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# taz.de -- Lehrerstreik: Die Kampfeslust stirbt zuletzt
> Erneut gehen angestellte Lehrer für eine bessere Bezahlung auf die
> Straße. Der Arbeitskampf zerrt inzwischen an den Nerven.
Bild: 2000 Demonstranten sind auf den Gendarmenmarkt gekommen.
Hoffnungslos, aber nicht ernst: Das ist zwar nicht die Lage, wohl aber die
Stimmung, die am frühen Montagmorgen im Neuköllner Cafe Rix herrscht. Gut
60 streikende Lehrerinnen und Lehrer treffen sich zum Frühstück, bevor sie
auf den Gendarmenmarkt ziehen. Dort werden sie für ihre Forderung nach
einem Tarifvertrag demonstrieren – und damit nach gleicher Behandlung und
Bezahlung wie ihre verbeamteten KollegInnen.
Alle im Cafe Rix sind angestellte Lehrkräfte, viele erst wenige Jahre im
Beruf. So wie Anja Kaschub, Vollzeitlehrerin für Sport, Deutsch, Wirtschaft
und Darstellendes Spiel an der Neuköllner Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule.
2009 hat die 33-Jährige ihre Ausbildung beendet, seither verdient sie 2.400
Euro netto. Nicht wenig, sagt Kaschub selbst: „Ich ärgere mich ja auch
nicht über mein jetziges Gehalt.“ Allerdings wird dieses Gehalt in Kaschubs
Berufsleben – gemäß den Berliner Regelungen für angestellte Lehrkräfte –
auch nicht mehr steigen. Das sei unfair, da für verbeamtete Lehrkräfte
andere Bedingungen gälten, sagt sie.
Und das seien durchaus nicht nur ältere KollegInnen, sagt Kaschub: „Es sind
auch Leute, mit denen man gemeinsam die Ausbildung gemacht hat und die nun
als Beamte aus anderen Bundesländern nach Berlin zurückkommen.“
Mit diesem Umweg können sie teilweise die Berliner Beamtengehälter sogar
noch aufstocken, erklärt Tom Erdmann, Pressesprecher der Berliner
Lehrergewerkschaft GEW und selbst angestellter Lehrer: Etwa wenn sie
Mangelfächer wie Mathe und Physik unterrichten: „Leute mit dieser
Fächerkombination werden so dringend gesucht, dass sie die höheren
Beamtengehälter, zum Beispiel aus Baden-Württemberg, weiter bekommen, wenn
sie von dort hierher wechseln.“ Berlin dagegen verbeamtet LehrerInnen seit
zehn Jahren nicht mehr.
## Superjob, wenig Geld
„Mein Job ist super. Aber die Bedingungen sind schlecht“, lautet deshalb
Kaschubs Fazit. Das gilt auch für ihren Kollegen Garip Bali. Als studierter
Ingenieur arbeitet Bali als Mathe- und Physiklehrer an einer anderen
Neuköllner Oberschule – als sogenannte PKB-Kraft, also immer befristet
angestellt und bezahlt aus dem Personalkostenbudget (PKB), über das jede
Schule selbst fehlende Lehrkräfte aushilfsweise ersetzen kann.
Der Job macht Bali Spaß: Der 50-Jährige plant, mit einem berufsbegleitenden
Referendariat noch die volle Anerkennung als Lehrer zu erwerben und so eine
Festanstellung zu bekommen. Denn derzeit nervt ihn nicht nur die dauernde
Befristung der Stelle. Er bekommt als Aushilfe auch bis zu 1.000 Euro netto
weniger als verbeamtete KollegInnen.
Die Hoffung der angestellten Lehrkräfte, dass der Senat auf ihre
Forderungen eingeht, ist gering. Denn der zuständige Finanzsenator Ulrich
Nussbaum (parteilos) lehnt Tarifverhandlungen mit dem Hinweis auf die
Zuständigkeit der Tarifkommission der Länder beharrlich ab.
Doch die Kampfeslust ist groß: Über 2.000 Demonstranten versammeln sich
schließlich am Gendarmenmarkt – das ist fast jede vierte angestellte
Lehrkraft Berlins. Laut GEW ist das der 15. Streiktag seit Dezember
vergangenen Jahres. Die Kampfeslust ist also da.
Die Schattenseite: Allein an der Fritz-Karsen-Schule fehlen am Montag 24
LehrerInnen, sagt der stellvertretende Schulleiter Ulrich Meuel: Das seien
„grob geschätzt“ etwa 100 Unterrichtsstunden, die ausfallen oder vertreten
werden müssen. Er sei nicht gegen den Streik, sagt Meuel, der selbst
Gewerkschaftsmitglied ist: „Aber ich wünsche mir schon sehr, dass es
endlich eine Einigung gibt.“
21 Oct 2013
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Beamte
Lehrerstreik
Schleswig-Holstein
Film
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