# taz.de -- Das Leben des Ackermann: Der heimliche Kanzler | |
> Josef Ackermann, Ex-Chef der Deutschen Bank, präsentiert eine Biografie | |
> über sich: „Späte Reue“. Ein wahnwitziges Dokument der | |
> Selbstüberschätzung. | |
Bild: „Die zwei mächtigsten Personen des Landes.“ | |
Josef Ackermann lobt selten, aber diesmal ist der einstige | |
Deutsche-Bank-Chef erfreut: Es sei ein „faszinierendes Buch“, preist er die | |
Biografie an, die sein einstiger Kommunikationschef Stefan Baron über ihn | |
geschrieben hat. Der Econ-Verlag hat am Donnerstag extra in ein | |
Fünf-Sterne-Hotel geladen, um das Werk zu präsentieren, das „Späte Reue“ | |
heißt. Allerdings ist von Reue auf den 299 Seiten wenig zu erkennen, | |
sondern eher Hybris: Baron nennt seinen Exchef „eine Art Schattenkanzler | |
der Republik“. Ohne die Deutsche Bank wäre Deutschland verloren – dieser | |
Tenor zieht sich durch das gesamte Werk. | |
Die Biografie ist distanzlose Werbung, soll aber objektiv wirken. Ackermann | |
betont denn auch, dass Baron „vollständige Freiheit“ hatte und das Buch | |
„nicht autorisiert“ sei. In der Tat: Ein solch freundliches Buch muss man | |
nicht autorisieren. | |
Ackermann hat seine Biografie „in einer Nacht durchgelesen“ – so | |
interessant seien die „Erkenntnisgewinne“ gewesen. Es bleibt jedoch ein | |
Rätsel, welche „Erkenntnisgewinne“ gemeint sein könnten, denn inhaltlich | |
verrät dieses Buch nichts Neues. Alle brisanten Themen bleiben ausgespart. | |
Trotzdem ist die Biografie illustrativ: Baron war Ackermanns | |
Kommunikationsschef von 2007 bis 2012, und sein Buch führt exemplarisch | |
vor, wie die Deutsche Bank seit der Finanzkrise versucht hat, die | |
öffentliche Meinung zu beeinflussen. Ackermann betrieb „entschlossene | |
Vorwärtsverteidigung“, wie es auf Seite 149 heißt. Diese Strategie verfolgt | |
auch Baron, wenn er über seinen Exchef schreibt: Was nicht zu leugnen ist, | |
wird eingeräumt – mehr aber nicht. | |
## Minimales Eigenkapital, maximale Verschuldung | |
Offenherzig wird jeder Skandal geschildert, der längst bekannt ist: die | |
windigen Hypothekengeschäfte in den USA, die seltsamen Schachtelpapiere | |
namens Collateralized Debt Obligations (CDO), die Manipulationen am | |
Leitzins Libor sowie die Zinswetten, die vielen Kommunen hohe Verluste | |
bescherten. | |
Es wird auch zugegeben, dass die Deutsche Bank unter Ackermann wie ein | |
gigantischer Hedgefonds agiert hat: mit minimalem Eigenkapital und | |
maximaler Verschuldung wurde vor allem auf Spekulationsgewinne bei | |
Derivaten und strukturierten Wertpapieren gesetzt. | |
Doch dann folgt die erstaunliche Volte: Ackermann wusste von nichts! Bei | |
jedem Skandal war er angeblich aufs Neue entsetzt, welche Praktiken sich in | |
seinem Hause eingeschlichen hatten. Mehrfach weiß Biograf Baron zu | |
berichten, dass Ackermann „tief enttäuscht“ war. „Er fühlt sich | |
hintergangen.“ | |
Vielleicht stimmt es sogar, dass Ackermann höchstens vage wusste, was die | |
Investmentabteilung in London trieb, die damals von Anshu Jain geleitet | |
wurde, der heute die Deutsche Bank führt. Aber ein derart ignoranter | |
Ackermann wäre nicht der große Stratege, als den ihn Baron feiert – sondern | |
nur ein begabter Selbstdarsteller, der nach außen repräsentiert hat, was | |
ohne ihn anderswo entschieden wurde. | |
Solche Widersprüche werden im Buch jedoch nicht aufgelöst, sondern gehören | |
zum Konzept: Die „entschiedene Vorwärtsverteidigung“ kann nur | |
funktionieren, solange keine Aussage konsequent zu Ende gedacht wird. | |
## In Widersprüchen verheddert | |
Über Ackermann würde heute niemand mehr reden, wenn es ihm nicht gelungen | |
wäre, die Deutsche Bank durch die Finanzkrise zu schleusen, ohne deutsches | |
Steuergeld zu beanspruchen. Diese „Leistung“ wird von Baron entsprechend | |
