# taz.de -- Sondierung von Union und SPD: Steuererhöhungen nicht so wichtig | |
> SPD-Chef Gabriel schleift ein Hindernis für die Große Koalition: | |
> Erhöhungen seien kein Selbstzweck. Auch die CDU sendet versöhnliche | |
> Signale. | |
Bild: Flexibel: Eigentlich wollte die SPD höhere Steuern für Spitzenverdiener. | |
BERLIN taz | Die Spitzen von CDU und SPD bemühten sich am Wochenende, mit | |
Blick auf eine Große Koalition Zuversicht auszustrahlen. „Für uns sind | |
Steuererhöhungen kein Selbstzweck“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bild | |
am Sonntag. Aus Sicht seiner Partei müssten zwei sich widersprechende | |
Aufgaben verbunden werden. „Wir müssen einerseits Schulden abbauen, | |
andererseits aber auch mehr Geld in Bildung, Infrastruktur und unsere | |
Städte und Gemeinden investieren.“ | |
Die Ansage Gabriels ist eine versöhnliche Geste. Führende Unions-Politiker | |
hatten zuvor mehrfach Steuererhöhungen zum Tabu erklärt. Nach einem ersten | |
Sondierungsgespräch am Freitagabend in Berlin hatten beide Seiten betont, | |
es sei ein ernsthaftes Interesse an einer Einigung erkennbar gewesen. | |
Diesen optimistischen Tonfall wollen die Beteiligten offenbar in die | |
nächste Woche tragen. | |
Als wichtigste Aufgaben einer Großen Koalition nannte Gabriel die | |
Stabilisierung Europas, eine Neuordnung des Arbeitsmarktes mit guten | |
Löhnen, eine faire Rente, eine Pflegereform und Investitionen in | |
Infrastruktur, Bildung und Kommunen. Diese Wunschliste ist eine erste, | |
wichtige Konkretisierung. Dass die Steuererhöhungen auf wundersame Weise | |
aus Gabriels Aufzählung verschwunden sind, hat auch einen taktischen Grund. | |
Mit dem Thema hatten sich SPD und Grüne im Wahlkampf bei bürgerlichen | |
Wählern der Mittelschicht unbeliebt gemacht, die den Griff in die eigene | |
Tasche fürchteten – Angela Merkels CDU profitierte stark von ihrem strikten | |
Nein zu Steuererhöhungen. Deshalb geht es jetzt auch darum, | |
Schuldzuweisungen zu vermeiden. | |
## Keiner will die schlechte Nachricht überbringen | |
Die SPD findet zwar weiterhin, dass der Staat Gutverdiener stärker belasten | |
muss, sie will aber nicht länger die Überbringerin der schlechten Nachricht | |
sein. Die Union agiert ähnlich. Nachdem erst mehrere Spitzenkräfte | |
Beweglichkeit angedeutet hatten, ist man schnell zur alten Sprachregelung | |
zurückgekehrt. | |
Auch die Union betonte in der medialen Aufarbeitung des Gesprächs das | |
Verbindende. Finanzminister Wolfgang Schäuble beteuerte, Investitionen in | |
Bildung und Infrastruktur seien auch ohne Steuererhöhungen möglich. Merkel | |
erklärte am Samstag die Bildung zu einer der wichtigsten Aufgabe in den | |
nächsten Jahren. | |
Menschen mit ausländischem Hintergrund müssten durch eine gute | |
Integrationspolitik die gleichen Bildungsabschlüsse schaffen können wie | |
diejenigen mit einem deutschen Hintergrund, betonte Merkel. All dies wurde | |
in der SPD als Entgegenkommen gedeutet. | |
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe machte in einem Interview mit der B.Z. am | |
Sonntag gar „erhebliche Übereinstimmungen“ mit der SPD aus. Und nannte fast | |
dieselben Kernpunkte wie Gabriel. Man sei sich einig, so Gröhe, „dass gute | |
Beschäftigung von zentraler Bedeutung ist – sowohl für jeden Einzelnen als | |
auch zur Gewährleistung eines verlässlichen Sozialstaats“. Mehr zur Schau | |
getragene Übereinstimmung war selten. | |
Allzu viel hineindeuten sollte man in diese Freundlichkeit nicht. Die Union | |
weiß, dass sie einen Partner braucht – und muss werben. Und der SPD-Chef | |
versucht eine Gratwanderung. Er muss staatspolitische Vernunft | |
demonstrieren, aber auch auf die skeptische Basis Rücksicht nehmen. Am | |
Donnerstag will die Union mit den Grünen sondieren, dann könnte sichtbar | |
werden, wohin die Reise geht. Das nächste Gespräch mit der SPD ist am 14. | |
Oktober geplant. | |
6 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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