# taz.de -- Die Wahrheit: Romeo der Killer | |
> Romeo hatte ein Faible dafür, unbemerkt in fremde Wohnungen zu schlüpfen | |
> und sich dort einschließen zu lassen. | |
Bild: Die närrische Pferdeliebe hat den Wandel der Zeiten eigenartigerweise ü… | |
Als wir uns kennenlernten, sprach nichts dafür, dass Romeo und ich Freunde | |
werden würden, denn anfangs fiel er nur durch seine schlechten Manieren | |
auf, und außerdem gehörte er zu Swetlana, der ärgsten Landplage, mit der | |
ich je in einem Haus zusammenwohnte. Noch am Tag ihres Einzugs stiefelte | |
sie erstmals kreischend durchs Treppenhaus: „Ah, dieser ekelhafte | |
Schmuuutz!“, rief sie, und das hatte sicherlich etwas damit zu tun, dass | |
wir Hausbewohner es bislang mit dem Treppenputzplan nicht so genau genommen | |
hatten. | |
Vor allem aber lag es an dem Hass, den sie noch für die unscheinbarste | |
Ansammlung von Staubpartikeln empfand. „Schmuuutz“, hörte ich sie einmal | |
sagen, „ist der Mutterboden allen Unheils! In ihm sind die Bakterien | |
entstanden, die Süüünde und – der Kommunismus!“ | |
In einem krassen Gegensatz zu ihrem Reinheitswahn stand das Verhalten von | |
Romeo, ihrem dicken Kater. Das Biest hatte ein Faible dafür, unbemerkt in | |
fremde Wohnungen zu schlüpfen und sich dort einschließen zu lassen, was – | |
denn wer hat für den Fall der Fälle schon ein Katzenklo in der Küche? – | |
häufig fürchterliche Folgen hatte. Hörte man Swetlana abends durchs | |
Treppenhaus klackern und dabei lauthals: „Rooomeo!“ kreischen, wusste man, | |
dass wieder einmal ein Bedauernswerter arglos das Haus verlassen haben | |
musste und bei seiner Heimkehr eine schauderhafte Entdeckung machen würde. | |
Konfrontierte man Swetlana mit dem Schrecknis, äußerte sie indes kein Wort | |
des Bedauerns. „Warum sperrst du die arme Kuuuschelkatze auch in deiner | |
Wohnung ein, du Tierschinder?!“, kreischte sie, und so durfte man froh | |
sein, dass sie einen nicht bei einer militanten Tierrächergang anschwärzte. | |
Gerade aber als die ersten Hausbewohner darüber nachzudenken begannen, das | |
Problem mit vergifteten Leckerlis zu lösen, sah ich Romeo übers Dach | |
turnen. „Donnerschlag!“, dachte ich, da ich dem dicken Kater derartige | |
Kletterkunststücke nicht zugetraut hätte – endgültig platt aber war ich, | |
als er plötzlich eine schnelle Bewegung machte und einer der Tauben auf dem | |
Dach den Hals umdrehte. | |
„Bravo, Romeo!“, flüsterte ich, denn seit Jahren versuchten wir vergeblich, | |
die Biester zu vertreiben, deren heiseres Gurren das Nervenkostüm aller | |
Hausbewohner peu à peu zersägte. Umgehend unterrichtete ich das | |
Leckerli-Vergiftungskommando.Wir beschlossen, den Kater fortan als Freund | |
anzusehen, alle Wohnungen mit Notfallkatzenklos auszurüsten und Romeo bei | |
der Taubenjagd anzufeuern. | |
Nach und nach machte er fast die ganze Population auf dem Dachfirst nieder. | |
Schade, dass Swetlana überhaupt keine Freude daran hatte, dass Romeo | |
regelmäßig blutbesudelt nach Hause kam oder ihr einen halb aufgegessenen | |
Dachbewohner auf den Wohnzimmerteppich legte. Sie zog keine zwei Monate | |
später wieder aus. Zurück blieben ein rundes Dutzend überflüssiger | |
Katzenklos und einige Tauben, die dafür sorgten, dass sich auf dem Dach | |
bald wieder eine halbe Fantastilliarde gurrender Nervensägen tummelte. | |
4 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Joachim Schulz | |
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