# taz.de -- Verseuchter Boden: Ölsee auf Grundwasser zu verkaufen | |
> Bis zu zwei Meter dick schwimmt unter dem Tanklager Bremen-Farge Öl auf | |
> dem Grundwasser. Nun will die Bundeswehr das Gelände verkaufen. | |
Bild: Ende des demokratischen Sektors: Das Eingangstor zum Tanklager Farge. | |
BREMEN taz |In dem Stadtteil Farge, am nördlichen Ende des lang gestreckten | |
Bremer Stadtgebietes, endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik | |
Deutschland. Ein Zaun schirmt ein mehr als drei Quadratkilometer großes | |
Gelände ab, militärisches Sperrgebiet. Dabei wurde das Gelände, offiziell | |
jedenfalls, in den letzten 20 Jahren nicht militärisch genutzt, nur ein | |
großes Tanklager wird durch den Zaun geschützt. „Das ist kein Tanklager, | |
sondern ein Monstrum der Nazizeit“, sagt Hartmut Schurr, Vorsitzender der | |
Grünen in Farge. Ähnlich wie der U-Boot-Bunker Valentin, wenige Kilometer | |
weiter, der längst zu einem öffentlichen Erinnerungsort an die | |
Zwangsarbeiter in der NS-Zeit geworden ist. | |
## Eine dicke Öllache | |
Was der militärische Sperrzaun in Farge nach wie vor schützt, ist eine | |
riesige Umweltkatastrophe. Zwei Meter dick, so haben Gutachter im Jahre | |
2010 dargestellt, steht die Öl-Lache auf dem Grundwasser beim | |
„Verladebahnhof 2“. Auf einer Karte (siehe Bild unten) ist die Öl-Fahne im | |
Grundwasser farbig gekennzeichnet, sie zieht sich unter dem militärischen | |
Sperrzaun hinweg bis ins Farger Wohngebiet. | |
„Ich empfehle, Wasser aus Gartenbrunnen bis auf Weiteres nicht mehr zum | |
Spielen, Befüllen von Planschbecken sowie als Gießwasser zu nutzen“, hat | |
Bremens Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) den Anwohnern im April 2013 | |
schriftlich mitgeteilt. Wenn man das Grundwasser nicht nutzt, besteht keine | |
Gefahr, beruhigt die Sprecherin des Umweltsenators. | |
Hinter dem Sperrzaun sind bisher 119 Stellen mit Bodenverseuchungen | |
identifiziert worden, darunter auch das seit der Erfindung des bleifreien | |
Benzins gern verwendete hochgiftige und krebserregende | |
Methyl-tert-butylether (MTBE). Auch beim Ölhafen unten an der Weser ist Öl | |
im Boden, „das suppt natürlich in die Weser“, sagt Ingenieur Henning Leber | |
von der „Bürgerinitiative zur Aufklärung von Verseuchung von Grund, Wasser | |
und Boden durch das Tanklager Farge“. Und die Gutachter haben festgestellt, | |
dass das Öl nicht nur Richtung Wohngebiet, sondern in die Richtung der nahe | |
gelegenen Trinkwasser-Quellen unterirdisch weitersuppt. | |
## Langwierige Sanierung | |
Die Bundeswehr hat unter der Aufsicht der Bremer Umweltverwaltung mit der | |
Sanierung begonnen: Mehrere Pumpen saugen Öl ab. „Das kann zehn Jahre | |
dauern“, sagt die Umweltsprecherin. Vielleicht werden auch neue Öl-Vorräte | |
gefunden, die Untersuchungen sind nicht abgeschlossen. Wenn weiter so | |
intensiv an dem Problem gearbeitet wird wie seit drei Jahren, „dann dauert | |
die Sanierung eher hundert als zehn Jahre“, sagt Ingenieur Leber. | |
Das Krebsregister zeigt keine auffallenden Befunde in den Wohngebieten rund | |
um den militärischen Sperrzaun, sagt die Behörde. Einstimmig hat der | |
Stadtteilbeirat von Blumenthal vor zwei Wochen sich der Forderung der | |
Bürgerinitiative angeschlossen, dass der Tanklager-Betrieb eingestellt | |
wird. | |
Warum der militärische Sperrzaun? Die Nazis haben seit 1935 an dem | |
Tanklager gebaut. Entstanden sind 78 Behälter mit je 4.000 Kubikmetern | |
Fassungsvermögen, 125 Kilometer unterirdische einwandige | |
Treibstoffleitungen und eine unterirdische Pipeline nach Oldenburg, alles | |
unter rund sechs Metern Erdreich. Nach heutigen Umweltstandards dürfte das | |
nicht gebaut werden, es gibt keine baurechtliche Grundlage für die | |
Industrie-Anlage – „Sonderbaufläche Bund“ steht in den Akten der | |
Baubehörde. Das bedeutet: Da, wo das Militär regiert, gilt das bürgerliche | |
Baurecht nicht mehr. Die Kommunen haben das vornehme Recht, in | |
„Flächennutzungsplänen“ zu regeln, was auf ihren Flächen passieren darf … | |
