# taz.de -- Die Wahrheit: Auf dem Speiseplan von Königstigern | |
> Geheimwissen: Warum Marburg eine sichere Nummer für all jene ist, die | |
> nicht mit Tieren können. | |
Bild: Die närrische Pferdeliebe hat den Wandel der Zeiten eigenartigerweise ü… | |
Niemand hat einen vernünftigen Grund, in unserer Stadt zu leben. Theo | |
behauptet allen Ernstes, vor dreißig Jahren beim Trampen hier hängen | |
geblieben zu sein; und Raimund sagt, er habe damals, als es um die Wahl | |
eines Studienortes ging, eine ausgeprägte esoterische Phase durchlebt, | |
weshalb er die Entscheidung dem Schicksal höchstpersönlich überließ und mit | |
dem Goldhamster seiner kleinen Schwester sowie einem Rondell aus | |
Schuhkartons, die er mit den Namen einiger Universitätsstädte und kleinen | |
Eingangslöchern versehen hatte, eine Art Meerschweinchenspiel | |
veranstaltete. | |
So oder so ähnlich hört sich jede dieser Geschichten an. Nur Nick kann in | |
einem einzigen logischen Satz erklären, warum er hier lebt: „Weil“, sagt | |
er, „es unter allen Städten, in denen ich hätte studieren können, nur in | |
dieser keinen Zoo gab.“ | |
Denn Nick lebt gefährlich. Befände ich mich gerade in einer ausgeprägten | |
esoterischen Phase, würde ich mutmaßen, dass er in einem früheren Leben ein | |
Meerschweinchenspiel besaß, von Kirmes zu Kirmes zog und die armen | |
Schweinchen tagein, tagaus mit geheimen Stromstößen piesackte, um das Spiel | |
zu manipulieren. | |
Auf jeden Fall kenne ich niemanden, dem die Tierwelt so wenig wohlgesonnen | |
ist wie ihm. Jederzeit muss er mit einer Attacke rechnen. Wagt er es, an | |
einem Sommerabend mit Freunden in einem Biergarten zu sitzen, kann er | |
sicher sein, von den herumschwirrenden Mückengeschwadern binnen zwei | |
Stunden halb leergesuckelt zu werden, so dass er anschließend im Klinikum | |
eine Bluttransfusion braucht, während seine Begleiter nicht ein einziges | |
Mal gestochen werden. Auch niedliche Kätzchen, die eben noch schnurrend auf | |
dem Sofa lagen, verwandeln sich schlagartig in fauchende Furien, sobald er | |
den Raum betritt, und versuchen, ihm die Gesichtshaut in feinen Streifen | |
vom Knochen zu ziehen. | |
Dabei hat er nicht den blassesten Schimmer, woher dieser Hass auf ihn | |
rührt. „Schon als Kind“, erzählt er, „spielte ich mit meinem Leben, wenn | |
ich Detlef, den Hasen des Nachbarsjungen, zu streicheln versuchte.“ Kaum | |
streckte er die Hand aus, erwachte in Detlef der Blutdurst, und | |
selbstverständlich glaubte man ihm und seiner Mutter kein Wort, als sie die | |
klaffende Wunde versorgen ließen und von einem gemeingefährlichen | |
Killerkaninchen sprachen. | |
So muss er bis heute darauf gefasst sein, von einer Wildschweinrotte, die | |
sich irgendwie bis ins Stadtzentrum gepirscht hat, quer über den | |
Goetheplatz gehetzt zu werden, oder im Botanischen Garten zur Belustigung | |
der Spaziergänger, die an ein humoristisches Remake von Hitchcocks „Vögeln�… | |
denken, plötzlich lauthals kreischend vor einer Wolke mordgieriger Spatzen | |
davonrennen zu müssen. | |
Es ist daher sicherlich richtig, dass er um Städte mit Zoos einen großen | |
Bogen macht. Denn wenn die Nachricht von seiner Anwesenheit die Käfige | |
erreichte, hielte Familie Königstiger das gewiss für eine gute Gelegenheit, | |
dem Wärter endlich einmal den Schlüssel zu entwenden und auswärts essen zu | |
gehen. | |
21 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Joachim Schulz | |
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