| # taz.de -- Flüchtlinge aus Syrien: Die große Flüchtlingslotterie | |
| > Die einen werden per Handschlag willkommen geheißen, die anderen | |
| > abgeschoben: Syrien-Flüchtlinge zwischen Kontingent, Asyl-Verfahren und | |
| > Dublin II. | |
| Bild: Angekommen: Flüchtlinge aus Syrien beziehen das Grenzdurchgangslager Fri… | |
| KIEL taz | Mit Handschlag und freundlichen Worten begrüßte Innenminister | |
| Andreas Breitner (SPD) die dreiköpfige Familie aus Syrien, die am Dienstag | |
| in Kiel eintraf. Sie sind die ersten Bürgerkriegsflüchtlinge, die über das | |
| Sonderkontingent von bundesweit 5.000 Personen nach Schleswig-Holstein | |
| einreisen durften. Während die einen angekommen sind, geht für andere die | |
| Flucht weiter: 75 der 85 SyrerInnen, die am Wochenende in einem Bus kurz | |
| vor der Grenze nach Dänemark aufgegriffen wurden, sind aus der Unterkunft | |
| in Neumünster verschwunden. | |
| Offenbar hatten die Frauen, Kinder und Männer das eingezäunte, aber nicht | |
| abgesperrte Kasernen-Gelände in Neumünster verlassen. „Wir sind keine | |
| geschlossene Anstalt, die Bewohner können sich frei bewegen“, sagte der | |
| Leiter der Zentralen Aufnahmestelle des Landes, Ulf Döhring, auf | |
| Medienanfragen. „Es wäre ein Verstoß gegen Grundrechte, wenn wir sie | |
| einknasten würden.“ Erst am Montag fiel auf, dass nur noch wenige der | |
| Neuzugänge da waren. Die Bundespolizei wurde benachrichtigt, | |
| Sonderkontrollen an den Grenzen sollte es aber nicht geben – vermutlich | |
| sind die Flüchtlinge längst nach Skandinavien weitergereist, wohin sie | |
| offenkundig wollten. | |
| Dass „Transit-Flüchtlinge“ aus dem Erstaufnahmelager verschwinden, kommt | |
| häufig vor, ungewöhnlich an diesem Fall ist nur die Größe der Gruppe. Laut | |
| Auskunft der Bundespolizei gehe es vor allem darum, illegale | |
| Schleuser-Aktivitäten zu verhindern. Im Doppeldeckerbus, mit dem die Gruppe | |
| unterwegs war, wurde einiges Bargeld gefunden, die Busfahrer wurden | |
| verhaftet. | |
| Normalerweise bleiben aufgegriffene Flüchtlinge freiwillig, schließlich | |
| hoffen sie auf Asyl und sind bereit, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. | |
| Angesichts der zurzeit großen Zahlen von Flüchtlingen, die aus Syrien, aber | |
| auch aus anderen Teilen der Welt nach Deutschland und in den Norden | |
| strömen, dauern die Verfahren oft lange. | |
| Die Chancen auf einen positiven Abschluss sind so gut wie aussichtslos, | |
| wenn es in einem anderen EU-Land bereits einen Aufnahmeantrag gibt. Nach | |
| der sogenannten „Dublin-II-Verordnung“ ist nur dieses erste Land zuständig, | |
| aus anderen Regionen Europas werden Flüchtlinge ohne weitere Prüfung ihrer | |
| Asylgründe zurückgeschoben – ein Verfahren, mit dem die Länder im | |
| geografischen Inneren der EU den Großteil der Migrantenströme zurück an die | |
| Ränder leiten können. Pro Asyl sprich von einem „Verschiebebahnhof“, in d… | |
| es am Ende einer Lotterie gleichkommt, ob die Flüchtlinge die Chance haben, | |
| ihre Geschichte zu erzählen. | |
| Erfolgreich haben das die Menschen getan, die ins deutsche | |
| Sonder-Kontingent aufgenommen wurden. Dafür müssen sich Syrien-Flüchtlinge, | |
| die in Zwischenlagern im Libanon oder in Jordanien sitzen, beim | |
| UN-Flüchtlingswerk bewerben. Familien, Frauen „in prekärer Lage“ und Kran… | |
| haben Vorrang, deutsche Sprachkenntnisse und die „Bereitschaft, den eigenen | |
| Lebensunterhalt zu bestreiten“, können helfen. Das Programm sei angesichts | |
| von Millionen Flüchtlingen nur eine Geste: 5.000 Menschen verlassen das | |
| Bürgerkriegsland zurzeit täglich, heißt es in einer Erklärung der | |
| Flüchtlingsräte und Pro Asyl. | |
| Auch Innenminister Andreas Breitner sieht diesen Zwiespalt. Das Asylrecht | |
| führe zu „absurden Situationen“, sagte er. „Millionen Flüchtlinge sind … | |
| Jordanien, und Deutschland kommt mit einem 5000er-Kontingent – ich finde | |
| das der Lage in Syrien unangemessen.“ | |
| 24 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geisslinger | |
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