# taz.de -- Wahlkampf in NPD-Hochburgen: Deutsche Frösche | |
> Die NPD erhofft sich vom Wahlkampf Aufmerksamkeit und Geld. Ein Grüner | |
> will ihnen nicht das Feld überlassen. Ein Besuch in | |
> Mecklenburg-Vorpommern. | |
Bild: Die NPD erhofft sich vom Wahlkampf zweierlei: Aufmerksamkeit und Geld. Un… | |
ANKLAM/GREIFSWALD/ZIETHEN taz | Die Tür öffnet sich. Ralf-Peter Hässelbarth | |
steht vor einem Mann mit kurz rasierten Haaren und einem schwarzen | |
Kapuzenpullover der Marke Londsdale. „Ich bin ihr Direktkandidat von den | |
Grünen“, sagt Hässelbarth zu ihm. „Ich wollte mich vorstellen.“ Hässel… | |
mustert den Mann. Lonsdale – die Marke ist bei Neonazis immer noch recht | |
beliebt. „Aber ich weiß nicht, ob ich da bei Ihnen richtig bin …“ Der Ma… | |
blickt auf seinen Pullover herab. „Ach, das sind nur meine | |
Arbeitsklamotten, sagt er. | |
Hässelbarth ist sich da nicht so sicher. Ein kurzer Wortwechsel, dann | |
drückt Hässelbarth dem Mann ein grünes Kärtchen in die Hand. „Wenn Sie ein | |
Problem haben, rufen Sie mich an“, sagt er und zieht weiter durch den | |
Regen, zum Nachbarhaus. Dabei kommt er an einer Straßenlaterne mit | |
NPD-Plakat vorbei. Die Aufschrift: „Sei kein Frosch: Wähle Deutsch! | |
Hässelbarth will kein Frosch sein, der NPD nicht seinen Wahlkreis | |
überlassen. Er ist in drei Gemeinden unterwegs, in denen die NPD bei der | |
Landtagswahl zwischen 18 und 24 Prozent der Stimmen erhalten hat. „Die | |
Einwohner haben das in den Medien häufig damit begründet, dass sie nur die | |
Leute von der NPD kennen würden“, sagt Hässelbarth. Das soll sich ändern. | |
Für jeden Ort – Ziethen, Bargischow und Neu Kosenow – ist eine Stunde | |
eingeplant. Zeit für kurze Gespräche zwischen Tür und Angel. Hässelbarth | |
ist zusammen mit zwei anderen Direktkandidaten unterwegs, Torsten Koplin | |
von der Linken und Holm-Henning Freier von der SPD. Die Kandidaten wollen | |
zeigen, dass sie für ihre Bürger da sind. Zu ihrer eigenen Sicherheit tun | |
sie das gemeinsam. | |
In Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD besonders eng mit den gewaltbereiten | |
Neonazi-Kameradschaften verzahnt. Bei der letzten Bundestagswahl 2009 | |
erhielt sie hier 4,6 Prozent, bei der Landtagswahl 2011 sogar 6 Prozent und | |
damit fünf Sitze im Schweriner Landtag. Im Kreistag Greifswald-Vorpommern | |
ist die NPD mit sechs Sitzen vertreten. Der tagt heute in Greifswald, | |
während die Kandidaten im benachbarten Wahlkreis weiter durch die Dörfer | |
ziehen. | |
## Angriff auf alternatives Wohnprojekt | |
In Greifswald gibt es eine Zivilgesellschaft, die sich den Neonazis in den | |
Weg stellt. Vor den Stufen zur Stadthalle reckt ein Demonstrant ein Schild | |
in die Luft, es trägt die Aufschrift: „Nazis raus aus den Parlamenten!“ | |
Etwa 30 Menschen haben sich zu einer Mahnwache versammelt, wie immer, wenn | |
der Kreistag in Greifswald tagt. Doch für die heutige Aktion gibt es einen | |
besonderen Anlass. | |
Es ist der 15. August, gegen 1.30 Uhr nachts. Drei Kleintransporter stoppen | |
vor einem alternativen Greifswalder Wohnprojekt. Etwa zwanzig Personen, | |
teilweise vermummt und mit Knüppeln bewaffnet, greifen an. Ein Betroffener | |
erzählt: „Wir saßen unten auf der Treppe, vor dem Eingang. Wir sind sofort | |
rein, haben die Tür verriegelt und die Polizei gerufen. Dann hat einer mit | |
einem Kantholz die Frontscheibe der Tür eingeschlagen“. Der Mann mit dem | |
Kantholz ist nicht vermummt. Der Betroffene kann den Mann beschreiben. Er | |
glaubt, es ist Daniel Ohm, Stadtverordneter der NPD auf Usedom. Die | |
