# taz.de -- Medientage München: Goldene Matratzen | |
> Der Gründer von Ebay hat sich NSA-Enthüller Glenn Greenwald geholt, | |
> Amazon-Chef Jeff Bezos zuvor die „Washington Post“. Warum? | |
Bild: Auch taz-Chefin Ines Pohl ist dabei: Medientage in München. | |
Für den US-amerikanischen Medienanalysten Ken Doctor ist sein Landsmann | |
Jeff Bezos der „König des Sachenverkaufens“. Bezos, der Gründer des | |
Onlinehändlers Amazon, hat vor Kurzem die ruhmreiche Washington Post für | |
250 Millionen Dollar übernommen. Ein Jahr zuvor hatte schon der | |
Facebook-Mitbegründer Chris Hughes das Washingtoner Politmagazin The New | |
Republic gekauft. Chris Hughes war damals 28 Jahre alt, die New Republic | |
98. | |
Und jetzt hat auch eBay-Erfinder Pierre Omidyar zugeschlagen. Er hat sich | |
Glenn Greenwald geschnappt. Greenwald ist der Guardian-Journalist, dem der | |
Whistleblower Edward Snowden zu Beginn dieses Jahres seine Dokumente über | |
die Methoden des amerikanischen Geheimdienstes NSA übergeben hatte. | |
Greenwald und Snowden lösten ein mediales Erdbeben aus, das wohl auch | |
Omidyar spürte. Er hat nun Greenwald für sein neues, noch nicht | |
vorgestelltes Medienunternehmen gewonnen. | |
„Finanziell sehr gut ausgestattet“ wird es sein, verriet Greenwald schon | |
mal vorab. Der Job sei für ihn eine einmalige Chance. Eine bemerkenswerte | |
Äußerung. Denn Greenwald arbeitete bisher schließlich nicht irgendwo – der | |
Guardian spielt in der internationalen Königsklasse des Journalismus. | |
Omidyar will wie Bezos 250 Millionen Dollar investieren. Sein Antrieb: die | |
wachsende Sorge um die Pressefreiheit. Schaffen es also nur noch die | |
Mäzene, klassischen Journalismus zu erhalten? Wie unabhängig kann ein | |
Journalist noch sein, der von der Laune eines einzelnen Superreichen | |
abhängig ist? Vermeintlicher Altruismus weckt Argwohn. | |
Dabei ist ein Journalist bei Bezos oder Omidyar nicht weniger unabhängig | |
als beim klassischen Verlag. Denn wie frei sind die großen Tageszeitungen | |
wirklich bei Berichten über ihre großen Anzeigenkunden Aldi, Lidl und Co? | |
## Der Lümmel-Verkäufer | |
Medienanalyst Doctor steht auf dem Podium bei den Münchener Medientagen. | |
Dort führt er in den „Publishing Gipfel“ ein – eine Diskussion über die | |
Zukunft des Journalismus. 39 Prozent Umsatz hat die Zeitungsbranche | |
weltweit seit 2007 an Umsatz verloren – ein Minus von 51 Milliarden | |
US-Dollar. Die Zeitungsbranche kann also froh sein, dass Bezos, Omidyar und | |
Hughes einsteigen. Hierzulande sagt ein Cherno Jobatey auf der Bühne in | |
München, dass sein Herausgeberjob beim Onlineportal Huffington Post darin | |
bestehe, gute Laune zu verbreiten. Und tags zuvor rutscht dem Verleger des | |
Münchner Zeitungsverlags (Münchner Merkur, tz), Dirk Ippen, ein | |
vielsagender Satz heraus: „Die Jugend ist ein großes Problem.“ | |
Es ist zu erwarten, dass Bezos diesen Lümmeln, die im Internet rumhängen, | |
eher etwas verkaufen kann, um damit so viel Geld einzunehmen, dass am Ende | |
womöglich mehr als nur 15 Leute – wie bei der deutschen Huffington Post – | |
bezahlt werden können. Die sucht übrigens noch Leute. Als Jobatey | |
Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters fragte, ob er dazustoßen wolle, sagte | |
der: „Dann lieber in Würde sterben.“ | |
Doch was sieht New-Economy-Mann Bezos in einem doch angeblich schon | |
abgewrackten Schiff wie der Washington Post? Im angeblich erledigten Modell | |
Zeitung? Vier Dinge, meint Ken Doctor: eine beständige Marke, eine große | |
Durchdringung der Großstadt, Hunderttausende zahlende Kunden und einen | |
reichhaltigen Schatz an Informationen. Daraus was zu machen, „das ist | |
simpel für ihn“, sagt Doctor. Dem Forscher geht es im Kern stets um dieses | |
Thema: Was kann ich noch verkaufen? Doctor sieht zwar ein „Goldenes | |
Zeitalter“ auf die Medien zukommen, doch ein Großteil basiert darauf, mit | |
anderen Geschäften den Journalismus zu finanzieren. | |
Und für alle, die wie Welt-Chef Peters keine Lust haben, „Matratzen zu | |
verkaufen“, für die hat Doctor auch noch ein bestechend simplen Ratschlag | |
parat: „Weiß es besser, erzähl es besser – und finde jemanden, der dich | |
fürs Erzählen bezahlt.“ | |
17 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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