ist die Stadt Bochum. | |
Und warum sorgt dann die Stadt Bochum nicht dafür, dass die Schüler in Ruhe | |
auf die Toilette gehen können ohne zehn Cent zu bezahlen? | |
Im Mittleren Ruhrgebiet werden mittlerweile die Pfennige umgedreht. Wenn | |
die Schule selbst eine Lösung findet, ist das gut. Wir müssen nicht sofort | |
die Kommune belasten, wenn man eine Lösung findet, die niemandem wehtut. | |
Alle können zur sauberen Toilette gehen und wer auf eine wirklich schöne | |
Toilette gehen will, die sauber bleibt und sich im Laufe des Tages nicht | |
verdreckt, der bezahlt zehn Cent oder über die Flatrate für ein | |
Schulhalbjahr zehn Euro. | |
Wir haben ja auch keine Reinigungskräfte während des Schulbetriebs hier, | |
wir sind eine Ganztagsschule. Das sind Pfennigbeträge, über die wir hier | |
sprechen. Wir wollen zeigen: So sauber können Toiletten aussehen, wenn alle | |
sich an die Regeln halten. Das ist ein Teil von Erziehung. Es geht uns gar | |
nicht um die Manifestierung sozialer Ungleichheit. | |
Aber muss diese Erziehung Geld kosten? | |
Wir müssen die Toilettenkraft ja irgendwie bezahlen. Wir haben keinen | |
Förderverein, der 10.000 Euro für eine Toilettenfrau bezahlen kann. Das ist | |
ja das Problem. Wir müssen selbst nach Lösungen suchen. Und wir haben hier | |
eine Lösung gefunden. Wenn das nicht gewollt wird, dann stellen wir den | |
alten Zustand selbstverständlich wieder her. Das Ergebnis wird sein, dass | |
diese Toilettenanlage in fünf Jahren wieder so aussieht wie vorher. Dann | |
sind 120.000 Euro aus dem Fenster heraus geschmissen worden. | |
Wie reagieren die Schüler auf die Bezahl-Klos? | |
Von den Schülern, die das nutzen wird das gut angenommen. Insbesondere von | |
Schülerinnen und jüngeren Schülern, die zur Toilette gehen können ohne dass | |
sie von älteren behelligt werden. Diejenigen, die es nicht bezahlen wollen | |
oder können haben die Möglichkeit im Schulgebäude jederzeit zur Toilette zu | |
gehen, die auch täglich gesäubert wird, aber nicht den Standard der neuen | |
Toilette hat. Wir haben Kinder aus prekären Verhältnissen, die diese Karte | |
haben. Und wir haben Kinder aus Verhältnissen, die sich das dreimal leisten | |
könnten und die Karte nicht wollen. | |
Wir wollten die Akzeptanz der Schüler und der Eltern. Die haben wir | |
bekommen. Das ist keine Zweiklassengesellschaft. Wir wollten nur darauf | |
achten, dass wir dem Steuerzahler, den investierten Wert erhalten. | |
Aber der Gedanke an eine Zweiklassengesellschaft taucht ja sofort bei ihrem | |
System auf. | |
Jeder Schüler kann hier auf dieser Schule im Mensabereich, im | |
Sporthallenbereich, im Schulgebäude jederzeit auf eine Toilette gehen, die | |
sauber ist und kein Geld kostet. Die Möglichkeit ist da. Das ist keine | |
Zweiklassengesellschaft. Der Punkt ist, wie wir Kinder anleiten können mit | |
gutem Beispiel eine Toilette sauber zu halten, so dass ein Toilettengang | |
nicht zum Ekelereignis wird. Das verstehen die Leute nicht. Wenn ich darauf | |
warten würde, dass sich jemand im Ministerium mit dem Zustand der | |
Schultoiletten beschäftigt, müsste ich 100 Jahre alt werden. | |
Offensichtlich gibt es aber jemanden, der darauf achtet, dass die Dinge | |
rechtskonform geregelt werden. Ich muss ein bisschen aufpassen, dass ich | |
mich hier nicht ereifere. Ich will mich nicht aufregen. | |
29 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Anika Maldacker | |
## TAGS | |
Bezahlmodell | |
Toilette | |
Diskriminierung | |
Haushaltsdefizit | |
Schule | |
Berlin | |
Schule | |
Inklusion | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verschmutzte Schulen in Berlin: Saubere Lösung gesucht | |
Die Beschwerden über mangelnde Sauberkeit in Berliner Schulen nehmen wieder | |
zu. Der Protest formiert sich – und hat nun erste Konsequenzen. | |
Engangement für Chancengleichheit: Headhunter meets Hauptschüler | |
Drei Manager haben eine Gruppe Schüler aus Dortmund ein Jahr lang auf den | |
Berufseinstieg vorbereitet. Dazugelernt haben nicht nur die Schüler. | |
Inklusiver Unterricht in Köln: Eine träumerisch neue Schule | |
In Köln entsteht eine Schule, die alles besser machen und alle einbeziehen | |
will: Behinderte, Ausländer, sozial Schwache. Kann das funktionieren? | |
Umstrittenes Bezahlsystem: Magen leer? Finger her! | |
16 Hamburger Schulen scannen die Finger ihrer Schüler vor dem Mittagessen. | |
Datenschützer warnen, die Schulbehörde beschwichtigt. |