was nicht – bei einer „Sonderbaufläche Bund“ hört dieses Recht auf. | |
Dabei schütze diese „Sonderbaufläche Bund“ nur den privaten | |
Tanklager-Betreiber Tanquid, die Firma ist ein Derivat des | |
Reichswehrministeriums. Tanquid hat sich auf „strategische | |
Treibstoffbevorratung“ von EU-Staaten spezialisiert, die Mutterfirma sitzt | |
auf den Bermudas. Das Farger Tanklager macht rund zehn Prozent der | |
Lagerkapazitäten der Tanquid aus – am 31. Mai dieses Jahres hat Tanquid das | |
Gelände verlassen, die Tanks sind nun leer, die Bundeswehr hat die Verträge | |
gekündigt, sie wollte das kostenträchtige Gelände verkaufen. | |
Das hat die Anwohner alarmiert. Will die Bundeswehr sich das Problem durch | |
eine Privatisierung vom Hals schaffen? Darf ein privater Betrieb die | |
Anlage, die ohne Baugenehmigung errichtet wurde – also ein „Schwarzbau“ �… | |
überhaupt nutzen? Er darf, sagen die Bremer Baurechtsexperten. | |
Denn ein riesiges Tanklager dieser Dimension ist quasi immer ein | |
militärisch-strategischer Bau und steht außerhalb des demokratischen | |
Baurechts. Zudem hätte der Käufer im Sinne von Bestandsschutz das Recht, | |
die Anlage weiter zu betreiben. Nur für die Altlasten im Boden ist | |
weiterhin die Bundeswehr zuständig. | |
## Teurer Rückbau | |
„Halt“, sagt Richard Eckermann, Baudezernent des Landkreises Osterholz, auf | |
dessen Gelände die Hälfte des Tanklagers liegt: Die Pflicht, die Anlage | |
zurückzubauen, wenn der Betrieb eingestellt wird, würde an einen privaten | |
Eigentümer mitverkauft. Auf mehrere hundert Millionen Euro schätzt man die | |
Rückbau-Kosten, durch einen schlanken Konkurs könnte sich eine private GmbH | |
dieser Last entziehen. Bremen hat auf diese Weise schon ein ölverseuchtes | |
Gelände „geerbt“. Eckermann besteht daher darauf, dass der Bund die | |
„Rückbaupflicht“ behält. | |
Der Bremer Umweltsenator hält sich zurück im Streit um das Tanklager - | |
wenigstens die öffentliche Erklärug, dass das Tanklager nur nach den heute | |
geltenden Umwelt-Standards privat betrieben werden dürfe, hätte die | |
Bürgerinitiative von einem Grünen im Amt erwartet. Der grüne Politiker | |
verstecke sich hinter seiner Verwaltung, sagt der Farger Grünen-Sprecher | |
Schurr. | |
Auch bei dem Versuch, von der Bundeswehr die Information herauszuquetschen, | |
was denn nun mit dem Gelände geplant wird, fühlt die Bürgerinitiative sich | |
allein gelassen. Es gibt mehrere Kaufangebote, das ist alles, was die | |
Immobilien-Agentur der Bundeswehr seit Ende Mai zu dem Thema sagt: „Ob am | |
Ende ein Käufer gefunden werden kann, steht aber noch nicht fest.“ Offenbar | |
ist es nicht einfach, einen Käufer für die technisch völlig veraltete | |
Anlage mit kaum beherrschbaren Umweltrisiken zu finden. Die Firma Tanquid, | |
die das Gelände und seine Tücken kennt, hat kein Interesse an einem Kauf. | |
Heutzutage wird Öl in großen überirdischen Tanks gelagert. So sind die | |
lokalen Politiker beinahe beruhigt über die Nachricht, dass das Gelände | |
wieder militärisches Sperrgebiet ist – was auch immer die Bundeswehr da | |
veranstalten will. Möglicherweise weiß die Bundeswehr das selbst nicht so | |
genau - wenn sie ernsthaft mit einem Verkauf gerechnet hätte, dann hätte | |
sie den Vertrag mit Tanquid erst nach erfolgreichen Verkaufsverhandlungen | |
gekündigt. So stehen die Tanks nun seit Monaten leer. Wenn sie drei Jahre | |
ungenutzt bleiben, verfällt die alte Betriebsgenehmigung. | |
Zu der Frage, wie das Öl in den Boden gekommen ist, gibt es eine einfache | |
offizielle Auskunft: Im Zweiten Weltkrieg wurden Tankwagen, die dort | |
standen, in den Boden entleert, um zu vermeiden, dass englische Bomben | |
diese Tanks in große Sprengsätze verwandeln und die gesamte Anlage | |
zerstören könnten. Ob später auch Öl in den Boden versickert ist, das ist | |
das Geheimnis derer, die hinter dem militärischen Sperrzaun gearbeitet | |
haben – erst amerikanische Truppen, dann die Bundeswehr. | |
22 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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