breit gewürdigt – wobei er sich erneut in Widersprüche verheddert. | |
Zunächst wird wieder zugegeben, was eh jeder weiß: Die Deutsche Bank war an | |
vorderster Front dabei, US-Ramschhypotheken zu bündeln und zu verhökern. | |
Trotz dieser Tatsache hält es Baron für eine Meisterleistung Ackermanns, | |
dass er im Juli 2007 die Order erteilte, alle strukturierten Wertpapiere | |
abzustoßen, die seine Bank selbst besaß. Die Verluste der Deutschen Bank | |
wurden zweifellos minimiert, nur vergisst Baron zu erwähnen, dass die | |
Verluste stattdessen bei anderen Banken aufliefen. Der Steuerzahler hat | |
nicht gespart. | |
Härter formuliert: Die Deutsche Bank verfügte über Insiderwissen. Da sie | |
die Schrottpapiere produzierte, war es für sie ein Leichtes, zu erkennen, | |
dass es sich um wertlose Anlagen handelte. Aus dieser faktischen Falle gibt | |
es nur einen Ausweg: Baron muss erneut behaupten, dass Ackermann nichts | |
wusste. Auch die Finanzkrise hat der Bankchef nicht kommen sehen, betont | |
sein Biograf gleich mehrfach. | |
Vielleicht war Ackermann tatsächlich ignorant. Jedenfalls wusste er diese | |
offizielle Ignoranz extrem gut zu vermarkten. Bereits im September 2007 | |
warnte er davor, dass es zu „teils erheblichen Übertreibungen“ in der | |
Bankbranche gekommen sei – ohne dass er selbst für diese „Übertreibungen�… | |
persönlich verantwortlich gemacht werden konnte, denn er hatte ja von | |
nichts gewusst. Stattdessen wirkte Ackermann „authentisch“, wie sein | |
ehemaliger Kommunikationschef befriedigt feststellt. | |
## Der oberste Krisenmanager des Landes | |
Die „entschlossene Vorwärtsverteidigung“ ging auf: Ackermann war nicht mehr | |
Täter, sondern Mahner – und stieg zum „Staatsmann“ auf, wie Baron dessen | |
neue Rolle beschreibt. Obwohl die Deutsche Bank tatkräftig daran mitgewirkt | |
hatte, die Finanzkrise zu erzeugen, wurde Ackermann nun zum „obersten | |
Krisenmanager des Landes“. | |
Stolz konstatiert Baron, dass Kanzlerin Merkel und Josef Ackermann „die | |
beiden mächtigsten Personen des Landes“ waren. Der damalige Finanzminister | |
Peer Steinbrück hatte offenbar nicht viel zu sagen; seine Aufgaben wurden | |
von Ackermann übernommen. Baron spricht es nicht aus, aber seine Botschaft | |
ist überdeutlich: Wozu braucht man ein Finanzministerium, wenn der Chef der | |
Deutschen Bank sowieso alles besser weiß? Abgesehen von dem Faktum | |
natürlich, dass er die Finanzkrise nicht hatte kommen sehen. | |
Schon von Amts wegen ist Baron kein Tiefschürfer, und so bleiben zwei | |
naheliegende Fragen ausgespart: Was bleibt von der Demokratie eigentlich | |
übrig, wenn ein Konzernchef die Politik bestimmt – und eklatanter | |
Branchen-Lobbyismus plötzlich als „staatsmännische“ Beratung geadelt wird? | |
Und wie passt es zu der so beliebten Idee einer wettbewerbsorientierten | |
„Marktwirtschaft“, wenn eine einzige Bank faktisch alle politische und auch | |
ökonomische Macht an sich reißt? | |
Barons Buch ist ein wahnwitziges Dokument der Selbstüberschätzung, aber | |
zumindest die Fakten stimmen. Wenn man sie neu arrangiert, ergeben sich | |
sogar luzide Wahrheiten. Daher noch zwei Zahlen: Für Ackermann hat sich | |
seine Tätigkeit bei der Deutschen Bank extrem gelohnt – er besitzt jetzt | |
120 Millionen Euro, obwohl er sich „aus Luxus nichts macht“. | |
Aber obwohl die Entlohnung angeblich unwichtig war, mussten die Boni | |
natürlich sein, was ungefähr so unlogisch ist wie die Tatsache, dass er als | |
Chefstratege die entscheidenden Entwicklungen nie bemerkt hat. Zweiter | |
Fakt: Während Ackermann jetzt 120 Millionen Euro besitzt, haben die | |
Aktionäre der Deutschen Bank verloren. Denn Ackermann ist es gelungen, den | |
Aktienkurs in seiner Amtszeit zu halbieren. | |
12 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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