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# taz.de -- Deutsche „Huffington Post“: Ringen mit dem Baby
> Beim deutschen Ableger der US-Nachrichtenseite treffen abwegige Inhalte
> auf falsche Überschriften. Kein Wunder, dass eine Leserresonanz
> ausbleibt.
Bild: So wird's gemacht.
„Es gibt bisher noch keine Kommentare. Seien Sie der/die Erste.“ Diese
Botschaft steht unter der Mehrzahl der Artikel in der Huffington Post – oft
begleitet von: Null Facebook-Likes, null mal getwittert, null mal per
E-Mail geschickt. Die deutschsprachige Ausgabe des US-Mediums sieht sich
als „Engagement-Plattform“: Im Gegensatz zu den klassischen Massenmedien
soll ein relevanter Teil des Inhalts von den Lesern stammen, die Beiträge
über die sozialen Medien verbreitet werden. Doch der Dialog mit den Lesern
will sich bei der deutschen HuffPost, die seit dem 10. Oktober online ist,
noch nicht so richtig einstellen.
Bei der US-Plattform wird viel Material von Lesern aus eigenem Antrieb und
ohne Bezahlung auf die Seite gehoben, und mancher Text löst gar lange,
differenzierte Diskussionen aus. Ein Heer von Bloggern liefert Meinung und
Hintergrund. Der Redaktion selbst gelingen immer wieder
Exklusivgeschichten.
In Deutschland haben „Celebrity-Blogger“ wie Boris Becker, Uschi Glas oder
Ursula von der Leyen nach einem Beitrag die Mitarbeit eingestellt. Zum
Start hatte Herausgeber Cherno Jobatey noch von Texten von Uni-Professoren
und Ministerpräsidenten geschwärmt. Doch die arbeiten wohl noch an ihren
Beiträgen. Veröffentlicht werden bis dahin vorwiegend Blogbeiträge von
weniger prominenten Selbstdarstellern, unter denen sich viel Überflüssiges,
aber auch vollkommen Abwegiges findet.
Andreas Müller, Experte für „Grenzwissenschaften“, durfte bereits zweimal
das fehlende deutsche Interesse an Ufo-Sichtungen beklagen.
Die „Buchhändlerin, Fernstudierende und Unternehmerin“ Anja Urbschat
diskutiert indes die politische Großwetterlage in Deutschland wie folgt:
„Also einfach beim nächsten Prosecco-Abend statt über den letzten
Blockbuster oder die neueste Smartphone-App auch mal wieder über politische
und gesellschaftliche Themen quatschen! Vielleicht fängt genau hier die
direkte Demokratie an – Prösterchen!“
„Jeder, der sich an die rechtlichen Normen unseres Landes hält, kann bei
uns bloggen“, sagt Herausgeber Cherno Jobatey. Das bisher fehlende
Leserfeedback bereitet ihm keine Sorgen: „Uns gibt es jetzt sechseinhalb
Wochen, und mit dem Verkehr, den wir generieren, sind wir sehr zufrieden.“
Doch er weiß auch: Um Leser zu bekommen „muss man über etwas schreiben,
über das die Leute reden wollen“. Doch die Redaktion beim Münchner
Burda-Verlag liefert Biederes und wenig Inspiriertes: „Eine Reise mit dem
Fernbus quer durch Deutschland“ und die sechzehn neuen
Bundestagsabgeordnete unter 30. Nun ja.
## Zuspitzen und einschläfern
Während die US-amerikanische Huffington Post auch wenig spektakuläre Storys
in aufmerksamkeitsstarken Überschriften verdichtet (zu Thanksgiving:
„Holiday Spirit: Shootings, Stabbings, Brawls“), wird man bei der deutschen
Tochter mit „Seehofer schickt Beschwerdebrief ans ZDF“ eingeschläfert. Dann
wieder werden Meldungen so zugespitzt, bis die Überschrift irreführend oder
schlicht falsch ist: Die chinesische Luftraumüberwachung im Ostchinesischen
Meer wird zum „drohenden Krieg in Ostasien“ hochgejazzt. „Das endgültige
Aus für den Islam“? In Angola könnten Moscheen geschlossen werden.
Wie beim US-Original sollen die im Netz alles entscheidenden Überschriften
„Linkbait“ sein, also Köder zum Anklicken. Aber mit Langweilern wie „5
Tipps, wie Sie gesund durch die Weihnachtszeit kommen“ oder „Die 16
nervigsten Angewohnheiten von Arbeitskollegen“ wird das nichts. Und wen die
Geschichte „So ringen Sie richtig mit Ihrem Baby“ interessiert, will man
lieber nicht wissen.
Das „zur Zeit wichtigste Gesprächstema“ (ohne h) war da ein „böser
Abi-Scherz“, für den eine 20-Jährige 400 Euro Strafe zahlen muss. Die Zahl
der Kommentare: 1. Für die deutsche Huffington Post offenbar ein Erfolg.
Oder ein schlecht funktionierendes Redaktionssystem. Das war hoffentlich
auch für diese Bildunterschrift verantwortlich: 1486F40035669736.
5 Dec 2013
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
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