# taz.de -- Proteste weltweit: Wo bleibt die Wut? | |
> Die halbe Welt scheint in Aufruhr, nur in Deutschland ist alles still: | |
> kaum Protest. Geht es den Menschen in Deutschland einfach zu gut? | |
Bild: Kitschiges Protestritual: 1. Mai in Berlin | |
Am 25. Januar 2011 besetzten tausende Demonstranten den Tahrirplatz im | |
Herzen Kairos. Er wurde weltweit zum Symbol eines neuen Aufstands. Man | |
nannte es Arabellion. | |
Am 15. Mai 2011 gingen in Spanien in 58 Städten zehntausende Menschen auf | |
die Straßen, besetzten die Puerta del Sol in Madrid, skandierten: „Echte | |
Demokratie jetzt!“ Man nannte sie die „Empörten“. | |
Am 17. September 2011 stürmten Globalisierungskritiker in New York den | |
Zuccotti Park. Sie nannten sich Occupy Wall Street. | |
Sie alle gingen auf die Straße, besetzten Plätze, protestierten spontan. | |
Ermutigte AktivistInnen und schlagkräftige Kollektive. Die Meldungen aus | |
den Metropolen der Welt reißen bis heute nicht ab. | |
Nur in Deutschland ist davon wenig zu spüren. | |
Wenn aus Berlin Nachtbilder zu sehen sind von dunklen Straßenzügen, hell | |
erleuchtet von Feuern und Funken, dann sind es entweder Fotos eines | |
kitschigen Rituals in Berlin-Kreuzberg am 1. Mai, das bereits am 2. Mai | |
wieder vorbei ist. Oder es sind Fotos von Schienenreparaturen, von | |
Schweißarbeiten am Straßenbahnnetz. | |
Warum ist das so? Warum ist deutscher Protest so organisiert, so geordnet? | |
Warum fehlt die Aufbruchstimmung in Deutschland? | |
Alles was es gibt, sind Strategien. | |
Plena, Gesprächsrunden, Telefonkonferenzen. Es gibt Hunderte Kleingruppen, | |
Vereine und Verbände. Es gibt Kletteraktivisten und Ankettaktivistinnen und | |
Bauern, die mit ihren Treckern Straßen blockieren. Es gibt Bewegungsprofis, | |
die dafür bezahlt werden, Internetkampagnen zu entwerfen, und es gibt | |
Wissenschaftler, die dazu forschen. Es gibt eine Demonstration hier und | |
eine Protestaktion da und Hunderte von Petitionen im Internet. | |
In Deutschland gibt es ein Wort für diese Aktivistenszene, die irgendwie | |
zusammengehört, aber ganz sicher auch irgendwie nicht: Mosaiklinke. | |
Ihre Stärke ist: Sie besteht aus vielen. Ihre Schwäche ist: Es fehlt ihr an | |
einer gemeinsamen Utopie. An etwas, das man anfassen und umwerfen kann. | |
Warum, glauben Sie, gehen in Deutschland so wenige Menschen auf die Straße? | |
Geht es ihnen einfach zu gut? Was ist Ihre Meinung? Diskutieren Sie mit! | |
Die Ganze Geschichte „Herr Shahyar sucht die Revolution“ lesen sie in der | |
taz.am wochenende vom 28./29. September 2013. Wir begleiten den Aktivisten | |
Pedram Shahyar nach Kairo, Istanbul und Hanau. | |
28 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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