| # taz.de -- Treibhausgase in Österreich: Kohl fürs Klima | |
| > Ein einzigartiger CO2-Deal: Bauern in Österreich binden Treibhausgase und | |
| > werden dafür von Firmen bezahlt. Diese werben dann mit Klimaneutralität. | |
| Bild: Eine interessante Variante: Klimaschutz mit Chinakohl | |
| KAINDORF taz | Der Anfang war nicht einfach für Bauer Johann Gradwohl: Der | |
| Kompost, mit dem er seine Felder düngte, brachte auch das Unkraut mächtig | |
| zum Wachsen. Doch sein Lohn war ein fruchtbarer Boden. Gradwohl ist einer | |
| von sieben Landwirten in der österreichischen „Ökoregion Kaindorf“, die | |
| Chinakohl als „Klimakohl“ anbauen; in der letzten Saison waren es etwa 700 | |
| Tonnen. | |
| Neben Kohl produzieren sie auch Erdbeeren, Karotten und Cocktailtomaten, | |
| die die „Spar“-Handelskette in ihren 1.500 Filialen in ganz Österreich als | |
| „Humusgemüse“ verkauft. „Die Kunden reißen uns die Produkte aus den | |
| Händen“, freut sich „Spar“-Chef Gerhard Drexler. | |
| Die Idee mit „Klimakohl“ könnte man als „Abfallprodukt“ einer pfiffigen | |
| Nachhaltigkeitsinitiative bezeichen, wenn es den Engagierten in der | |
| Steiermark nicht gerade darum ginge, Abfälle zu vermeiden und im Kreislauf | |
| zu wirtschaften. Die mit mehreren Umweltpreisen ausgezeichnete „Ökoregion | |
| Kaindorf“, die die sechs ländlichen Gemeinden Dienersdorf, Ebersdorf, | |
| Hartl, Hofkirchen, Kaindorf und Tiefenbach umfasst, hat sich das ehrgeizige | |
| Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 CO2-neutral zu werden – unter anderem durch | |
| erneuerbare Energien und Humusaufbau. | |
| Auf Initiative des 2007 gegründeten Vereins Ökoregion Kaindorf ist ein | |
| weltweit einzigartiger regionaler Handel mit CO2-Zertifikaten initiiert | |
| worden: Gewerbeunternehmen, die CO2-neutral produzieren wollen, schließen | |
| mit Landwirten, die über den Humus Kohlenstoff im Boden binden, freiwillig | |
| einen Vertrag ab. | |
| ## Preisgekrönter Kompostbetrieb | |
| Wie funktioniert das? Böden sind der größte Treibhausgasspeicher auf Erden, | |
| sie speichern mehr CO2 in Form von Kohlenstoff als Ozeane und Wälder | |
| zusammen. Ein Bauer könne durch Humusaufbau das Äquivalent von 50 Tonnen | |
| CO2 pro Hektar und Jahr binden, erklärt Mitinitiator Gerald Dunst, dessen | |
| Kompostbetrieb „Sonnenerde“ mit dem österreichischen Klimaschutzpreis | |
| ausgezeichnet wurde. Dunst leitet die Arbeitsgruppe Landwirtschaft des | |
| Vereins Ökoregion Kaindorf und berät rund 200 bislang zumeist konventionell | |
| wirtschaftende Bauern beim Humusaufbau ihrer Äcker. | |
| Auf Musterflächen haben sich die Humusgehalte durch die Einbringung von | |
| Kompost und Pflanzenkohle („Terra-Preta-Technik“), pfluglose | |
| Bodenbearbeitung, Winterbegrünung und Fruchtwechsel bereits auf sagenhafte | |
| sechs Prozent erhöht. Folge: Die Böden brauchen weder Dünger noch | |
| Pestizide, weil die Bodenfruchtbarkeit den Schädlingsbefall hemmt, und im | |
| Gegensatz zu früher können sie Starkregen vollständig aufsaugen und | |
| speichern. | |
| Der Verein Ökoregion Kaindorf bezahlt Landwirten ein Erfolgshonorar von 30 | |
| Euro pro Tonne nachweislich gebundenes CO2, um deren Mehrkosten | |
| auszugleichen, erklärt der Landwirtschaftsberater das Prinzip dieses | |
| Zertifikathandels. Im Gegenzug verpflichten sich die Gärtnerinnen und | |
| Bauern, den Humusgehalt ihrer Böden über fünf Jahre stabil zu halten – was | |
| unabhängige Sachverständige mittels Bodenproben überprüfen. | |
| ## Neue Kundenkreise erschließen | |
| Das Geld für die Zertifikate kommt von regionalen Unternehmen, die ihren | |
| unvermeidbaren CO2-Ausstoß kompensieren wollen. Beteiligt sind unter | |
| anderem eine Brauerei, ein Ökokaffeehandel, ein Malerbetrieb und eine | |
| Fleischerei. Sie bezahlen 45 Euro pro Tonne, wobei die Preisdifferenz an | |
| den Verein für dessen Aufbauarbeit geht. Ihr Gewinn: Sie können mit | |
| CO2-neutral hergestellten Produkten werben und auf diese Weise neue | |
| Kundschaft generieren. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. | |
| Die Fruchthandelskette Frutura wiederum hat eine langfristige Kooperation | |
| mit der Ökoregion und ihren Feldfruchtproduzenten vereinbart. Bis 2020 soll | |
| sämtliches Obst und Gemüse, das sie der „Spar“-Kette liefert, CO2-neutral | |
| produziert werden. | |
| Manfred Hohensinner, früher selbst Landwirt, jetzt Geschäftsführer von | |
| Frutura, stimmt dieses neue Geschäftsmodell geradezu euphorisch: „Eine | |
| Riesenchance für die Bauernschaft“, jubelt er. „Die Bauern werden | |
| Klimaschützer!“ Auch aus deutschen Umweltbehörden sind Stimmen zu hören, | |
| dies sei der einzige funktionierende und sinnvolle CO2-Handel, weil | |
| nachweisbar und transparent auf die Region bezogen; auch das Geld bleibe in | |
| der Region. | |
| 7 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ute Scheub | |
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