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# taz.de -- Die Wahrheit: Hier ist die Bohrmaschine, Cowboy
> Ich bin kein Handwerker. Nie gewesen. Schon im Werkunterricht in der
> Schule traten meine Defizite deutlich zu Tage. Mathilda akzeptierte das
> nicht.
Bild: Nicht jeder kann mit Bohrmaschinen.
Ich bin kein Handwerker. Nie gewesen. Schon im Werkunterricht in der Schule
traten meine Defizite deutlich zu Tage. Was ich zusammenschraubte, sah aus
wie eine neosurrealistische Plastik, niemals jedoch wie ein Vogelhäuschen
oder Gewürzregal, und daher war ich zeit meines Lebens froh, wenn es mir
auch nur gelang, einen Nagel gerade in die Wand zu schlagen. Ging es indes
um diffizilere Angelegenheiten wie das Tapezieren oder Löcherbohren, wandte
ich mich stets an Freunde, die dafür mehr Talent besaßen als ich.
Mathilda hingegen war nicht bereit, das zu akzeptieren. Ich hatte sie beim
Kauf eines Spiegelschranks beraten. Kaum aber waren wir in ihre Wohnung
zurückgekehrt, hielt sie mir ein graues Köfferchen hin. „Bist du so lieb,
den Schrank gleich anzubringen?“, fragte sie. Dann raunte sie: „Hier hast
du die Bohrmaschine, Cowboy!“
Mir brach der Schweiß aus. „Mathilda“, stotterte ich, „du weißt, ich ka…
das nicht!“ „Doch“, sagte sie: „Du kannst.“ – „Nein!“ – „Do…
Doch bei solchen Wortwechseln setzen sich Frauen immer durch, und so schob
sie mich ins Bad und reichte mir den Zollstock .
Ich zeichnete die Bohrlöcher an und wusste, dass eine Katastrophe
bevorstand. Fragte sich nur, welche. Vielleicht würde ich ein Stromkabel
erwischen, vielleicht eine Wasserleitung anbohren, vielleicht die
Gasleitung durchlöchern und eine gewaltige Explosion auslösen: Ich sah, wie
die Detonation die Dächer der umliegenden Häuser wegpustete, und das einzig
Beruhigende war, dass ich mich zumindest nicht bei den ganzen Nachbarn für
das Malheur entschuldigen müsste, da ich ja der erste wäre, der in Richtung
Himmel bzw. – was wahrscheinlicher war – Richtung Hölle, Abteilung Ewiger
Werkunterricht, Fachrichtung Filigrane Laubsägearbeiten, davonschwirren
würde.
Mathilda schreckte das nicht. „Los“, sagte sie: „Tu es!“ Ich drückte a…
den Abzug, und die Maschine grub sich wie ein steinefressender
Monstermaulwurf in die Wand. Ich wartete auf das Kreischen berstenden
Metalls, das Grollen einstürzender Gebäude, das Tröten der Trompeten von
Jericho – irgendein Geräusch halt, das das Desaster treffend illustrierte.
Doch nichts dergleichen geschah.
„Haha!“, jubilierte Mathilda: „Los, das nächste!“ Sie schob mich einen
Schritt nach rechts. Ich setzte die Maschine willenlos an, und wieder
fräste sich der hungrige Monstermaulwurf in die Mauer. Kurz darauf hing der
Schrank an der Wand. Mathilda klatschte in die Hände: „Ich hab’s gewusst!
Du bist super, Cowboy – und jetzt komm, ich mach uns Kaffee!“
Der Spiegelschrank blieb hängen. Hängt bis heute. Bombenfest. Doch ich weiß
selbstverständlich, dass es sich nur um ein Intermezzo handelt, dass die
Katastrophe bloß eine etwas längere Rauchpause macht und früher oder später
der ganze Salat heruntersausen, mit einem ohrenbetäubenden Getöse aufs
Waschbecken krachen, den Wasserhahn zertrümmern und so doch noch die
erwartete Überschwemmung auslösen wird. Denn ich bin kein Handwerker, wie
gesagt. Werde nie einer sein.
28 Oct 2013
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Handwerk
Zoo
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Katzen
Trolle
Väter
Russen
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