Angreifer verschwinden, aber die Polizei schickt mehrere Einsatzwagen und | |
wird fündig. Ohm sitzt zusammen mit drei Parteikollegen in einem Fahrzeug, | |
darunter Tino Müller. Dieser ist nicht nur Mitglied der NPD-Fraktion im | |
Kreistag Greifswald-Vorpommern, sondern auch im Schweriner Landtag. Jetzt | |
ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Verdacht: schwerer Landfriedensbruch. | |
Erst Ende Juli war bei einer Kundgebung der NPD auf dem Greifswalder | |
Marktplatz ein Demonstrant verletzt worden. Ein Video auf dem Greifswalder | |
[1][Fleischervorstadt-Blog] soll den NPD-Anhänger Marcus G. dabei zeigen, | |
wie er den Demonstranten in vollem Lauf zu Fall bringt. Die Folge: | |
Prellungen, Schwellungen und ein Kreuzbandriss. Die Polizei ermittelt. | |
Gewalttaten von NPD-Anhängern und Parteikadern sind während des Wahlkampfs | |
keine Seltenheit – sagen Initiativen gegen rechte Gewalt aus ganz | |
Deutschland. Größere öffentliche Aufmerksamkeit bekam ein Vorfall im | |
fränkischen Aschaffenburg. Während der „Deutschlandfahrt“ der NPD wurden | |
aus einem Kleinlaster der Partei mehrere Menschen [2][mit einem | |
Feuerlöscher besprüht]. Ein Radfahrer wurde verletzt, der Parteivorsitzende | |
Holger Apfel festgenommen. | |
## Die Nazis machen sich breit | |
Solche Begebenheiten scheinen ins Wahlkampfkonzept der NPD zu passen: mit | |
minimalem Aufwand möglichst viel mediale Aufmerksamkeit erregen. Denn im | |
Bundestagswahlkampf geht es für die Partei nicht darum, ins Parlament | |
einzuziehen. In aktuellen Umfragen rangiert sie unter „Sonstige“. Die | |
Rechtsextremen wollen vor allem Geld verdienen. Mindestens 0,5 Prozent der | |
Zweitstimmen muss die NPD erhalten, um für jede Stimme 85 Cent vom Bund zu | |
erhalten. Dafür setzte die NPD in diesem Jahr vor allem auf Rassismus und | |
weniger stark auf „soziale“ Themen als 2009, damals kam sie mit rund | |
636.000 Zweitstimmen auf 1,5 Prozent. | |
Ralf-Peter Hässelbarth sitzt in einer Bäckerei in Anklam und beißt in eine | |
Bockwurst. „Meinen Veggi-Day hatte ich gestern“, sagt er. Er spricht über | |
Themen, die ihm wichtig sind: Kleinbauern, denen von Großinvestoren der | |
Boden unter den Füßen weggezogen werde, drohende Ölbohrungen auf der Insel | |
Usedom, die Ausdünnung des Schienennetzes im ländlichen Raum. Und über die | |
Neonazis. | |
Im Wahlkampf ist er besonders häufig mit ihnen konfrontiert. Aber auch | |
sonst sind sie nicht zu übersehen. Bei einem Volksfest in der Kleinstadt | |
Woldegk im Mai muss er feststellen, dass Neonazis einen großen Teil der | |
Besucher ausmachen. „Die nehmen uns die Zivilgesellschaft weg“, sagt er. | |
Nur eine aktive Zivilgesellschaft könne den Neonazis die Stirn bieten. Im | |
vergangen Sommer haben Bürger in Pasewalk ein Aktionsbündnis gegründet. | |
Ralf Peter-Hässelbart war vor einigen Wochen bei der Gründung eines Kunst- | |
und Kulturrats in Greifswald dabei. | |
Die Neonazis machen sich weiterhin breit, veranstalten Kinderfeste, | |
unterwandern Sportvereine und freiwillige Feuerwehren. Ein letzter Biss von | |
der Wurst, und Hässelbarth bricht in die Dörfer auf, Werbung für die | |
Demokratie machen. Dort wird er einer Frau zum Abschied sagen: „Und nicht | |
wieder NPD wählen!“ | |
20 Sep 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://blog.17vier.de/2013/09/02/brisantes-video-dokumentiert-npd-ubergriff… | |
[2] /Nach-NPD-Kundgebung-in-Aschaffenburg/!123594/ | |
## AUTOREN | |
Moritz Lehmann | |
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