# taz.de -- Jugendzeitschrift „Spiesser“: Journalistische Abhängigkeiten | |
> Immer wieder steht „Spiesser“ wegen Schleichwerbung in der Kritik. Jetzt | |
> wird im redaktionellen Teil ein Energiekonzern beworben. | |
Bild: Der „Spiesser“ ergreift gerne Partei, nicht nur für die Parteien | |
Stromkonzerne haben ein Interesse daran, dass die Umlage des | |
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in ihrem Sinne reformiert wird. Der | |
Energiekonzern RWE leistet dafür kräftig Überzeugungsarbeit und platziert | |
im Spiesser, einem kostenlosen Jugendmagazin, das in Schulen ausliegt, | |
„Angeberwissen rund um das EEG“. | |
„Wer mit Kohle und Kernkraft Strom produziert, hat gleichzeitig ernste | |
Probleme, damit Geld zu verdienen“, bemitleidet Maria, 22, das | |
DAX-Unternehmen in der Anzeige und fordert: „Passt es endlich der Realität | |
an!“ Thomas, 25, schreibt: „Klar kostet es Geld, regenerative Energie so | |
auszubauen, dass sie uns zuverlässig mit Strom versorgt“, und fügt hinzu, | |
„ich mache das: gerne!“ | |
Die doppelseitige Werbung fügt sich nahtlos in das Layout ein. Nur das | |
RWE-Logo und das hellgraue Wort „Anzeige“ auf hellgrünem Grund zeigen, dass | |
es sich um Werbung des Energiekonzerns handelt. Der Spiesser hingegen | |
bestreitet grafische Ähnlichkeiten zum redaktionellen Layout. | |
In seiner Anzeige darf RWE behaupten, was der Konzern will. Jedoch ist | |
Thomas Praktikant und Maria Volontärin der Zeitschrift. Fünf Seiten hinter | |
dem Inserat interviewt Thomas einen Musiker, an einer anderen Stelle im | |
Heft springt Maria im T-Shirt der Linkspartei durchs Bild. | |
## Auflage von 500.000 Exemplaren | |
Unsauberkeiten in der Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion sind in | |
vielen Zeitschriften gängig. Anzeigen, die ins Layout des Magazins passen | |
und nur durch eine kleine Kennzeichnung vom redaktionellen Inhalt zu | |
trennen sind, gelten in der Branche als üblich. Dass Praktikanten und | |
Volontäre die Werbetexte für Unternehmen schreiben und mit ihrem Gesicht | |
und Namen veröffentlichen, jedoch nicht. | |
Der Spiesser, 1994 als Schülerzeitung in Dresden gegründet, erscheint seit | |
2007 bundesweit mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren. Immer wieder | |
stand der Spiesser in der Kritik, Anzeigen und redaktionelle Inhalte zu | |
vermischen. | |
Das Magazin, das sich ausschließlich durch Werbung finanziert, wollte | |
Regeln „zwischen Geschäftspartnern, Verlag und Redaktion“ schaffen und sich | |
mit einem Statut zu „größtmöglicher Transparenz gegenüber den Lesern“ | |
verpflichten, so der Verlag. „Unsere Leser nehmen Anzeigen im Spiesser als | |
das wahr, was sie sind und als was sie gekennzeichnet werden: Anzeigen“, | |
sagt Eva Weber, Chefredakteurin des Spiessers. Das merke sie daran, dass | |
die Leser die RWE-Anzeigen vereinzelt kritisieren, so Weber. | |
Nicht als Anzeigen gekennzeichnet ist hingegen der Spiesser-Blog | |
„meine-deine-energie“. Dort entstehen Beiträge wie „Warum Photovoltaik in | |
Deutschland nichts zu suchen hat“ oder „Die Erbsünde der Solarzelle“ in | |
Zusammenarbeit mit dem Stromkonzern. „RWE steht uns jederzeit als | |
inhaltlicher Ansprechpartner zur Verfügung“, sagt Weber, „alle | |
redaktionellen Entscheidungen trifft die Redaktion.“ | |
Nicht nur die Zusammenarbeiten des Spiessers sind undurchsichtig. Erst | |
kürzlich erlangte das Blatt wegen des Rechtsstreits mit dem Bravo- | |
Herausgeber, der Bauer Media Group, ungewollt Aufmerksamkeit. Der | |
Konkurrent Bauer zweifelte die Auflage von 500.000 Exemplaren an, da der | |
Spiesser nur ausliegt und nicht verkauft wird. Am Freitag entschied das | |
Oberlandesgericht München, dass das Magazin nicht mehr ohne Genehmigung an | |
bayerischen Schulen ausgelegt werden darf. Das aber betreffe nur drei | |
Schulen, meldet der Spiesser selbstbewusst. | |
25 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bednarczyk | |
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